Sitzung: 26.04.2018 Ausschuss für Landschaftspflege, Natur und Umwelt
Beschluss: Das Gremium beschließt ungeändert.
Abstimmung: Ja: 9, Nein: 1, Enthaltungen: 0, Befangen: 0
Vorlage: 2018/067
Beschluss:
Die
Verordnung über das Naturschutzgebiet „Domäne Stolzenau/Leese“ in der
Samtgemeinde Mittelweser, Gemeinden Leese und Landesbergen wird beschlossen.
Beratungsgang:
Landschaftsarchitekt
Gänsslen erläutert das Anpassungs-
bzw. Erweiterungsvorhaben des Naturschutzgebietes NSG-HA-176 „Domäne
Stolzenau/Leese“.
Aus
der Verpflichtung zur Sicherung des Vogelschutzgebietes V43 „Wesertalaue bei Landesbergen
und Stolzenau“ und des FFH-Gebietes 289 „Teichfledermaus-Gewässer im Raum
Nienburg“ ist die bestehende NSG-VO an die Vorgaben aus den Vogelschutz- und
der FFH-Richtlinien sowie aufgrund der Erweiterung um einen weiteren durch den
Kiesabbau entstandenen Gebietsteil (rd. 53 ha) anzupassen.
Die
seit Jahrzehnten unanfechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschlüsse sehen eine
Nachnutzung zum Naturschutz und ein Angelverbot als Kompensationsleistung vor.
Die Aufnahme dieses beruhigten Bereiches in das NSG dient dem Natur- und
Artenschutz, sowie einem besseren Schutz für die durch den Kiesabbau entstandenen
und hergerichteten Flächen. Der Erweiterungsbereich steht im Eigentum der Fa.
Renne, deren Belange ausreichend berücksichtigt werden, sowie in geringeren Flächenanteilen
im Eigentum des Landkreises als untere Naturschutzbehörde.
Schutzzweck
und Erhaltungsziele ergeben sich vor allem aus der Vogelschutzrichtlinie.
Wertbestimmende
Vogelart ist hier u.a. die Schwarzkopfmöwe (als Brutvogel), die nahrungsreiche
Kulturlandflächen (vorrangig Grünland) benötigt. Im Umfeld geeigneter
Brutplätze ist die Freihaltung und Schaffung von vegetationsarmen Flächen (Inseln)
und eine Beruhigung der Gewässer notwendig. Auch, wenn aktuell die
Schwarzkopfmöwe nicht mehr im Gebiet vorkommt, sind diese aktiven Maßnahmen zur
Lebensraumwiederherstellung erforderlich.
Weiter
wertbestimmend sind der Weißstorch (als Nahrungsgast) sowie der hier als
Gastvogel wertbestimmende Singschwan. Wertbestimmende Zugvogelarten sind hier
der Kormoran und der Gänsesäger (hier als Gastvögel).
Maßgebliche
avifaunistische Bestandteile sind die im Gebiet vorkommenden Arten der
Nordischen Gänse und Schwäne sowie Enten, Säger, Taucher der Binnengewässer,
Möwen und Seeschwalben und Limikolen des Wattenmeeres und weitere Vogelarten
wie z.B. Rohrweihe und Feldlerche.
Natürliche
und naturnahe eutrophe Stillgewässer mit Laichkraut- oder Froschbiss-Gesellschaften,
feuchte Hochstaudenfluren und Fragmente von Auwäldern des Gebiets sowie die
Populationen von Teichfledermaus und Fischotter sollen in einem günstigen
Erhaltungszustand gesichert bzw. entwickelt werden (FFH-Richtlinie).
KTA
Engelking nimmt fortan (15.20 Uhr) an
der Sitzung teil.
Landschaftsarchitekt
Gänsslen resümiert die bisherigen
Bearbeitungsschritte.
Nach
einer Vorabbeteiligung der Eigentümer, Nutzungsberechtigten und Interessenvertreter
wurde der Verordnungsentwurf mit dem Anglerverein Nienburg, der Berufsfischerei
und dem Fischereiverein Grafschaft Hoya bzw. mit der Jagdbehörde und dem
Kreisjägermeister, dem Vorsitzenden der Nienburger Jägerschaft und dem Jagdbeirat
erörtert.
Im
Anschluss daran wurden das Beteiligungsverfahren und die Auslegung durchgeführt.
Von den 79 beteiligten Stellen gaben 22 Bedenken/Anregungen/Hinweise ab. Das Auslegungsverfahren
ergab 1 Stellungnahme.
Auszugsweise
stellt er u.a. die Bedenken des Deutschen Aero Club Landesverbandes Niedersachsen
e.V. und des Landessportbund Niedersachsen e.V. weiter vor.
Die
geäußerten Bedenken richten sich gegen das NSG als Einschränkung des Überfliegens
des NSG, sowie als Unzumutbarkeit für die Piloten, sich zusätzlich über die
Aircraft relevant Bird Areas (ABA) über Schutzgebiete informieren zu müssen.
Verwaltungsseitig
wurde dies zur Kenntnis genommen. Die Domäne gehört bereits zu den ABA und das
FFH-/Vogelschutzgebiet ist zudem vor erheblichen Beeinträchtigungen zu
schützen. Die Verordnung regelt zwar die Überflughöhe, schließt einen Überflug aber
nicht aus.
Von
der Realgemeinde Stolzenau und einem privaten Flächeneigentümer wurden große
Bedenken bzgl. der immer größer werdenden Gänse- und Wildpopulation und die deshalb
darunter leidende landwirtschaftliche Produktion geäußert.
Dies
wurde zur Kenntnis genommen. In der Weseraue können von Fraßschäden durch
Rastvögel betroffene Landwirte Entschädigungen erhalten. Durch die Verordnung
ist eine Einflussnahme auf sich übermäßig entwickelnde Brutpopulationen, dem
Jagdrecht unterliegende Arten, in den Zuziehungsbereichen zulässig. Darüber hinaus
können und sollten andere Wildarten, wie z.B. Wildschweine, weiterhin jagdlich
eingedämmt werden.
Eine
Vielzahl an Stellen hat sich auf die in der Verordnung vorgesehenen Regelungen
zur fischereilichen Nutzung und das Verhältnis zwischen Fischerei und Jagd bezogen.
Hierzu
wurde eine ausführliche inhaltliche und rechtliche Auseinandersetzung mit den
im Einzelnen vorgetragenen Bedenken, Anregungen usw. vorgenommen. Der
Gleichheitsgrundsatz wird nicht als verletzt angesehen, da Fischerei und Jagd
räumliche, zeitliche und inhaltliche Beschränkungen, aber auch Zugeständnisse
erhalten. Die Jagd ist darüber hinaus als Maßnahme für das Prädatorenmanagement
und die Eindämmung von Schwarzwild notwendig. Bei der Jagdausübung werden
störungsempfindliche Uferbereiche geschont.
Die
Fischerei ist bereits durch die unanfechtbaren Planfeststellungsbeschlüsse zum
Bodenabbau nicht erlaubt.
Ein
Berufsfischer und die Landwirtschaftskammer Niedersachsen erheben Bedenken in
Bezug auf die in der Verordnung vorgesehenen Regelungen zur Reusenfischerei.
Regelungen
zur Reusenfischerei sind fachlich und rechtlich aufgrund des Fischottervorkommens
unumgänglich, da diese eine erhebliche Beeinträchtigung der örtlichen
Population darstellt (vgl. Urteil des VG Hannover vom 31.01.2013, Az. 4 A 5418/12,
zur Reusenfischerei am Steinhuder Meer).
Die
im vergangenen Jahr im Otterzentrum Hankensbüttel getesteten Vorrichtungen zum
Otterschutz bei der Reusenfischerei können verwendet werden. Ein dem Pächter
durch die Nachrüstung der Reusen entstehender finanzieller Mehraufwand ist ggf.
durch Neuverhandlungen bei der Höhe der Fischereipacht mit dem Land zu kompensieren.
Der
Verordnungsentwurf, die Begründung und die Verordnungskarte wurden aufgrund der
eingegangenen Stellungnahmen überarbeitet.
Der
Vorsitzende stellv. Landrat Dr. Schmädeke erwähnt lobend die gute
Vorarbeit, der insbesondere der Konsens zwischen Fischerei und Jagd zu
verdanken sei.
Die
dargebotenen Wasserflächen begünstigen die Gänsepopulation, die ihrerseits für
Ernteeinbußen bei der Landwirtschaft sorgt. Einen Erschwernisausgleich, wie es
ihn im Rahmen von Landschaftsschutzgebieten für die Forstwirtschaft zukünftig
in Niedersachsen geben soll, gibt es z.Z. für landwirtschaftliche Nutzflächen
noch nicht. Seitens der Landwirtschaftskammer werden aber diesbezüglich bereits
Gespräche geführt.
KTA
Engelking macht deutlich, dass sich
die Population der Gänse in den vergangenen Jahren gefühlt verdoppelt habe.
Waren sie in der Vergangenheit auf die Marsch beschränkt, so seien sie
zunehmend nun auch in der Geest zu finden.
Landschaftsarchitekt
Gänsslen verweist auf die bezüglich
Gastvögel im Winter zusammen mit der Landwirtschaftskammer und den
Kiesabbauunternehmen getroffenen Entschädigungsregelungen für Fraßschäden. Das
Budget der hier anzuwendenden Rahmenvereinbarung wurde vor zwei Jahren auf nun
20.000 € jährlich angehoben. Die hieraus zum Ausgleich gezahlten Beträge seien
zwar nicht 100% kostendeckend, aber allgemein als Entschädigung anerkannt.
Die
Rahmenvereinbarung über die Gastvogellebensräume im Nienburger Wesertal ist
aufgrund der hier geführten Diskussionen zur Kenntnisnahme und Information der
Kreistagsmitglieder als Protokollanlage zur Beschlussvorlage 2018/067 mit aufgenommen
worden und kann über das Kreistagsinformationssystem abgerufen werden.
Für
Schäden, die durch Sommervögel verursacht werden, gelte diese Vereinbarung
nicht. Der Ausgleich derartiger Fraßschäden sei eine privatrechtliche
Angelegenheit zwischen Flächeneigentümer bzw. Pächter und den
Kiesabbauunternehmen und bewege sich außerhalb der Möglichkeiten des
Landkreises über die gesetzliche Eingriffsregelung tätig zu werden.
Verwaltungsseitig
wirke man bei neuen Abbauflächen im Wesertal, aufgrund der massiv vorgetragenen
Forderungen aus der Landwirtschaft, in den Beteiligungsverfahren über die
Planfeststellung ein. Hier soll dann ein Monitoring vorgeschrieben werden, auf
dem dann Entschädigungsansätze aufgebaut werden können.
Auf
den Hinweis von KTA Kuhlmann, dass sich im Sommer inzwischen so viele Vögel
auf den landwirtschaftlichen Flächen aufhielten, dass diese flächendeckend das
gesamte Feld abdeckten und vielfach auch resistent gegen Abschreckungen, wie
z.B. Händeklatschen seien, erklärt Landschaftsarchitekt Gänsslen, dass
ihm eine gravierende Mehrung der Gänsezahl, vorrangig der immer wieder
angeführten Nilgänse, nicht bekannt ist. Die Bestände der Nilgänse im Winter,
die ja keine Zugvögel sind, werden kartiert und wiesen bislang nicht darauf
hin.
Nachdem
KTA Dralle die subjektive Wahrnehmung einer rasanten Zunahme der Vögel
bestätigt, regt KTA Kuhlmann an, die Vogelpopulation auch in den
Sommermonaten zu erfassen.
Der
Vorsitzende stellv. Landrat Dr. Schmädeke unterstützt ein ganzjähriges
Monitoring.
Landschaftsarchitekt
Gänsslen berichtet, dass bereits
jetzt jeder neue Antragsteller auf Kiesabbau im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung
in einem Radius von rd. 1,5 km um das Abbaugebiet eine Bestandserfassung
durchführen soll.
KTA
Linderkamp fasst zusammen, dass mit
dem steigenden Angebot an Wasserflächen auch die Anzahl der Vögel steige. Die
Veränderung zeige sich in der Quantität und auch im Verhalten der Tiere.
Auch
wenn man sich aktuell entsprechend der Rechtslage verhalte und eine Entschädigungsregelung
existiere, so sei dies nicht ausreichend. Man müsse weiter an der Problematik
arbeiten, um eine Balance zwischen den Populationsverhältnissen und den
Entschädigungen zu finden.
Das
Mitglied mit beratender Stimme Rösler weist auf eine beabsichtigte, in
Zusammenarbeit des Naturschutzbundes Deutschland e.V., Kreisverband Nienburg, mit
der NLWKN ehrenamtliche Gänsezählung im Landkreis Nienburg hin. Die Zählung
werde in der Mauserzeit erfolgen, um auch den Brutbestand und Bruterfolg
erfassen zu können.
Er
betont, dass das Ursache-Wirkung-Prinzip nicht außer Acht gelassen werden dürfe.
Die landwirtschaftlichen Flächen würden ja schließlich freiwillig an die
Kiesabbauunternehmen verkauft.
Das
Mitglied mit beratender Stimme Göckeritz erklärt, dass der
Pachtflächenanteil im Kreis Nienburg bei rd. 75% liegt. D.h. die Mehrzahl aller
landwirtschaftlichen Flächen ist angepachtet. Die Freigabe für den Kiesabbau
erfolgt durch den Eigentümer und nicht den Pächter.
Die
Populationszunahme der Gänse erstrecke sich auf ganz Niedersachsen. Weshalb es
von der norddeutschen Landwirtschaftskammer in Ostfriesland eine Ermittlung der
konkreten Fraßschäden gab. Die ermittelten Kosten wurden den Unteren
Naturschutzbehörden (UNB) in Rechnung gestellt, woraufhin diese Rechtsmittel einlegten,
aber im darauf folgenden Klageverfahren der LWK Ostfriesland unterlagen.
Damit
beschränke sich die Frage der Regulierung der Fraßschäden nicht mehr nur allein
auf die Bewirtschafter, sondern fordere auch die Naturschutzverwaltungen.
Ergänzend
führt er aus, dass der Kompensationspool bei Anlegung wie ein Fonds konzipiert
wurde. D.h., dass das aus dem Anlagekapital erwirtschaftete Zinsguthaben der
Schadenregulierung zugeführt werden sollte. Bei dem aktuellen Zinsniveau bringe
auch die Kapitalaufstockung auf 20.000 € aber nicht den erforderlichen Erfolg.
Landschaftsarchitekt
Gänsslen lässt sich auf Nachfrage
bestätigen, dass es sich bei der urteilsbedingten Erstattungsverpflichtung auf
die UNB im Zuständigkeitsbereich der LWK in einem Teil von Ostfriesland beschränke.
Der
Vorsitzende stellv. Landrat Dr. Schmädeke ruft sodann zur Abstimmung
auf.
Beratungsergebnis:
Mit
Stimmenmehrheit: 9 Ja-Stimmen 1
Nein-Stimme 0 Enthaltungen