Beschluss: Das Gremium beschließt ungeändert.

Abstimmung: Ja: 9, Nein: 1, Enthaltungen: 0, Befangen: 0

Beschluss:

 

Die Verordnung über das Naturschutzgebiet „Domäne Stolzenau/Leese“ in der Samtgemeinde Mittelweser, Gemeinden Leese und Landesbergen wird beschlossen.

 


Beratungsgang:

 

Landschaftsarchitekt Gänsslen erläutert das Anpassungs- bzw. Erweiterungsvorhaben des Naturschutzgebietes NSG-HA-176 „Domäne Stolzenau/Leese“.

 

Aus der Verpflichtung zur Sicherung des Vogelschutzgebietes V43 „Wesertalaue bei Landesbergen und Stolzenau“ und des FFH-Gebietes 289 „Teichfledermaus-Gewässer im Raum Nienburg“ ist die bestehende NSG-VO an die Vorgaben aus den Vogelschutz- und der FFH-Richtlinien sowie aufgrund der Erweiterung um einen weiteren durch den Kiesabbau entstandenen Gebietsteil (rd. 53 ha) anzupassen.

 

Die seit Jahrzehnten unanfechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschlüsse sehen eine Nachnutzung zum Naturschutz und ein Angelverbot als Kompensationsleistung vor. Die Aufnahme dieses beruhigten Bereiches in das NSG dient dem Natur- und Artenschutz, sowie einem besseren Schutz für die durch den Kiesabbau entstandenen und hergerichteten Flächen. Der Erweiterungsbereich steht im Eigentum der Fa. Renne, deren Belange ausreichend berücksichtigt werden, sowie in geringeren Flächenanteilen im Eigentum des Landkreises als untere Naturschutzbehörde.

 

Schutzzweck und Erhaltungsziele ergeben sich vor allem aus der Vogelschutzrichtlinie.

Wertbestimmende Vogelart ist hier u.a. die Schwarzkopfmöwe (als Brutvogel), die nahrungsreiche Kulturlandflächen (vorrangig Grünland) benötigt. Im Umfeld geeigneter Brutplätze ist die Freihaltung und Schaffung von vegetationsarmen Flächen (Inseln) und eine Beruhigung der Gewässer notwendig. Auch, wenn aktuell die Schwarzkopfmöwe nicht mehr im Gebiet vorkommt, sind diese aktiven Maßnahmen zur Lebensraumwiederherstellung erforderlich.

Weiter wertbestimmend sind der Weißstorch (als Nahrungsgast) sowie der hier als Gastvogel wertbestimmende Singschwan. Wertbestimmende Zugvogelarten sind hier der Kormoran und der Gänsesäger (hier als Gastvögel).

Maßgebliche avifaunistische Bestandteile sind die im Gebiet vorkommenden Arten der Nordischen Gänse und Schwäne sowie Enten, Säger, Taucher der Binnengewässer, Möwen und Seeschwalben und Limikolen des Wattenmeeres und weitere Vogelarten wie z.B. Rohrweihe und Feldlerche.

 

Natürliche und naturnahe eutrophe Stillgewässer mit Laichkraut- oder Froschbiss-Gesellschaften, feuchte Hochstaudenfluren und Fragmente von Auwäldern des Gebiets sowie die Populationen von Teichfledermaus und Fischotter sollen in einem günstigen Erhaltungszustand gesichert bzw. entwickelt werden (FFH-Richtlinie).

 

KTA Engelking nimmt fortan (15.20 Uhr) an der Sitzung teil.

 

Landschaftsarchitekt Gänsslen resümiert die bisherigen Bearbeitungsschritte.

Nach einer Vorabbeteiligung der Eigentümer, Nutzungsberechtigten und Interessenvertreter wurde der Verordnungsentwurf mit dem Anglerverein Nienburg, der Berufsfischerei und dem Fischereiverein Grafschaft Hoya bzw. mit der Jagdbehörde und dem Kreisjägermeister, dem Vorsitzenden der Nienburger Jägerschaft und dem Jagdbeirat erörtert.

Im Anschluss daran wurden das Beteiligungsverfahren und die Auslegung durchgeführt. Von den 79 beteiligten Stellen gaben 22 Bedenken/Anregungen/Hinweise ab. Das Auslegungsverfahren ergab 1 Stellungnahme.



Auszugsweise stellt er u.a. die Bedenken des Deutschen Aero Club Landesverbandes Niedersachsen e.V. und des Landessportbund Niedersachsen e.V. weiter vor.

 

Die geäußerten Bedenken richten sich gegen das NSG als Einschränkung des Überfliegens des NSG, sowie als Unzumutbarkeit für die Piloten, sich zusätzlich über die Aircraft relevant Bird Areas (ABA) über Schutzgebiete informieren zu müssen.

Verwaltungsseitig wurde dies zur Kenntnis genommen. Die Domäne gehört bereits zu den ABA und das FFH-/Vogelschutzgebiet ist zudem vor erheblichen Beeinträchtigungen zu schützen. Die Verordnung regelt zwar die Überflughöhe, schließt einen Überflug aber nicht aus.

 

Von der Realgemeinde Stolzenau und einem privaten Flächeneigentümer wurden große Bedenken bzgl. der immer größer werdenden Gänse- und Wildpopulation und die deshalb darunter leidende landwirtschaftliche Produktion geäußert.

Dies wurde zur Kenntnis genommen. In der Weseraue können von Fraßschäden durch Rastvögel betroffene Landwirte Entschädigungen erhalten. Durch die Verordnung ist eine Einflussnahme auf sich übermäßig entwickelnde Brutpopulationen, dem Jagdrecht unterliegende Arten, in den Zuziehungsbereichen zulässig. Darüber hinaus können und sollten andere Wildarten, wie z.B. Wildschweine, weiterhin jagdlich eingedämmt werden.

 

Eine Vielzahl an Stellen hat sich auf die in der Verordnung vorgesehenen Regelungen zur fischereilichen Nutzung und das Verhältnis zwischen Fischerei und Jagd bezogen.

Hierzu wurde eine ausführliche inhaltliche und rechtliche Auseinandersetzung mit den im Einzelnen vorgetragenen Bedenken, Anregungen usw. vorgenommen. Der Gleichheitsgrundsatz wird nicht als verletzt angesehen, da Fischerei und Jagd räumliche, zeitliche und inhaltliche Beschränkungen, aber auch Zugeständnisse erhalten. Die Jagd ist darüber hinaus als Maßnahme für das Prädatorenmanagement und die Eindämmung von Schwarzwild notwendig. Bei der Jagdausübung werden störungsempfindliche Uferbereiche geschont.

Die Fischerei ist bereits durch die unanfechtbaren Planfeststellungsbeschlüsse zum Bodenabbau nicht erlaubt.

 

Ein Berufsfischer und die Landwirtschaftskammer Niedersachsen erheben Bedenken in Bezug auf die in der Verordnung vorgesehenen Regelungen zur Reusenfischerei.

Regelungen zur Reusenfischerei sind fachlich und rechtlich aufgrund des Fischottervorkommens unumgänglich, da diese eine erhebliche Beeinträchtigung der örtlichen Population darstellt (vgl. Urteil des VG Hannover vom 31.01.2013, Az. 4 A 5418/12, zur Reusenfischerei am Steinhuder Meer).

Die im vergangenen Jahr im Otterzentrum Hankensbüttel getesteten Vorrichtungen zum Otterschutz bei der Reusenfischerei können verwendet werden. Ein dem Pächter durch die Nachrüstung der Reusen entstehender finanzieller Mehraufwand ist ggf. durch Neuverhandlungen bei der Höhe der Fischereipacht mit dem Land zu kompensieren.

 

Der Verordnungsentwurf, die Begründung und die Verordnungskarte wurden aufgrund der eingegangenen Stellungnahmen überarbeitet.

 

 

Der Vorsitzende stellv. Landrat Dr. Schmädeke erwähnt lobend die gute Vorarbeit, der insbesondere der Konsens zwischen Fischerei und Jagd zu verdanken sei.

 

Die dargebotenen Wasserflächen begünstigen die Gänsepopulation, die ihrerseits für Ernteeinbußen bei der Landwirtschaft sorgt. Einen Erschwernisausgleich, wie es ihn im Rahmen von Landschaftsschutzgebieten für die Forstwirtschaft zukünftig in Niedersachsen geben soll, gibt es z.Z. für landwirtschaftliche Nutzflächen noch nicht. Seitens der Landwirtschaftskammer werden aber diesbezüglich bereits Gespräche geführt.

 

KTA Engelking macht deutlich, dass sich die Population der Gänse in den vergangenen Jahren gefühlt verdoppelt habe. Waren sie in der Vergangenheit auf die Marsch beschränkt, so seien sie zunehmend nun auch in der Geest zu finden.

 

Landschaftsarchitekt Gänsslen verweist auf die bezüglich Gastvögel im Winter zusammen mit der Landwirtschaftskammer und den Kiesabbauunternehmen getroffenen Entschädigungsregelungen für Fraßschäden. Das Budget der hier anzuwendenden Rahmenvereinbarung wurde vor zwei Jahren auf nun 20.000 € jährlich angehoben. Die hieraus zum Ausgleich gezahlten Beträge seien zwar nicht 100% kostendeckend, aber allgemein als Entschädigung anerkannt.

 

Die Rahmenvereinbarung über die Gastvogellebensräume im Nienburger Wesertal ist aufgrund der hier geführten Diskussionen zur Kenntnisnahme und Information der Kreistagsmitglieder als Protokollanlage zur Beschlussvorlage 2018/067 mit aufgenommen worden und kann über das Kreistagsinformationssystem abgerufen werden.

 

Für Schäden, die durch Sommervögel verursacht werden, gelte diese Vereinbarung nicht. Der Ausgleich derartiger Fraßschäden sei eine privatrechtliche Angelegenheit zwischen Flächeneigentümer bzw. Pächter und den Kiesabbauunternehmen und bewege sich außerhalb der Möglichkeiten des Landkreises über die gesetzliche Eingriffsregelung tätig zu werden.

Verwaltungsseitig wirke man bei neuen Abbauflächen im Wesertal, aufgrund der massiv vorgetragenen Forderungen aus der Landwirtschaft, in den Beteiligungsverfahren über die Planfeststellung ein. Hier soll dann ein Monitoring vorgeschrieben werden, auf dem dann Entschädigungsansätze aufgebaut werden können.

 

Auf den Hinweis von KTA Kuhlmann, dass sich im Sommer inzwischen so viele Vögel auf den landwirtschaftlichen Flächen aufhielten, dass diese flächendeckend das gesamte Feld abdeckten und vielfach auch resistent gegen Abschreckungen, wie z.B. Händeklatschen seien, erklärt Landschaftsarchitekt Gänsslen, dass ihm eine gravierende Mehrung der Gänsezahl, vorrangig der immer wieder angeführten Nilgänse, nicht bekannt ist. Die Bestände der Nilgänse im Winter, die ja keine Zugvögel sind, werden kartiert und wiesen bislang nicht darauf hin.

 

Nachdem KTA Dralle die subjektive Wahrnehmung einer rasanten Zunahme der Vögel bestätigt, regt KTA Kuhlmann an, die Vogelpopulation auch in den Sommermonaten zu erfassen.

 

Der Vorsitzende stellv. Landrat Dr. Schmädeke unterstützt ein ganzjähriges Monitoring.

 

 

Landschaftsarchitekt Gänsslen berichtet, dass bereits jetzt jeder neue Antragsteller auf Kiesabbau im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung in einem Radius von rd. 1,5 km um das Abbaugebiet eine Bestandserfassung durchführen soll.

 

KTA Linderkamp fasst zusammen, dass mit dem steigenden Angebot an Wasserflächen auch die Anzahl der Vögel steige. Die Veränderung zeige sich in der Quantität und auch im Verhalten der Tiere.

Auch wenn man sich aktuell entsprechend der Rechtslage verhalte und eine Entschädigungsregelung existiere, so sei dies nicht ausreichend. Man müsse weiter an der Problematik arbeiten, um eine Balance zwischen den Populationsverhältnissen und den Entschädigungen zu finden.

 

Das Mitglied mit beratender Stimme Rösler weist auf eine beabsichtigte, in Zusammenarbeit des Naturschutzbundes Deutschland e.V., Kreisverband Nienburg, mit der NLWKN ehrenamtliche Gänsezählung im Landkreis Nienburg hin. Die Zählung werde in der Mauserzeit erfolgen, um auch den Brutbestand und Bruterfolg erfassen zu können.

 

Er betont, dass das Ursache-Wirkung-Prinzip nicht außer Acht gelassen werden dürfe. Die landwirtschaftlichen Flächen würden ja schließlich freiwillig an die Kiesabbauunternehmen verkauft.

 

Das Mitglied mit beratender Stimme Göckeritz erklärt, dass der Pachtflächenanteil im Kreis Nienburg bei rd. 75% liegt. D.h. die Mehrzahl aller landwirtschaftlichen Flächen ist angepachtet. Die Freigabe für den Kiesabbau erfolgt durch den Eigentümer und nicht den Pächter.

Die Populationszunahme der Gänse erstrecke sich auf ganz Niedersachsen. Weshalb es von der norddeutschen Landwirtschaftskammer in Ostfriesland eine Ermittlung der konkreten Fraßschäden gab. Die ermittelten Kosten wurden den Unteren Naturschutzbehörden (UNB) in Rechnung gestellt, woraufhin diese Rechtsmittel einlegten, aber im darauf folgenden Klageverfahren der LWK Ostfriesland unterlagen.

 

Damit beschränke sich die Frage der Regulierung der Fraßschäden nicht mehr nur allein auf die Bewirtschafter, sondern fordere auch die Naturschutzverwaltungen.

 

Ergänzend führt er aus, dass der Kompensationspool bei Anlegung wie ein Fonds konzipiert wurde. D.h., dass das aus dem Anlagekapital erwirtschaftete Zinsguthaben der Schadenregulierung zugeführt werden sollte. Bei dem aktuellen Zinsniveau bringe auch die Kapitalaufstockung auf 20.000 € aber nicht den erforderlichen Erfolg.

 

Landschaftsarchitekt Gänsslen lässt sich auf Nachfrage bestätigen, dass es sich bei der urteilsbedingten Erstattungsverpflichtung auf die UNB im Zuständigkeitsbereich der LWK in einem Teil von Ostfriesland beschränke.

 

Der Vorsitzende stellv. Landrat Dr. Schmädeke ruft sodann zur Abstimmung auf.

 


Beratungsergebnis:

 

Mit Stimmenmehrheit:         9 Ja-Stimmen           1 Nein-Stimme         0 Enthaltungen