Beschluss: Das Gremium beschließt ungeändert.

Abstimmung: Ja: 8, Nein: 2, Enthaltungen: 0, Befangen: 0

Beschluss:

 

Dem Antrag der FDP-Fraktion wird nicht zugestimmt.

 


Beratungsgang:

 

Landschaftsarchitekt Gänsslen stellt zunächst den Inhalt des Antrages der FDP-Kreistagsfraktion zur Bekämpfung von Jakobskreuzkraut (JKK) im Landkreis Nienburg und Bereitstellung von 3.000,- € im Haushalt 2019 für entstehende Entsorgungskosten vor. Inhaltlich wird auf den der Einladung beigefügten Antrag verwiesen.

 

Weiterhin stellt er die Empfehlung der Verwaltung dar und gibt Erläuterungen zum Hintergrund.

Hinsichtlich der Ökologie und Ausbreitung des JKK erläutert er, dass dieses Bestandteil der „normalen“ heimischen Pflanzenwelt  (und Nahrungspflanze der Schmetterlingsart „Blutbär“) ist. Seit etwa 10 Jahren ist eine starke Ausbreitung im Landkreis Nienburg, landesweit und auch in anderen Bundesländern feststellbar. JKK besiedelt offene Bodenstellen in schütteren Grünland-Grasnarben (extensiv oder überbeweidet), auch lückige Stellen in Wegeseitenräumen, Feldrainen, Brachen sowie ganze offene Erdmieten. Neben der Windverbreitung der flugfähigen Samen werden diese z.B. auch im Reifenprofil entlang von Verkehrswegen weitergetragen, so dass eine schnelle Einwanderung in Wegeseitenräume und Grünländer stattfindet.

Eine kreisweite Eindämmung ist nicht möglich, da die Art überall etabliert ist und die Ausbreitungswege nicht unterbrochen werden können. Da es sich nicht um eine gebietsfremde Art im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) handelt, ist keine Zuständigkeit bei den Unteren Naturschutzbehörden (UNB) gegeben.

 

Die Besiedlung von Wegeseitenräumen durch das JKK ist aus landwirtschaftlicher Sicht zweifellos unerwünscht. Die Wegeseitenräume übernehmen aber auch unverzichtbare Funktionen im Biotopverbund als Lebensstätte vieler heimischer Tier- und Pflanzenarten. Wegeseitenräume und Randstreifen in der Feldflur stehen zudem  im Fokus des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz (MU). Minister Lies hat im Sommer 2018 mit einem Schreiben an alle niedersächsischen Landkreise, Städte und Gemeinden die Förderung von Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Insekten angekündigt, um deren dramatischen Rückgang zu stoppen. Initiativen zur Entwicklung vielfältiger Wegraine werden mit der Kampagne „Kein Sommer ohne Summen! Flower Power für Wildbiene, Hummel und Co.“ unterstützt.

 

Aufgabe eines jeden Bewirtschafters sei die sofortige händische Beseitigung von Einzelpflanzen. Hierüber biete sich eine gute Möglichkeit, JKK an der Besiedlung einer konkreten Grünlandfläche zu hindern. Die Entsorgung als Restmüll oder als Bioabfall mit nachfolgender professioneller hochgradiger Kompostierung gewährleistet eine vollständige Abtötung der Samen. Entscheidend sind der Schnitt vor der Blüte und ein regelmäßiger Wechsel zwischen Mahd und Weide.

Der Landkreis als Verpächter von Grünlandflächen erwartet die Weidepflege und damit die Beseitigung von unerwünschten Arten wie Disteln, Ampfer, Schachtelhalm oder JKK von jedem Pächter und weist in den neueren Verträgen auch ausdrücklich auf eine angepasste Bewirtschaftung hin. Empfehlungen zur Bekämpfung des JKK im Grünland im Rahmen der ordnungsgemäßen Landwirtschaft stellt die Landwirtschaftskammer Niedersachsen online bereit.

 

 

Eine Eindämmung in größeren Flächenzusammenhängen, wie z.B. Teile des Landkreises, ist, aufgrund der kreisweiten Verbreitung und hohen Reproduktionsfähigkeit (Windverbreitung, zahlreiche langlebige Samen im Boden) nicht möglich.

 

Gegen eine ehrenamtliche Unterstützung von Grünlandbewirtschaftern bei gezielter händischer Beseitigung von JKK aus betroffenen Wiesen und Weiden sowie stärker besiedelten angrenzenden Wegeseitenräumen bestehen aus naturschutzfachlicher Sicht keine Bedenken. Eine Verantwortung oder Zuständigkeit der Verwaltung ist jedoch nicht gegeben.

Freiwillige Übernahmen von Entsorgungskosten für JKK, wie auch für andere Acker- und Grünlandwildkräuter durch die Kreisverwaltung sind nicht zielführend, weil eine erfolgversprechende Eindämmungsmöglichkeit über die genutzten Grünlandflächen (Verantwortung der Bewirtschafter) hinaus nicht erkennbar ist.

 

JKK ist im Landkreis Nienburg grundsätzlich an allen Streckenabschnitten mit zusammen 620 km beidseitiger Kreisstraßen-Fahrbahnlänge vorhanden. Eine selektive Beseitigung einer einzelnen Pflanzenart im Wegeseitenraum ist technisch nicht möglich und kostenmäßig nicht darstellbar. Vollflächige (im Jahresverlauf mehrmals wiederholte) Mahd zur Verhinderung des Aussamens des JKK würde andere Kräuter gleichermaßen beseitigen.

Die Kostenschätzung für eine zusätzliche (nur einmalige) Mahd der Kreisstraßenränder ergab einen Betrag von rd. 153.000 €. Eine tatsächliche Eindämmung würde aber darüber hinaus noch weitere Mahd-Termine erfordern. Dies würde die Funktionen der Wegeseitenräume im Biotopverbund zerstören und die, nicht nur zu erhaltende, sondern dringend zu steigernde, Bedeutung für die Insektenpopulationen erheblich beeinträchtigen. Das ist mit dem Artenschutzrecht nicht vereinbar, weshalb die Verwaltung insgesamt empfiehlt, den Antrag abzulehnen.

 

Auf Nachfrage von KTA Ó Toráin, ob, um den Restmüll zu entlasten, JKK auch in Biogasanlagen oder durch Kompostierung verwertbar sei, antwortet Landschaftsarchitekt Gänsslen, dass beispielsweise die RWG in Leese eine geeignete, mit hohen Temperaturen gefahrene, Kompostierungsanlage betreibt. Ungelöst sei jedoch der Prozess des Transports des JKK von den öffentlichen Sammelplätzen nach Leese, da hierdurch arbeitsschutzrechtliche Belange einzuhalten sind.

 

KTA Hille stellt klar, dass aus Sicht der Antragstellerin eine moderate Herangehensweise an das ehrenamtliche händische Entfernen von JKK zum Schutz von Honigbienen, Pferden usw. angedacht war. Die finanzielle Unterstützung sei dazu gedacht, den ehrenamtlich Tätigen die Entsorgungskosten abzunehmen.

 

KTA Dralle verlässt um 16.25 Uhr die Sitzung.

 

Nachdem Landschaftsarchitekt Gänsslen die im Antrag deutlich formulierte Forderung an die Verwaltung, Maßnahmen zur Regelung umzusetzen, wiedergibt, unterstützt das Mitglied mit beratender Stimme Göckeritz den Antrag.

 

Er erklärt, dass JKK für Menschen und Tiere gefährlich sei, da dessen Giftstoffe sich im Körper ansammeln und nicht mehr abbauen, was letztendlich zum Tod führen könne. Stichproben des LAVES an Bienenhonig haben den Nachweis von entsprechenden Giftstoffen erbracht, so dass ein Verkauf dieser Produkte daraufhin untersagt worden sei. Insbesondere im gemähten und geheuten Zustand sei das JKK für die Tiere nicht mehr zu unterscheiden und werde mit dem Futter aufgenommen.

Auch für den Kreistag sei es daher von Interesse, einer weiteren Verbreitung des JKK entgegenzuwirken. Das bürgerschaftliche Engagement soll durch eine kostenlose Abgabemöglichkeit des JKK im Sinne einer positiven Geste gefördert werden.

 

KTA Dr. Bauer erinnert daran, dass Pferdebesitzer generell über die Wirkung des JKK informiert seien. Wie ihm die Tierärztliche Hochschule Hannover bestätigte, besäße JKK bei den verstorbenen Pferden keine Bedeutung. Auf Pferdekoppeln sei immer wieder zu beobachten, dass, bis auf einzelne verschmähte gelb-blühende Pflanzen (vermutlich JKK), alles andere abgegrast werde. Insofern seien auch die Pferde sensibel für nicht genießbare Pflanzen. Imker seien im Übrigen, wie andere Lebensmittelhersteller auch, an die Einhaltung der gegeben Grenzwerte gebunden. Insgesamt sehe er den Antrag als nicht zielführend an, da inzwischen rd. 75% der kreisweiten Flächen mit JKK kontaminiert seien.

 

KTA Ó Toráin berichtet davon, dass ein ihm bekannter Pferdezüchter mit rd. 60 Pferden im Bestand aus Eigeninteresse stets bemüht sei, rechtzeitig das JKK auszuziehen. (Jung-)Tiere, die ganzjährig in einem Stall untergebracht seien und die Bitterstoffe des JKK daher noch nicht kennen, könnten gegebenenfalls bei Erstkontakt im Freien oder im Futter enthaltenes JKK aufnehmen. Durch die Mahd und Trocknung zu Heu verflüchtigten sich die Bitterstoffe, so dass die in der Pflanze enthaltenen Giftstoffe nicht erkannt würden und, über das Futter aufgenommen, sich in den Organen ansammeln können. JKK biete für Bienen hingegen nur einen mageren Nektargehalt, so dass sich diese eher alternativ zu anderen Blüten orientierten. JKK bevorzuge mageren Böden, weshalb Düngen hilfreich bei der Vermeidung sei.

 

KTA Höltke fasst zusammen, dass innerhalb des Gremiums unterschiedliche Aussagen zu Risiken für Pferde und Bienen getätigt wurden. Zur Beurteilung sei weiteres Fachwissen erforderlich. Um über die beantragte Fördersumme von 3.000,- € beschließen zu können, fehlte es hier noch an einem gründlichen Konzept.

 

Nachdem der Vorsitzende stellv. Landrat Dr. Schmädeke für die CDU-Kreistags-fraktion den Antrag ablehnt und erklärt, dass wegen der Windübertragung des JKK-Samen ein ganzheitlicher Ansatz für extensive Grünlandflächen, wie auch für Straßenseitenräume, gefunden werden müsse, rät er dazu, das JKK nicht in die Blüte kommen zu lassen.

Auf seinen Hinweis hin, dass ein Betrag von 3.000,- € angesichts der großen Verbreitung des JKK nicht zielführend sei, betont KTA Hille, beabsichtigt niedrigschwellig an den Ausschuss herangetreten zu sein. Lediglich die Entsorgungskosten ehrenamtlicher Einsätze sollten hierüber abgedeckt werden.  

 

KTA Kuhlmann fasst zusammen, dass man sich über die Problematik des JKK bewusst geworden sei, es aber an einem umsetzbaren Konzept mangele. Gegebenenfalls könne auch die anwesende Pressevertretung über ihre Berichterstattung der Öffentlichkeit die Problematik näherbringen.

 

Das Mitglied mit beratender Stimme Gerner gibt abschließend zu bedenken, dass ein im praktischen Einsatz unkoordiniertes ehrenamtliches Engagement auf der Suche nach JKK unter Umständen mehr Schaden für die Natur anrichtet, als sie Gutes tut.

 


Beratungsergebnis:

 

Mit Stimmenmehrheit:         8 Ja-Stimmen           2 Nein-Stimmen       0 Enthaltungen.