Sitzung: 29.11.2018 Ausschuss für Landschaftspflege, Natur und Umwelt
Beschluss: Das Gremium beschließt ungeändert.
Abstimmung: Ja: 8, Nein: 2, Enthaltungen: 0, Befangen: 0
Vorlage: 2018/268
Beschluss:
Dem Antrag der FDP-Fraktion wird nicht zugestimmt.
Beratungsgang:
Landschaftsarchitekt
Gänsslen stellt zunächst den Inhalt
des Antrages der FDP-Kreistagsfraktion zur Bekämpfung von Jakobskreuzkraut
(JKK) im Landkreis Nienburg und Bereitstellung von 3.000,- € im Haushalt 2019
für entstehende Entsorgungskosten vor. Inhaltlich wird auf den der Einladung
beigefügten Antrag verwiesen.
Weiterhin
stellt er die Empfehlung der Verwaltung dar und gibt Erläuterungen zum
Hintergrund.
Hinsichtlich
der Ökologie und Ausbreitung des JKK erläutert er, dass dieses Bestandteil der
„normalen“ heimischen Pflanzenwelt (und
Nahrungspflanze der Schmetterlingsart „Blutbär“) ist. Seit etwa 10 Jahren ist
eine starke Ausbreitung im Landkreis Nienburg, landesweit und auch in anderen
Bundesländern feststellbar. JKK besiedelt offene Bodenstellen in schütteren
Grünland-Grasnarben (extensiv oder überbeweidet), auch lückige Stellen in
Wegeseitenräumen, Feldrainen, Brachen sowie ganze offene Erdmieten. Neben der
Windverbreitung der flugfähigen Samen werden diese z.B. auch im Reifenprofil
entlang von Verkehrswegen weitergetragen, so dass eine schnelle Einwanderung in
Wegeseitenräume und Grünländer stattfindet.
Eine
kreisweite Eindämmung ist nicht möglich, da die Art überall etabliert ist und
die Ausbreitungswege nicht unterbrochen werden können. Da es sich nicht um eine
gebietsfremde Art im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) handelt,
ist keine Zuständigkeit bei den Unteren Naturschutzbehörden (UNB) gegeben.
Die
Besiedlung von Wegeseitenräumen durch das JKK ist aus landwirtschaftlicher
Sicht zweifellos unerwünscht. Die Wegeseitenräume übernehmen aber auch unverzichtbare
Funktionen im Biotopverbund als Lebensstätte vieler heimischer Tier- und
Pflanzenarten. Wegeseitenräume und Randstreifen in der Feldflur stehen zudem im Fokus des Niedersächsischen Ministeriums
für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz (MU). Minister Lies hat im Sommer
2018 mit einem Schreiben an alle niedersächsischen Landkreise, Städte und
Gemeinden die Förderung von Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Insekten
angekündigt, um deren dramatischen Rückgang zu stoppen. Initiativen zur
Entwicklung vielfältiger Wegraine werden mit der Kampagne „Kein Sommer ohne
Summen! Flower Power für Wildbiene, Hummel und Co.“ unterstützt.
Aufgabe
eines jeden Bewirtschafters sei die sofortige händische Beseitigung von
Einzelpflanzen. Hierüber biete sich eine gute Möglichkeit, JKK an der
Besiedlung einer konkreten Grünlandfläche zu hindern. Die Entsorgung als
Restmüll oder als Bioabfall mit nachfolgender professioneller hochgradiger
Kompostierung gewährleistet eine vollständige Abtötung der Samen. Entscheidend
sind der Schnitt vor der Blüte und ein regelmäßiger Wechsel zwischen Mahd und
Weide.
Der
Landkreis als Verpächter von Grünlandflächen erwartet die Weidepflege und damit
die Beseitigung von unerwünschten Arten wie Disteln, Ampfer, Schachtelhalm oder
JKK von jedem Pächter und weist in den neueren Verträgen auch ausdrücklich auf
eine angepasste Bewirtschaftung hin. Empfehlungen zur Bekämpfung des JKK im
Grünland im Rahmen der ordnungsgemäßen Landwirtschaft stellt die Landwirtschaftskammer
Niedersachsen online bereit.
Eine
Eindämmung in größeren Flächenzusammenhängen, wie z.B. Teile des Landkreises,
ist, aufgrund der kreisweiten Verbreitung und hohen Reproduktionsfähigkeit
(Windverbreitung, zahlreiche langlebige Samen im Boden) nicht möglich.
Gegen
eine ehrenamtliche Unterstützung von Grünlandbewirtschaftern bei gezielter händischer
Beseitigung von JKK aus betroffenen Wiesen und Weiden sowie stärker besiedelten
angrenzenden Wegeseitenräumen bestehen aus naturschutzfachlicher Sicht keine
Bedenken. Eine Verantwortung oder Zuständigkeit der Verwaltung ist jedoch nicht
gegeben.
Freiwillige
Übernahmen von Entsorgungskosten für JKK, wie auch für andere Acker- und
Grünlandwildkräuter durch die Kreisverwaltung sind nicht zielführend, weil eine
erfolgversprechende Eindämmungsmöglichkeit über die genutzten Grünlandflächen
(Verantwortung der Bewirtschafter) hinaus nicht erkennbar ist.
JKK
ist im Landkreis Nienburg grundsätzlich an allen Streckenabschnitten mit zusammen
620 km beidseitiger Kreisstraßen-Fahrbahnlänge vorhanden. Eine selektive
Beseitigung einer einzelnen Pflanzenart im Wegeseitenraum ist technisch nicht
möglich und kostenmäßig nicht darstellbar. Vollflächige (im Jahresverlauf
mehrmals wiederholte) Mahd zur Verhinderung des Aussamens des JKK würde andere
Kräuter gleichermaßen beseitigen.
Die
Kostenschätzung für eine zusätzliche (nur einmalige) Mahd der Kreisstraßenränder
ergab einen Betrag von rd. 153.000 €. Eine tatsächliche Eindämmung würde aber darüber
hinaus noch weitere Mahd-Termine erfordern. Dies würde die Funktionen der
Wegeseitenräume im Biotopverbund zerstören und die, nicht nur zu erhaltende,
sondern dringend zu steigernde, Bedeutung für die Insektenpopulationen erheblich
beeinträchtigen. Das ist mit dem Artenschutzrecht nicht vereinbar, weshalb die
Verwaltung insgesamt empfiehlt, den Antrag abzulehnen.
Auf
Nachfrage von KTA Ó Toráin, ob, um den Restmüll zu entlasten, JKK auch
in Biogasanlagen oder durch Kompostierung verwertbar sei, antwortet Landschaftsarchitekt
Gänsslen, dass beispielsweise die RWG in Leese eine geeignete, mit hohen
Temperaturen gefahrene, Kompostierungsanlage betreibt. Ungelöst sei jedoch der
Prozess des Transports des JKK von den öffentlichen Sammelplätzen nach Leese,
da hierdurch arbeitsschutzrechtliche Belange einzuhalten sind.
KTA
Hille stellt klar, dass aus Sicht der
Antragstellerin eine moderate Herangehensweise an das ehrenamtliche händische
Entfernen von JKK zum Schutz von Honigbienen, Pferden usw. angedacht war. Die
finanzielle Unterstützung sei dazu gedacht, den ehrenamtlich Tätigen die
Entsorgungskosten abzunehmen.
KTA
Dralle verlässt um 16.25 Uhr die Sitzung.
Nachdem
Landschaftsarchitekt Gänsslen die im Antrag deutlich formulierte Forderung
an die Verwaltung, Maßnahmen zur Regelung umzusetzen, wiedergibt, unterstützt
das Mitglied mit beratender Stimme Göckeritz den Antrag.
Er
erklärt, dass JKK für Menschen und Tiere gefährlich sei, da dessen Giftstoffe
sich im Körper ansammeln und nicht mehr abbauen, was letztendlich zum Tod
führen könne. Stichproben des LAVES an Bienenhonig haben den Nachweis von
entsprechenden Giftstoffen erbracht, so dass ein Verkauf dieser Produkte
daraufhin untersagt worden sei. Insbesondere im gemähten und geheuten Zustand
sei das JKK für die Tiere nicht mehr zu unterscheiden und werde mit dem Futter
aufgenommen.
Auch
für den Kreistag sei es daher von Interesse, einer weiteren Verbreitung des JKK
entgegenzuwirken. Das bürgerschaftliche Engagement soll durch eine kostenlose
Abgabemöglichkeit des JKK im Sinne einer positiven Geste gefördert werden.
KTA
Dr. Bauer erinnert daran, dass
Pferdebesitzer generell über die Wirkung des JKK informiert seien. Wie ihm die
Tierärztliche Hochschule Hannover bestätigte, besäße JKK bei den verstorbenen
Pferden keine Bedeutung. Auf Pferdekoppeln sei immer wieder zu beobachten,
dass, bis auf einzelne verschmähte gelb-blühende Pflanzen (vermutlich JKK),
alles andere abgegrast werde. Insofern seien auch die Pferde sensibel für nicht
genießbare Pflanzen. Imker seien im Übrigen, wie andere Lebensmittelhersteller auch,
an die Einhaltung der gegeben Grenzwerte gebunden. Insgesamt sehe er den Antrag
als nicht zielführend an, da inzwischen rd. 75% der kreisweiten Flächen mit JKK
kontaminiert seien.
KTA
Ó Toráin berichtet davon, dass ein
ihm bekannter Pferdezüchter mit rd. 60 Pferden im Bestand aus Eigeninteresse stets
bemüht sei, rechtzeitig das JKK auszuziehen. (Jung-)Tiere, die ganzjährig in
einem Stall untergebracht seien und die Bitterstoffe des JKK daher noch nicht
kennen, könnten gegebenenfalls bei Erstkontakt im Freien oder im Futter
enthaltenes JKK aufnehmen. Durch die Mahd und Trocknung zu Heu verflüchtigten
sich die Bitterstoffe, so dass die in der Pflanze enthaltenen Giftstoffe nicht
erkannt würden und, über das Futter aufgenommen, sich in den Organen ansammeln
können. JKK biete für Bienen hingegen nur einen mageren Nektargehalt, so dass
sich diese eher alternativ zu anderen Blüten orientierten. JKK bevorzuge mageren
Böden, weshalb Düngen hilfreich bei der Vermeidung sei.
KTA
Höltke fasst zusammen, dass innerhalb
des Gremiums unterschiedliche Aussagen zu Risiken für Pferde und Bienen
getätigt wurden. Zur Beurteilung sei weiteres Fachwissen erforderlich. Um über
die beantragte Fördersumme von 3.000,- € beschließen zu können, fehlte es hier
noch an einem gründlichen Konzept.
Nachdem
der Vorsitzende stellv. Landrat Dr. Schmädeke für die
CDU-Kreistags-fraktion den Antrag ablehnt und erklärt, dass wegen der
Windübertragung des JKK-Samen ein ganzheitlicher Ansatz für extensive
Grünlandflächen, wie auch für Straßenseitenräume, gefunden werden müsse, rät er
dazu, das JKK nicht in die Blüte kommen zu lassen.
Auf
seinen Hinweis hin, dass ein Betrag von 3.000,- € angesichts der großen Verbreitung
des JKK nicht zielführend sei, betont KTA Hille, beabsichtigt
niedrigschwellig an den Ausschuss herangetreten zu sein. Lediglich die
Entsorgungskosten ehrenamtlicher Einsätze sollten hierüber abgedeckt
werden.
KTA
Kuhlmann fasst zusammen, dass man
sich über die Problematik des JKK bewusst geworden sei, es aber an einem
umsetzbaren Konzept mangele. Gegebenenfalls könne auch die anwesende
Pressevertretung über ihre Berichterstattung der Öffentlichkeit die Problematik
näherbringen.
Das
Mitglied mit beratender Stimme Gerner gibt abschließend zu bedenken,
dass ein im praktischen Einsatz unkoordiniertes ehrenamtliches Engagement auf
der Suche nach JKK unter Umständen mehr Schaden für die Natur anrichtet, als
sie Gutes tut.
Beratungsergebnis:
Mit
Stimmenmehrheit: 8 Ja-Stimmen 2
Nein-Stimmen 0 Enthaltungen.