Beschluss: Das Gremium nimmt Kenntnis.

Beschlussvorschlag:

 

Der Ausschuss für Landschaftspflege, Natur und Umwelt nimmt Kenntnis.

 


Beratungsgang:

 

Dipl.-Ingenieurin Spehlbrink erläutert den Vergleichsvertrag, der am 29.04.2014 zwischen der IVG Immobilien AG und dem Land Niedersachsen geschlossen wurde. Inhaltlich regelt der Vertrag die Untersuchung und Sanierung ausgewählter Rüstungsaltlasten mit einem Auszahlungsvolumen von 30 Mio. € über 15 Jahre. Dabei sind anteilig 20 Mio. € für die Eigentumsstandorte (Rüstungsaltlast (RA) Liebenau, RA Dörverden und Werk Tanne) und 10 Mio. € für Standorte im Eigentum Dritter (u.a. die RA Leese) vorgesehen.

 

Am 01.02.2018 erfolgte der Verkauf der IVG–Eigentumsflächen in Niedersachsen und des Rüstungswerks Krümmel (SH) an GmbHs der Halali Verwaltungsgesellschaft Halali & Co. GmbH. Der Eigentumsübergang mit Unterzeichnung einer Folgevereinbarung erfolgt voraussichtlich Ende 2018.

 

Aus dem Anteil für die RA Liebenau wurde bereits eine „Ergänzende Historische Erkundung“ durch die Fa. Envilytix, Wiesbaden durchgeführt. Neben Aktenrecherchen in nationalen und internationalen Archiven wurden Luftbilder ausgewertet, Zeitzeugen befragt und eine Laserscan–Befliegung mittels Airborne Laser Scanning (MILAN) vorgenommen, womit sich ein digitales Höhenmodell (DHM) erstellen ließ.

 

In der Zeit von 1939 bis 1998 gab es einige, nennenswerte Standortnutzer auf der RA Liebenau. Bekannte größere Unternehmen waren u.a. die Eibia GmbH, die British Army, die Bundeswehr, die Eifel/Liebenau Chemie, die Verwertchemie, die Liebenau Metall, die US Army und die Eurometaal NV. Zuletzt bis 1998 tätig war die Landessammelstelle mit der Lagerung schwach radioaktiver Stoffe.

 

Exemplarisch stellt sie einige Flächen aus dem Übersichtsplan mit Kontaminationsverdachtsflächen als Laserscan-Aufnahme aktuellen Lichtbildaufnahmen gegenüber. U.a. werden die Müllkippe Bergweg und der Spreng-/ und Brandplatz Müllkippe Hirschgrund gezeigt.

 

Ein Luftbild aus dem Jahr 1952 zeigt das Sprengloch als ehemalige Baugrube für eine geplante unterirdische Produktionsanlage.

Mit der Kampfmittelvernichtung durch die Briten sind erhebliche Grundwasserbelastungen durch LHKW (leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe), StV (sprengstofftypische Verbindungen) und Schwermetalle nachgewiesen worden. Säuberungsarbeiten der Fa. Berkenhoff am Sprengloch fanden in der Zeit von 1954 bis 1955 im Auftrag der Briten statt. Dort erfolgte eine Aussonderung von Kampfmitteln über Rüttelsiebe innerhalb des Sprengtrichters bis zu einer Tiefe von 9 m und an den Seitenwänden bis zu 17 m Tiefe. Beträchtliche Mengen Munition wurden bei den Säuberungsarbeiten aus dem Grabensystem geborgen.

 

Die Fa. Eurometaal NV nutzte das Sprengloch zum Ausbrennen von z.B. ausgelegten Panzerfaustköpfen, wie ein Bild aus dem Jahr 1983 belegt.

 

Selbst heute noch sind einzelne Kampfmittel am Sprengloch zu finden, wie eine aktuelle Aufnahme zeigt.

 

Eine bildlich dargestellte Karte als Übersichtsplan mit den Kontaminationsverdachtsflächen ist als Anlage zum Protokoll über das Ratsinformationssystem „SessionNet“ beschränkt einsehbar.

 

Die Wärmeversorgung auf dem Betriebsgelände erfolgte seinerzeit über Dampfleitungen. Im Laufe der Zeit hat sich das Dämmmaterial (künstliche Mineralfasern - KMF), mit dem die Leitungen ummantelt waren, teilweise zersetzt und abgelagert. Im Rahmen des Arbeitsschutzes wurde eine Untersuchung der Faserproben unternommen. Diese sind im Ergebnis asbestfrei, aber lungengängig.

Eine Kartierung aller zugänglichen Bereiche ergab KMF in 174 Gebäuden, 190 m³ Ablagerungen, 5,8 km Leitungen in und an den Gebäuden, 2,3 km Leitungen im Gelände. Die Entsorgung der Fasern ist bis Ende 2018 beabsichtigt.

 

In einer Orientierenden Untersuchung, die für 2019/2020 geplant ist, sollen u.a. Oberflächenmischproben des Bodens, Baggerschürfe, Sedimentproben und Bodenluftuntersuchungen durchgeführt werden. Es sollen weitere Grundwassermessstellen eingerichtet, das Grundwasser beprobt und analysiert werden. Der Kampfmittelräumdienst wird alle Bohransatzpunkte vorab freimessen und in ausgewählten Bereichen Testfeldsondierungen durchführen. Zur Erkundung des Abwassernetzes sind Kamera-Befahrungen geplant.

 

Baudirektor Wehr betont, dass es auch nach dem Eigentümerwechsel weiteren Sanierungsbedarf geben wird. Auch wenn insgesamt das Vertragsvolumen mit anteiligen 20 Mio. € als sehr viel Geld erscheint, werden allein durch das Werk Tanne große Anteile davon aufgebraucht werden. Über die Folgevereinbarung des alten und neuen Eigentümers mit dem Land Niedersachsen werde man die nötigen Mittel zur Klärung des Umfangs des Sanierungsbedarfs sichern.

Die eigentliche Sanierung unterliegt dann der gesetzlichen Verantwortung im Rahmen der Eigentümerhaftung bzw. des „Handlungsstörers“. Neben dem Wechsel der  Verantwortlichkeiten beim neuen Eigentümer bliebe die Zuständigkeit der Bodenschutzbehörde des Landkreises aber bestehen.

 

Das Mitglied mit beratender Stimme Gerner fragt, ob hinsichtlich der bestehenden Vegetation und sich trotz der Belastungen gut entwickelten und erhaltenswerten Natur auf dem Gelände bei den Nutzungskonzepten die Naturverträglichkeit ausreichend berücksichtigt wurden und ob eine Kartierung des Naturhaushalts erfolgte.

 

Auf Hinweis von Landschaftsarchitekt Gänsslen, dass ihm eine entsprechende Kartierung nicht bekannt sei, aber geplante Projekte ggf. der Bauleitplanung unterliegen und damit im Rahmen der Bewertung der Lebensraumtypen eine artenschutzrechtliche Erfassung erforderlich werde, ergänzt Baudirektor Wehr, dass angesichts keiner konkreten Planungen die Priorität auf die Rüstungsaltlast-Verdachtsbereiche gelegt werde. Es sei wichtig sicherzustellen, dass eine ungehinderte Folgenutzung nur in Abstimmung mit dem Landkreis unter Beachtung des möglichen Gefahrenpotentials erfolgen kann.

 

Auf Nachfrage von KTA Höltke, ob es sich bei den geplanten Übungsflügen der Bundeswehr auf dem Gelände nur um ein Gerücht handele, erklärt Dipl.-Ingenieurin Spehlbrink, dass das Internationale Hubschrauberausbildungszentrum Bückeburg einen Antrag an den Landkreis gestellt habe, auf dem Gelände Starts und Landungen im Rahmen der Hubschrauberführergrundausbildung durchführen zu dürfen.

Die Untere Bodenschutzbehörde werde in dem Verfahren noch beteiligt werden und dann im Rahmen des Beteiligungsverfahrens eine entsprechende Stellungnahme hierzu abgeben.

 

KTA Podehl fragt nach der haftungsrechtlichen Situation für das Bodenlastaufkommen, wenn kein „Störer“ bekannt sei bzw. nicht ermittelt werden könnte.

Weiterhin fragt er, inwieweit Zeitzeugenbefragungen durchgeführt wurden und weist auf den Abwasserkanal als mögliche positive Fundstelle hin.

 

Kreisrat Hoffmann erläutert hinsichtlich der haftungsrechtlichen Fragestellung, dass es sich bei dem Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) um ein relativ neues Gesetz handele, aus dem sich umfangreiche haftungsrechtliche Möglichkeiten ableiten ließen.

Deutlich kritischer sehe er das Problem, mit zunehmender Zeit nicht mehr an die bekannten Unternehmen heranzukommen, weil diese nicht mehr existent sind oder zum wiederholten Mal an eine Nachfolgerin verkauft wurden und so aus dem Haftungsrecht herausgelöst wurden.

Auch, wenn der „Störer“ nicht (mehr) existent wäre, sei durch den bestehenden Vergleichsvertrag nichts verloren, da dieser während der Vertragslaufzeit den neuen Eigentümer verpflichte.

Hinsichtlich der Kapitalkraft des Eigentümers könne allerdings keine pauschale Antwort gegeben werden. Auch über den Grundstückswert sei ein Restrisiko nicht komplett auszuschließen.

 

Dipl.-Ingenieurin Spehlbrink erklärt abschließend, dass hinsichtlich der Zeitzeugenbefragung unterschiedliche Firmen befragt und historische Bilder ausgewertet wurden. Darüber hinaus sei man aber auch für jeden Hinweis dankbar.

 

Das Mitglied mit beratender Stimme Brauer verlässt um 17.40 Uhr die Sitzung.

 


Beratungsergebnis:

 

Ohne.