Beschluss: Das Gremium beschließt ungeändert.

Abstimmung: Ja: 9, Nein: 2, Enthaltungen: 0, Befangen: 0

Beschluss:

 

Der Landkreis Nienburg

  1. stimmt in vollem Umfang dem Zielwertekonzept und dem Maßnahmenprogramm zur Reduzierung der Salzbelastung der Werra und Weser aus dem Entwurf des Bewirtschaftungsplan 2021 -2027 für die Flussgebietseinheit Weser zu und
  2. erteilt dem Ausschuss „Weser“ des Bündnisses Hamelner Erklärung e. V. ein neues Mandat zur Weiterverhandlung von Positionen mit der K+S, zu den Inhalten des Bewirtschaftungsplans, zum begleitenden Monitoring über die Zusagen der K+S sowie zur Beobachtung des Verfahrens und der Methoden.

 


Beratungsgang:

 

Baudirektor Wehr erinnert einführend an die Vertagung dieses TOP im ALNU vom 09.09.2020. Aufgrund des weitergehenden Verhandlungsbedarfs zwischen dem “Bündnis Hamelner Erklärung e.V.” mit der „K+S Minerals and Agriculture GmbH“ kam es zu keiner Stellungnahme des Landkreises Nienburg.

 

Der Regierungspräsident (RP) Kassel hat mittlerweile das Erlaubnisverfahren abgeschlossen und am 23.12.2020 einen Bescheid zur Einleitung von max. 6,7 Mio. m³/a salzhaltige Abwässer aus der Produktion und von den Halden in die Werra erteilt.

Die Grenzwerte am Pegel Gerstungen (Werra) wurden dabei verschärft und mit 2.400 mg/l Chlorid, 195 mg/l Kalium und 334 mg/l Magnesium festgelegt. Der Bescheid ist bis zum 31.12.2021 befristet.

Auf Folgeantrag der K+S wird dann erneut anhand der fachlichen Vorgaben sachgerecht entschieden, wie die Genehmigung zur Abwassereinleitung ab 2022 erteilt wird.

 

Möglichkeiten zur Positionierung und Stellungnahme durch den Landkreis Nienburg ergeben sich nun bis zum 22.06.2021 im Zuge der Auslegung des Entwurfs des Bewirtschaftungsplans 2021-2027 für die Flussgebietseinheit Weser bzgl. spezieller Bewirtschaftungsziele und Maßnahmenprogramme zu den Salzbelastungen in den Einzugsgebieten von Werra und Weser.

Im späteren Verfahren des RP Kassel über die Erlaubnis ab 2022 bestehe dann auch hierzu die Möglichkeit, eine weitere Stellungnahme abgeben.

 

Die eingeleiteten Salzabwassermengen sind in den vergangenen Jahrzehnten dokumentiert worden. Salzabwasseranfall und Einleitmengen haben sich in der historischen Entwicklung seit 1970 erkennbar verringert. Ab 2028 ist nur noch die Einleitung von Haldenabwasser zulässig.

Historische Entwicklungen der Chlorid-Konzentrationen in der Werra zeigen seit 1968 einen erheblichen Rückgang um bis zu 90 %. Signifikante Reduzierungsstufen ergaben sich 1981 mit der Einführung des ESTA-Verfahrens, 1991-1993 durch ein Salzreduzierungskonzept und die Schließung von zwei thüringischen Werken sowie der Salzlaststeuerung 1999. Der zulässige Grenzwert für Chlorid mit 2.500 mg/l (aktuell 2021: 2.400 mg/l) wird am Pegel in Gerstungen (Werra) seit 2000 zuverlässig eingehalten und regelmäßig unterschritten.

 

Die Bewertung aller 10 Oberflächenwasserkörper der Weser und Werra aus der Risikoanalyse bis 2027 zeigt jedoch, dass diese positive Entwicklung nicht ausreicht, um das Ziel eines „guten ökologischen Zustands/Potentials“ zu erreichen.

 

So besitzt der Oberflächenwasserkörper „Mittelweser von NRW bis Aller“  einen unbefriedigenden Zustand hinsichtlich seines ökologischen Potenzials.

An der Kontrollmessstelle in Drakenburg wurde für 2019 ein Chlorid-Wert von 423 mg/l ermittelt. Als Richtwert für Salzbelastungen, die das Erreichen des guten Zustands/Potenzials nicht gefährden, gibt die Flussgebietsgemeinschaft (FGG) Weser für Chlorid einen Wert von max. 300 mg/l vor. Das entspricht hier einem Reduzierungsbedarf von 29 % im Vergleich zum Richtwert.

Vergleichbar kritische Bewertungen ergeben sich für die Salzionen Kalium (Richtwert: 20 mg/l; Minderungsbedarf 50 %) und Magnesium (Richtwert: 30 mg/l; Minderungsbedarf 59 %).

 

Nach dem bestehenden Zielwertkonzept der FGG Weser wurden für die Pegel in Gerstungen (Einlaufstelle in die Werra) und Boffzen (Oberweser, oberhalb von Rinteln) für die Salzionen Chlorid, Magnesium und Kalium zeitlich gestaffelte Zielwerte definiert. Die Weserministerkonferenz hat am 20.08.2020 die Festlegungen im neuen Zielwertekonzept bestätigt.

Damit erscheint eine Erreichung eines „guten ökologischen Potenzials“ für die Wasserkörper der Weser bis 2027 möglich. Für den Pegel Drakenburg werden noch deutlich bessere Werte erwartet, da im weiteren Verlauf bis zur Mittelweser die Größe des Einzugsgebiets zunimmt.

 

Als Grundlage für die weitere Bewirtschaftungsplanung sieht das Maßnahmenprogramm Salz für die Jahre 2021 bis 2027 mehrere Projekte zur Behandlung und Verringerung der Salzabwassermengen vor. So wird die Kainit-Kristallisation-Flotation-Anlage (KKF) bereits seit 2018 betrieben und sorgt seit 2019 für eine Reduzierung von 1,5 Mio. m³/a Salzabwasser.

Mit der Einstapelung von flüssigen Salzabwässern unter Tage wird in Phase I ab Ende 2021 begonnen. Mit der Phase II (ab Ende 2027) endet die Einleitung von Prozessabwässern in die Werra. Ein zunehmender Beitrag wird zudem mit fortschreitender Haldenabdeckung erreicht (Regelbetrieb ab Ende 2021). Mit dem Abtransport von Prozess- und/oder Haldenabwasser und/oder Zwischenspeicherung wird ebenso ab Ende 2021 begonnen bis zur Erreichung der Zielwerte. Der Verzicht auf den Werra-Bypass wurde 2019 beschlossen.

Begleitende Maßnahmen sind ein ökonomisches und ökologisches Monitoring sowie ein Controlling der Maßnahmenumsetzung durch die Arbeitsgruppe Salzreduzierung.

 

Die Verwaltung schlage daher vor, sich in vollem Umfang dem Zielwertekonzept und dem Maßnahmenprogramm zur Reduzierung der Salzbelastung der Werra und Weser aus dem Entwurf des Bewirtschaftungsplan 2021 - 2027 für die Flussgebietseinheit Weser anzuschließen und eine Stellungnahme wie vorgeschlagen abzugeben.

Hinsichtlich der inhaltlichen Darstellung der Stellungnahme wird auf den Entwurf (Anlage 4 zur Drucksache 2021/059) verwiesen.

 

Das Mitglied mit beratender Stimme Gerner macht deutlich, dass zum ökologischen Potenzial der Weser generell noch viel mehr gehört, als die Salzbelastung.

Der Salzgehalt allein sei zudem nur ein Faktor der Beeinflussung auf das Wasser. Auch andere Auswirkungen des Salzabwassers auf z.B. die Staustufen, die Ufer der Weser mit seinen Faunen und Floren müssten im Gesamtkontext gesehen werden und in die Stellungnahme mit einfließen. Er fragt außerdem, ob der Landkreis eine Gesamtstellungnahme zum neuen Bewirtschaftungsplan Weser abgibt.

 

Baudirektor Wehr betont, dass im Bewirtschaftungsplan die Belastung der Weser durch Salzabwasser als wesentlicher Faktor für die Beurteilung der Biologie und zusätzlich die Gewässerstruktur sowie die chemischen Parameter herausgearbeitet wurden. In Ergänzung zur Stellungnahme sei eine Positionierung des Landkreises im Gesamtkontext überlegbar.

 

Auf Bitten des Vorsitzenden stellv. Landrat Dr. Schmädeke nimmt das Mitglied mit beratender Stimme Herr Brauer Stellung zur Entwicklung der Fischpopulation in der Weser in den letzten 15 Jahren.

So habe sich im Laufe der Jahre die Zusammensetzung der Fischarten verändert. Insgesamt seien die Vielfalt und die Menge an Fischen nicht zufriedenstellend.

 

Auf Nachfrage von KTA Prüfer, welche Institution das Monitoring der Salzabwässer durchführe bzw. kontrolliere, antwortet Baudirektor Wehr, dass die Durchführung über die Landesfachbehörden  und die FFG Weser sichergestellt ist. Die Vertreter in der FGG lassen sich regelmäßig berichten und geben die Informationen an ihre Mitglieder, damit auch an den Landkreis Nienburg, weiter.

 

Auf Anfrage von KTA Kuhlmann, ob es bei Missachtungen auch die Möglichkeit einer Ahndung gegenüber der K+S bestünde, entgegnet Baudirektor Wehr, dass dies seitens des Landkreises Nienburg nicht möglich ist.

 

Im Rahmen der Regelungen zur Erlaubnis ist die Genehmigungsbehörde (RP Kassel) bzw. die Bergaufsichtsbehörde im Zuge der Unterbringung (Einstapelung unter Tage) in der rechtlichen Situation, Abweichungen entsprechend zu ahnden.

Darüber hinaus besitzen die Landesbehörden am Sitz des Einleiters besondere Befugnisse im Rahmen der Gefahrenabwehr. Im Zuge einer nicht zielkonformen Umsetzung nach dem Wasserhaushaltsgesetz bestünden zudem Möglichkeiten zur Sanktionierung durch die Europäische Kommission über den Gerichtshof.

 

Das stellv. Mitglied mit beratender Stimme Dr. Thijsen mahnt die insgesamt hohen Salzkonzentrationswerte an.

Am Pegel Gerstungen (nach Einleitung) besitze die Werra als Süßwasserfluss aktuell eine Salzkonzentration vergleichbar dem Übergangsbereich des Atlantiks in die Ostsee. Noch im Bereich Drakenburg besitze die Weser eine Salzkonzentration wie „Brackwasser“.

 

KTA Dr. Bauer macht deutlich, dass die formulierten Werte in der Genehmigung hinter den Anforderungen der Zielwerte nach der EG-Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) zurück blieben. National werde die Umsetzung zwar bis 2027 beschlossen, aber unter Ausnutzung der Möglichkeiten EU-weit gebotener Ausnahmen.

 

Baudirektor Wehr betont, dass die jeweiligen Grenz- bzw. Zielwerte seiner fachlichen Einschätzung nach nicht so weit auseinander lägen.

Sicher sei die Festsetzung der Höhe der Grenzwerte eine Kompromissentscheidung gewesen. Angesichts der Größe des Unternehmens habe dieses über die Vielzahl der zur Verfügung gestellten Arbeitsplätze mit dem wirtschaftlichen Gewicht auch einen gesamtpolitischen Einfluss.

Mit dem sukzessiven Abbau der Salzabwassermengen und Salzkonzentrationen in der Werra/Weser habe man am Ende aber doch viel erreicht. Der vereinbarte Stufenplan wurde von der EU akzeptiert und die EU-Kommission wird über die Einhaltung fortlaufend informiert. Die großen Einzugsgebiete der Gewässer Weser, Rhein oder Ems werden aufgrund der anthropogenen Nutzungen nie Null-Konzentrationen von Salz erreichen können.

 

Der Vorsitzende stellv. Landrat Dr. Schmädeke erklärt ergänzend, dass Möglichkeiten zur direkten Einflussnahme des Landkreises Nienburg in die Entscheidungen historisch nicht oder nur in Grenzen gegeben waren.

Die Altlasten sind physikalisch da. Faktisch bliebe daher nur, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und den Blick in die Zukunft zu richten. Bis 2027 erfolge nun die Umsetzung des Stufenplans unter Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten.

 

KTA Höltke spricht von keiner endgültigen Lösung, aber einem guten Weg. Sie verweist auf die Stellungnahme des Landkreis Nienburg, die die kritischen Punkte anspricht. Bis 2027 sei mit wesentlich geringeren Belastungen der Gewässer zu rechnen.

Die EU-Vorgaben verhinderten leider teilweise eine national stringentere Vorgehensweise. Entscheidend sei aber eine Zusammenarbeit an den globalen Umwelt- und Klimaproblemen.  

 

KTA Ó Toráin stellt ein paar wirtschaftliche Zahlen über das Unternehmen der K+S AG vor. So seien aktuell über 14.000 Mitarbeiter/innen weltweit bei der K+S AG beschäftigt.

Der Gewinn sei von rd. 131 Mio. € in 2018 auf rd. 145 Mio. € in 2019 gesteigert worden. Weltweit erwirtschaftete das Unternehmen dabei einen Umsatz von rd. 4,7 Mrd. € (2019). Vorrangiges Ziel des Unternehmens sei es, die Gewinne für die Aktionäre zu steigern.

Mit den Zahlen zeigt er die wirtschaftliche Macht des Unternehmens auf und kritisiert zugleich die schlecht genutzte Verhandlungsposition der Genehmigungsbehörde.

In Kassel sei eine Unter-Firmierung der K+S AG angesiedelt, deren Aufgabe einzig darin bestehe, geeignete und wirtschaftlich günstige Wege für die Entsorgung der Salzabwässer zu suchen. Er spricht sich daher dafür aus, keine Kompromisse bei der Verschiebung der Einleitung von Salzabwasser hin zum Verbringen unter Tage einzugehen.

 

Baudirektor Wehr fasst die Gründe der Verwaltung für die Befürwortung der Fortsetzung des Mandats für den Ausschuss „Weser“ beim Bündnis Hamelner Erklärung e.V. zusammen.

 

Seit März 2018 vertritt das Bündnis Hamelner Erklärung e.V. über den Ausschuss Weserversalzung auch die Interessen des Landkreises Nienburg mit weiteren Kommunen im Weser-Werra-Gebiet. Das Bündnis wird durch Rechtanwalt de Witt, Potsdam beraten.

Zur Sicherung bereits verhandelter Positionen (insbesondere den Verzicht auf Einleitung von Produktionsabwässern nach 2027) soll weiter mit der K+S verhandelt werden. Als Interessensvertreter soll über die jeweiligen Landesregierungen eine Verbesserung der Werte nach dem Bewirtschaftungsplan erzielt werden.

Zudem soll die Installation eines geeigneten und transparenten Monitorings durch den Betreiber gefordert werden. Das Verfahren und die Methoden können so besser beobachtet und somit eine frühzeitige Beteiligung auf politischer Ebene sichergestellt werden.

Das Bündnis Hamelner Erklärung e.V. rechne für die Mandatswahrnehmung unter Einschaltung des Fachanwalts mit einer Umlage von rd. 1.500,- bis 2.000,- Euro je Kommune/Landkreis im laufenden Haushaltsjahr.

 

Auf die Frage von KTA Ó Toráin, wie die über das Maßnahmenprogramm geforderten Reduzierungsmengen erhoben und nachvollzogen werden können, bestätigt Baudirektor Wehr, dass diese fortlaufenden Werte in die jeweiligen Statusberichte der FGG Weser eingehen.

 

Das Mitglied mit beratender Stimme Göckeritz erklärt, dass die Mengen simpel über Wasserzähler abgegriffen werden.

 

KTA Hille bestätigt sein Vertrauen in die Verwaltung, das enorme Potenzial zur Reduzierung der Salzabwässer in die Werra/Weser mit dem Bündnis Hamelner Erklärung e.V. verantwortungsvoll zu begleiten.

Eine „No-Salz“-Strategie sei nicht zielführend. Das Ergebnis solle vielmehr ein „guter ökologischer Zustand“ sein. Dies dauere und sollte daher auch unterstützt werden.

 

KTA Ó Toráin weist darauf hin, dass im Jahr 2019 im Kreistag von unproblematischen Werten am Pegel Drakenburg berichtet wurde und nun die Werte widersprüchlich als erhöht dargestellt sind.

 

Baudirektor Wehr erläutert, dass bis 2019 auch der Pegel Drakenburg von zeitweise über den Vorgaben des Zielwertkonzepts liegenden Salzkonzentrationen betroffen gewesen ist.

 


Beratungsergebnis:

 

Mit Stimmenmehrheit:         9 Ja-Stimmen           2 Nein-Stimmen       0 Enthaltungen.