Sitzung: 05.09.2018 Ausschuss für Landschaftspflege, Natur und Umwelt
Beschluss: Das Gremium nimmt Kenntnis.
Vorlage: 2018/179
Beschlussvorschlag:
Der
Ausschuss für Landschaftspflege, Natur und Umwelt nimmt Kenntnis.
Beratungsgang:
Dipl.-Ingenieurin
Spehlbrink erläutert den Vergleichsvertrag,
der am 29.04.2014 zwischen der IVG Immobilien AG und dem Land Niedersachsen geschlossen
wurde. Inhaltlich regelt der Vertrag die Untersuchung und Sanierung ausgewählter
Rüstungsaltlasten mit einem Auszahlungsvolumen von 30 Mio. € über 15 Jahre.
Dabei sind anteilig 20 Mio. € für die Eigentumsstandorte (Rüstungsaltlast (RA)
Liebenau, RA Dörverden und Werk Tanne) und 10 Mio. € für Standorte im Eigentum
Dritter (u.a. die RA Leese) vorgesehen.
Am
01.02.2018 erfolgte der Verkauf der IVG–Eigentumsflächen in Niedersachsen und
des Rüstungswerks Krümmel (SH) an GmbHs der Halali Verwaltungsgesellschaft Halali
& Co. GmbH. Der Eigentumsübergang mit Unterzeichnung einer Folgevereinbarung
erfolgt voraussichtlich Ende 2018.
Aus
dem Anteil für die RA Liebenau wurde bereits eine „Ergänzende Historische Erkundung“
durch die Fa. Envilytix, Wiesbaden durchgeführt. Neben Aktenrecherchen in
nationalen und internationalen Archiven wurden Luftbilder ausgewertet, Zeitzeugen
befragt und eine Laserscan–Befliegung mittels
Airborne Laser Scanning (MILAN) vorgenommen, womit sich ein digitales
Höhenmodell (DHM) erstellen ließ.
In
der Zeit von 1939 bis 1998 gab es einige, nennenswerte Standortnutzer auf der RA
Liebenau. Bekannte größere Unternehmen waren u.a. die Eibia GmbH, die British
Army, die Bundeswehr, die Eifel/Liebenau Chemie, die Verwertchemie, die Liebenau
Metall, die US Army und die Eurometaal NV. Zuletzt bis 1998 tätig war die
Landessammelstelle mit der Lagerung schwach radioaktiver Stoffe.
Exemplarisch
stellt sie einige Flächen aus dem Übersichtsplan mit Kontaminationsverdachtsflächen
als Laserscan-Aufnahme aktuellen Lichtbildaufnahmen gegenüber. U.a. werden die
Müllkippe Bergweg und der Spreng-/ und Brandplatz Müllkippe Hirschgrund
gezeigt.
Ein
Luftbild aus dem Jahr 1952 zeigt das Sprengloch als ehemalige Baugrube für eine
geplante unterirdische Produktionsanlage.
Mit
der Kampfmittelvernichtung durch die Briten sind erhebliche Grundwasserbelastungen
durch LHKW (leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe), StV (sprengstofftypische
Verbindungen) und Schwermetalle nachgewiesen worden. Säuberungsarbeiten der Fa.
Berkenhoff am Sprengloch fanden in der Zeit von 1954 bis 1955 im Auftrag der
Briten statt. Dort erfolgte eine Aussonderung von Kampfmitteln über Rüttelsiebe
innerhalb des Sprengtrichters bis zu einer Tiefe von 9 m und an den Seitenwänden
bis zu 17 m Tiefe. Beträchtliche Mengen Munition wurden bei den Säuberungsarbeiten
aus dem Grabensystem geborgen.
Die
Fa. Eurometaal NV nutzte das Sprengloch zum Ausbrennen von z.B. ausgelegten Panzerfaustköpfen,
wie ein Bild aus dem Jahr 1983 belegt.
Selbst
heute noch sind einzelne Kampfmittel am Sprengloch zu finden, wie eine aktuelle
Aufnahme zeigt.
Eine
bildlich dargestellte Karte als Übersichtsplan mit den Kontaminationsverdachtsflächen
ist als Anlage zum Protokoll über das Ratsinformationssystem „SessionNet“
beschränkt einsehbar.
Die
Wärmeversorgung auf dem Betriebsgelände erfolgte seinerzeit über Dampfleitungen.
Im Laufe der Zeit hat sich das Dämmmaterial (künstliche Mineralfasern - KMF),
mit dem die Leitungen ummantelt waren, teilweise zersetzt und abgelagert. Im
Rahmen des Arbeitsschutzes wurde eine Untersuchung der Faserproben unternommen.
Diese sind im Ergebnis asbestfrei, aber lungengängig.
Eine
Kartierung aller zugänglichen Bereiche ergab KMF in 174 Gebäuden, 190 m³
Ablagerungen, 5,8 km Leitungen in und an den Gebäuden, 2,3 km Leitungen im Gelände.
Die Entsorgung der Fasern ist bis Ende 2018 beabsichtigt.
In
einer Orientierenden Untersuchung, die für 2019/2020 geplant ist, sollen u.a.
Oberflächenmischproben des Bodens, Baggerschürfe, Sedimentproben und Bodenluftuntersuchungen
durchgeführt werden. Es sollen weitere Grundwassermessstellen eingerichtet, das
Grundwasser beprobt und analysiert werden. Der Kampfmittelräumdienst wird alle
Bohransatzpunkte vorab freimessen und in ausgewählten Bereichen
Testfeldsondierungen durchführen. Zur Erkundung des Abwassernetzes sind
Kamera-Befahrungen geplant.
Baudirektor
Wehr betont, dass es auch nach dem
Eigentümerwechsel weiteren Sanierungsbedarf geben wird. Auch wenn insgesamt das
Vertragsvolumen mit anteiligen 20 Mio. € als sehr viel Geld erscheint, werden
allein durch das Werk Tanne große Anteile davon aufgebraucht werden. Über die
Folgevereinbarung des alten und neuen Eigentümers mit dem Land Niedersachsen
werde man die nötigen Mittel zur Klärung des Umfangs des Sanierungsbedarfs
sichern.
Die
eigentliche Sanierung unterliegt dann der gesetzlichen Verantwortung im Rahmen
der Eigentümerhaftung bzw. des „Handlungsstörers“. Neben dem Wechsel der Verantwortlichkeiten beim neuen Eigentümer bliebe
die Zuständigkeit der Bodenschutzbehörde des Landkreises aber bestehen.
Das
Mitglied mit beratender Stimme Gerner fragt, ob hinsichtlich der
bestehenden Vegetation und sich trotz der Belastungen gut entwickelten und
erhaltenswerten Natur auf dem Gelände bei den Nutzungskonzepten die
Naturverträglichkeit ausreichend berücksichtigt wurden und ob eine Kartierung
des Naturhaushalts erfolgte.
Auf
Hinweis von Landschaftsarchitekt Gänsslen, dass ihm eine entsprechende
Kartierung nicht bekannt sei, aber geplante Projekte ggf. der Bauleitplanung
unterliegen und damit im Rahmen der Bewertung der Lebensraumtypen eine
artenschutzrechtliche Erfassung erforderlich werde, ergänzt Baudirektor Wehr,
dass angesichts keiner konkreten Planungen die Priorität auf die
Rüstungsaltlast-Verdachtsbereiche gelegt werde. Es sei wichtig sicherzustellen,
dass eine ungehinderte Folgenutzung nur in Abstimmung mit dem Landkreis unter
Beachtung des möglichen Gefahrenpotentials erfolgen kann.
Auf
Nachfrage von KTA Höltke, ob es sich bei den geplanten Übungsflügen der
Bundeswehr auf dem Gelände nur um ein Gerücht handele, erklärt Dipl.-Ingenieurin
Spehlbrink, dass das Internationale Hubschrauberausbildungszentrum
Bückeburg einen Antrag an den Landkreis gestellt habe, auf dem Gelände Starts
und Landungen im Rahmen der Hubschrauberführergrundausbildung durchführen zu
dürfen.
Die
Untere Bodenschutzbehörde werde in dem Verfahren noch beteiligt werden und dann
im Rahmen des Beteiligungsverfahrens eine entsprechende Stellungnahme hierzu abgeben.
KTA
Podehl fragt nach der
haftungsrechtlichen Situation für das Bodenlastaufkommen, wenn kein „Störer“
bekannt sei bzw. nicht ermittelt werden könnte.
Weiterhin
fragt er, inwieweit Zeitzeugenbefragungen durchgeführt wurden und weist auf den
Abwasserkanal als mögliche positive Fundstelle hin.
Kreisrat
Hoffmann erläutert hinsichtlich der
haftungsrechtlichen Fragestellung, dass es sich bei dem Bundesbodenschutzgesetz
(BBodSchG) um ein relativ neues Gesetz handele, aus dem sich umfangreiche haftungsrechtliche
Möglichkeiten ableiten ließen.
Deutlich
kritischer sehe er das Problem, mit zunehmender Zeit nicht mehr an die bekannten
Unternehmen heranzukommen, weil diese nicht mehr existent sind oder zum
wiederholten Mal an eine Nachfolgerin verkauft wurden und so aus dem Haftungsrecht
herausgelöst wurden.
Auch,
wenn der „Störer“ nicht (mehr) existent wäre, sei durch den bestehenden Vergleichsvertrag
nichts verloren, da dieser während der Vertragslaufzeit den neuen Eigentümer
verpflichte.
Hinsichtlich
der Kapitalkraft des Eigentümers könne allerdings keine pauschale Antwort
gegeben werden. Auch über den Grundstückswert sei ein Restrisiko nicht komplett
auszuschließen.
Dipl.-Ingenieurin
Spehlbrink erklärt abschließend, dass
hinsichtlich der Zeitzeugenbefragung unterschiedliche Firmen befragt und
historische Bilder ausgewertet wurden. Darüber hinaus sei man aber auch für
jeden Hinweis dankbar.
Das
Mitglied mit beratender Stimme Brauer verlässt um 17.40 Uhr die Sitzung.
Beratungsergebnis:
Ohne.