Sitzung: 12.05.2021 Ausschuss für Landschaftspflege, Natur und Umwelt
Beschluss: Das Gremium beschließt ungeändert.
Abstimmung: Ja: 9, Nein: 2, Enthaltungen: 0, Befangen: 0
Vorlage: 2021/059
Beschluss:
- stimmt
in vollem Umfang dem Zielwertekonzept und dem Maßnahmenprogramm zur
Reduzierung der Salzbelastung der Werra und Weser aus dem Entwurf des
Bewirtschaftungsplan 2021 -2027 für die Flussgebietseinheit Weser zu und
- erteilt
dem Ausschuss „Weser“ des Bündnisses Hamelner Erklärung e. V. ein neues
Mandat zur Weiterverhandlung von Positionen mit der K+S, zu den Inhalten
des Bewirtschaftungsplans, zum begleitenden Monitoring über die Zusagen
der K+S sowie zur Beobachtung des Verfahrens und der Methoden.
Beratungsgang:
Baudirektor
Wehr erinnert einführend an die
Vertagung dieses TOP im ALNU vom 09.09.2020. Aufgrund des weitergehenden
Verhandlungsbedarfs zwischen dem “Bündnis Hamelner Erklärung e.V.” mit der „K+S
Minerals and Agriculture GmbH“ kam es zu keiner Stellungnahme des Landkreises
Nienburg.
Der
Regierungspräsident (RP) Kassel hat mittlerweile das Erlaubnisverfahren abgeschlossen
und am 23.12.2020 einen Bescheid zur Einleitung von max. 6,7 Mio. m³/a
salzhaltige Abwässer aus der Produktion und von den Halden in die Werra
erteilt.
Die
Grenzwerte am Pegel Gerstungen (Werra) wurden dabei verschärft und mit 2.400
mg/l Chlorid, 195 mg/l Kalium und 334 mg/l Magnesium festgelegt. Der Bescheid
ist bis zum 31.12.2021 befristet.
Auf
Folgeantrag der K+S wird dann erneut anhand der fachlichen Vorgaben sachgerecht
entschieden, wie die Genehmigung zur Abwassereinleitung ab 2022 erteilt wird.
Möglichkeiten
zur Positionierung und Stellungnahme durch den Landkreis Nienburg ergeben sich
nun bis zum 22.06.2021 im Zuge der Auslegung des Entwurfs des Bewirtschaftungsplans
2021-2027 für die Flussgebietseinheit Weser bzgl. spezieller
Bewirtschaftungsziele und Maßnahmenprogramme zu den Salzbelastungen in den
Einzugsgebieten von Werra und Weser.
Im
späteren Verfahren des RP Kassel über die Erlaubnis ab 2022 bestehe dann auch
hierzu die Möglichkeit, eine weitere Stellungnahme abgeben.
Die
eingeleiteten Salzabwassermengen sind in den vergangenen Jahrzehnten dokumentiert
worden. Salzabwasseranfall und Einleitmengen haben sich in der historischen
Entwicklung seit 1970 erkennbar verringert. Ab 2028 ist nur noch die Einleitung
von Haldenabwasser zulässig.
Historische
Entwicklungen der Chlorid-Konzentrationen in der Werra zeigen seit 1968 einen
erheblichen Rückgang um bis zu 90 %. Signifikante Reduzierungsstufen ergaben
sich 1981 mit der Einführung des ESTA-Verfahrens, 1991-1993 durch ein
Salzreduzierungskonzept und die Schließung von zwei thüringischen Werken sowie
der Salzlaststeuerung 1999. Der zulässige Grenzwert für Chlorid mit 2.500 mg/l
(aktuell 2021: 2.400 mg/l) wird am Pegel in Gerstungen (Werra) seit 2000
zuverlässig eingehalten und regelmäßig unterschritten.
Die
Bewertung aller 10 Oberflächenwasserkörper der Weser und Werra aus der Risikoanalyse
bis 2027 zeigt jedoch, dass diese positive Entwicklung nicht ausreicht, um das
Ziel eines „guten ökologischen Zustands/Potentials“ zu erreichen.
So
besitzt der Oberflächenwasserkörper „Mittelweser von NRW bis Aller“ einen unbefriedigenden Zustand hinsichtlich
seines ökologischen Potenzials.
An
der Kontrollmessstelle in Drakenburg wurde für 2019 ein Chlorid-Wert von 423
mg/l ermittelt. Als Richtwert für Salzbelastungen, die das Erreichen des guten
Zustands/Potenzials nicht gefährden, gibt die Flussgebietsgemeinschaft (FGG)
Weser für Chlorid einen Wert von max. 300 mg/l vor. Das entspricht hier einem
Reduzierungsbedarf von 29 % im Vergleich zum Richtwert.
Vergleichbar
kritische Bewertungen ergeben sich für die Salzionen Kalium (Richtwert: 20
mg/l; Minderungsbedarf 50 %) und Magnesium (Richtwert: 30 mg/l; Minderungsbedarf
59 %).
Nach
dem bestehenden Zielwertkonzept der FGG Weser wurden für die Pegel in
Gerstungen (Einlaufstelle in die Werra) und Boffzen (Oberweser, oberhalb von Rinteln)
für die Salzionen Chlorid, Magnesium und Kalium zeitlich gestaffelte Zielwerte
definiert. Die Weserministerkonferenz hat am 20.08.2020 die Festlegungen im
neuen Zielwertekonzept bestätigt.
Damit
erscheint eine Erreichung eines „guten ökologischen Potenzials“ für die Wasserkörper
der Weser bis 2027 möglich. Für den Pegel Drakenburg werden noch deutlich
bessere Werte erwartet, da im weiteren Verlauf bis zur Mittelweser die Größe
des Einzugsgebiets zunimmt.
Als
Grundlage für die weitere Bewirtschaftungsplanung sieht das Maßnahmenprogramm
Salz für die Jahre 2021 bis 2027 mehrere Projekte zur Behandlung und Verringerung
der Salzabwassermengen vor. So wird die Kainit-Kristallisation-Flotation-Anlage
(KKF) bereits seit 2018 betrieben und sorgt seit 2019 für eine Reduzierung von 1,5 Mio. m³/a
Salzabwasser.
Mit der Einstapelung von flüssigen Salzabwässern unter Tage wird in
Phase I ab Ende 2021 begonnen. Mit der Phase II (ab Ende 2027) endet die
Einleitung von Prozessabwässern in die Werra.
Ein zunehmender Beitrag wird zudem mit fortschreitender Haldenabdeckung
erreicht (Regelbetrieb ab Ende 2021). Mit dem Abtransport von Prozess- und/oder
Haldenabwasser und/oder Zwischenspeicherung wird ebenso ab Ende 2021 begonnen
bis zur Erreichung der Zielwerte. Der Verzicht auf den Werra-Bypass wurde 2019
beschlossen.
Begleitende Maßnahmen sind ein ökonomisches und
ökologisches Monitoring sowie ein Controlling der Maßnahmenumsetzung durch die Arbeitsgruppe
Salzreduzierung.
Die
Verwaltung schlage daher vor, sich in vollem Umfang dem Zielwertekonzept und
dem Maßnahmenprogramm zur Reduzierung der Salzbelastung der Werra und Weser aus
dem Entwurf des Bewirtschaftungsplan 2021 - 2027 für die Flussgebietseinheit
Weser anzuschließen und eine Stellungnahme wie vorgeschlagen abzugeben.
Hinsichtlich
der inhaltlichen Darstellung der Stellungnahme wird auf den Entwurf (Anlage 4
zur Drucksache 2021/059) verwiesen.
Das
Mitglied mit beratender Stimme Gerner
macht deutlich, dass zum ökologischen Potenzial der Weser generell noch viel mehr
gehört, als die Salzbelastung.
Der
Salzgehalt allein sei zudem nur ein Faktor der Beeinflussung auf das Wasser.
Auch andere Auswirkungen des Salzabwassers auf z.B. die Staustufen, die Ufer
der Weser mit seinen Faunen und Floren müssten im Gesamtkontext gesehen werden
und in die Stellungnahme mit einfließen. Er fragt außerdem, ob der Landkreis
eine Gesamtstellungnahme zum neuen Bewirtschaftungsplan Weser abgibt.
Baudirektor
Wehr betont, dass im
Bewirtschaftungsplan die Belastung der Weser durch Salzabwasser als
wesentlicher Faktor für die Beurteilung der Biologie und zusätzlich die
Gewässerstruktur sowie die chemischen Parameter herausgearbeitet wurden. In
Ergänzung zur Stellungnahme sei eine Positionierung des Landkreises im
Gesamtkontext überlegbar.
Auf
Bitten des Vorsitzenden stellv. Landrat Dr. Schmädeke nimmt das Mitglied
mit beratender Stimme Herr Brauer Stellung zur Entwicklung der
Fischpopulation in der Weser in den letzten 15 Jahren.
So
habe sich im Laufe der Jahre die Zusammensetzung der Fischarten verändert.
Insgesamt seien die Vielfalt und die Menge an Fischen nicht zufriedenstellend.
Auf
Nachfrage von KTA Prüfer, welche Institution das Monitoring der
Salzabwässer durchführe bzw. kontrolliere, antwortet Baudirektor Wehr,
dass die Durchführung über die Landesfachbehörden und die FFG Weser sichergestellt ist. Die
Vertreter in der FGG lassen sich regelmäßig berichten und geben die
Informationen an ihre Mitglieder, damit auch an den Landkreis Nienburg, weiter.
Auf
Anfrage von KTA Kuhlmann, ob es bei Missachtungen auch die Möglichkeit
einer Ahndung gegenüber der K+S bestünde, entgegnet Baudirektor Wehr,
dass dies seitens des Landkreises Nienburg nicht möglich ist.
Im
Rahmen der Regelungen zur Erlaubnis ist die Genehmigungsbehörde (RP Kassel)
bzw. die Bergaufsichtsbehörde im Zuge der Unterbringung (Einstapelung unter
Tage) in der rechtlichen Situation, Abweichungen entsprechend zu ahnden.
Darüber
hinaus besitzen die Landesbehörden am Sitz des Einleiters besondere Befugnisse
im Rahmen der Gefahrenabwehr. Im Zuge einer nicht zielkonformen Umsetzung nach
dem Wasserhaushaltsgesetz bestünden zudem Möglichkeiten zur Sanktionierung
durch die Europäische Kommission über den Gerichtshof.
Das
stellv. Mitglied mit beratender Stimme Dr. Thijsen mahnt die insgesamt hohen Salzkonzentrationswerte an.
Am
Pegel Gerstungen (nach Einleitung) besitze die Werra als Süßwasserfluss aktuell
eine Salzkonzentration vergleichbar dem Übergangsbereich des Atlantiks in die
Ostsee. Noch im Bereich Drakenburg besitze die Weser eine Salzkonzentration wie
„Brackwasser“.
KTA
Dr. Bauer macht deutlich, dass die
formulierten Werte in der Genehmigung hinter den Anforderungen der Zielwerte
nach der EG-Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) zurück blieben. National werde die
Umsetzung zwar bis 2027 beschlossen, aber unter Ausnutzung der Möglichkeiten
EU-weit gebotener Ausnahmen.
Baudirektor
Wehr betont, dass die jeweiligen
Grenz- bzw. Zielwerte seiner fachlichen Einschätzung nach nicht so weit
auseinander lägen.
Sicher
sei die Festsetzung der Höhe der Grenzwerte eine Kompromissentscheidung
gewesen. Angesichts der Größe des Unternehmens habe dieses über die Vielzahl
der zur Verfügung gestellten Arbeitsplätze mit dem wirtschaftlichen Gewicht
auch einen gesamtpolitischen Einfluss.
Mit
dem sukzessiven Abbau der Salzabwassermengen und Salzkonzentrationen in der
Werra/Weser habe man am Ende aber doch viel erreicht. Der vereinbarte Stufenplan
wurde von der EU akzeptiert und die EU-Kommission wird über die Einhaltung
fortlaufend informiert. Die großen Einzugsgebiete der Gewässer Weser, Rhein
oder Ems werden aufgrund der anthropogenen Nutzungen nie Null-Konzentrationen
von Salz erreichen können.
Der
Vorsitzende stellv. Landrat Dr. Schmädeke erklärt ergänzend, dass Möglichkeiten zur direkten Einflussnahme des
Landkreises Nienburg in die Entscheidungen historisch nicht oder nur in Grenzen
gegeben waren.
Die
Altlasten sind physikalisch da. Faktisch bliebe daher nur, aus den Fehlern der
Vergangenheit zu lernen und den Blick in die Zukunft zu richten. Bis 2027
erfolge nun die Umsetzung des Stufenplans unter Ausschöpfung der technischen
Möglichkeiten.
KTA
Höltke spricht von keiner endgültigen
Lösung, aber einem guten Weg. Sie verweist auf die Stellungnahme des Landkreis
Nienburg, die die kritischen Punkte anspricht. Bis 2027 sei mit wesentlich
geringeren Belastungen der Gewässer zu rechnen.
Die
EU-Vorgaben verhinderten leider teilweise eine national stringentere Vorgehensweise.
Entscheidend sei aber eine Zusammenarbeit an den globalen Umwelt- und
Klimaproblemen.
KTA
Ó Toráin stellt ein paar
wirtschaftliche Zahlen über das Unternehmen der K+S AG vor. So seien aktuell
über 14.000 Mitarbeiter/innen weltweit bei der K+S AG beschäftigt.
Der
Gewinn sei von rd. 131 Mio. € in 2018 auf rd. 145 Mio. € in 2019 gesteigert worden.
Weltweit erwirtschaftete das Unternehmen dabei einen Umsatz von rd. 4,7 Mrd. €
(2019). Vorrangiges Ziel des Unternehmens sei es, die Gewinne für die Aktionäre
zu steigern.
Mit
den Zahlen zeigt er die wirtschaftliche Macht des Unternehmens auf und
kritisiert zugleich die schlecht genutzte Verhandlungsposition der
Genehmigungsbehörde.
In
Kassel sei eine Unter-Firmierung der K+S AG angesiedelt, deren Aufgabe einzig
darin bestehe, geeignete und wirtschaftlich günstige Wege für die Entsorgung
der Salzabwässer zu suchen. Er spricht sich daher dafür aus, keine Kompromisse
bei der Verschiebung der Einleitung von Salzabwasser hin zum Verbringen unter
Tage einzugehen.
Baudirektor
Wehr fasst die Gründe der Verwaltung
für die Befürwortung der Fortsetzung des Mandats für den Ausschuss „Weser“ beim
Bündnis Hamelner Erklärung e.V. zusammen.
Seit
März 2018 vertritt das Bündnis Hamelner Erklärung e.V. über den Ausschuss
Weserversalzung auch die Interessen des Landkreises Nienburg mit weiteren Kommunen
im Weser-Werra-Gebiet. Das Bündnis wird durch Rechtanwalt de Witt, Potsdam
beraten.
Zur
Sicherung bereits verhandelter Positionen (insbesondere den Verzicht auf Einleitung
von Produktionsabwässern nach 2027) soll weiter mit der K+S verhandelt werden.
Als Interessensvertreter soll über die jeweiligen Landesregierungen eine Verbesserung
der Werte nach dem Bewirtschaftungsplan erzielt werden.
Zudem
soll die Installation eines geeigneten und transparenten Monitorings durch den
Betreiber gefordert werden. Das Verfahren und die Methoden können so besser
beobachtet und somit eine frühzeitige Beteiligung auf politischer Ebene
sichergestellt werden.
Das
Bündnis Hamelner Erklärung e.V. rechne für die Mandatswahrnehmung unter
Einschaltung des Fachanwalts mit einer Umlage von rd. 1.500,- bis 2.000,- Euro
je Kommune/Landkreis im laufenden Haushaltsjahr.
Auf
die Frage von KTA Ó Toráin, wie die über das Maßnahmenprogramm geforderten
Reduzierungsmengen erhoben und nachvollzogen werden können, bestätigt Baudirektor
Wehr, dass diese fortlaufenden Werte in die jeweiligen Statusberichte der
FGG Weser eingehen.
Das
Mitglied mit beratender Stimme Göckeritz erklärt, dass die Mengen simpel
über Wasserzähler abgegriffen werden.
KTA
Hille bestätigt sein Vertrauen in die
Verwaltung, das enorme Potenzial zur Reduzierung der Salzabwässer in die
Werra/Weser mit dem Bündnis Hamelner Erklärung e.V. verantwortungsvoll zu
begleiten.
Eine
„No-Salz“-Strategie sei nicht zielführend. Das Ergebnis solle vielmehr ein
„guter ökologischer Zustand“ sein. Dies dauere und sollte daher auch
unterstützt werden.
KTA
Ó Toráin weist darauf hin, dass im
Jahr 2019 im Kreistag von unproblematischen Werten am Pegel Drakenburg
berichtet wurde und nun die Werte widersprüchlich als erhöht dargestellt sind.
Baudirektor
Wehr erläutert, dass bis 2019 auch
der Pegel Drakenburg von zeitweise über den Vorgaben des Zielwertkonzepts
liegenden Salzkonzentrationen betroffen gewesen ist.
Beratungsergebnis:
Mit
Stimmenmehrheit: 9 Ja-Stimmen 2
Nein-Stimmen 0 Enthaltungen.