Sitzung: 25.05.2022 Ausschuss für Landschaftspflege, Natur und Umwelt
Beschluss: Das Gremium beschließt ungeändert.
Abstimmung: Ja: 11, Nein: 0, Enthaltungen: 0, Befangen: 0
Vorlage: 2022/070
Beratungsgang:
Landschaftsarchitekt
Gänsslen berichtet über die
Einleitung eines Änderungsverfahrens für den Bebauungsplan zur
Betriebserweiterung der frischli Milchwerke GmbH in Rehburg und die
Auswirkungen auf das Landschaftsschutzgebiet „Steinhuder Meerbach und Nebengewässer
(mit Leeser Erlen-Riede)“ (LSG NI 68).
Die
frischli Milchwerke GmbH in Rehburg steht seit über 120 Jahren (Gründung im
Jahr 1901) für die Produktion von Milchprodukten. Seit 1969/70 bzw. 1973 existieren
in Rehburg, Wietzen und Rodewald drei Hauptstandorte. Im Jahr 2015 wurde ein
neuer 40 m hoher Trockenturm in Rehburg fertiggestellt.
Als
wichtiger Arbeitgeber für die Region werden aktuell insgesamt 930 Mitarbeiter:innen
beschäftigt und zahlreiche Ausbildungsstätten für diverse Ausbildungsberufe und
duale Studiengänge angeboten. Der jährliche Umsatz beträgt rd. 500 Mio. €.
Seitens der frischli Milchwerke GmbH ist eine Erweiterung des derzeit bestehenden
Betriebsgeländes in nördlicher Richtung über den „Südbach“ hinausgehend zur Nutzung
weiterer Produktions- und Lagerflächen geplant. Andere Möglichkeiten zur Erweiterung des Betriebes stehen nicht zur
Verfügung.
Im
Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 27 „Gewerbe- und Industriegebiet
am Bahndamm“ wurde die Untere Naturschutzbehörde (UNB) als Träger öffentlicher
Belange (TöB) durch die Stadt Rehburg beteiligt.
Betroffen
durch die geplante Erweiterung ist das LSG NI 68.
Die
geplante gewerbliche Nutzung ist mit dem allgemeinen und besonderen Schutzzweck
der LSG-Verordnung nicht vereinbar. Beabsichtigt
ist daher eine Teillöschung und Teilneuausweisung des LSG.
Unter
den besonderen Schutzzweck der LSG-Verordnung fallende Arten sind u.a. der Schlammpeitzger
(Misgurmus fossilis), der Steinbeißer (Cobitis taenia), der Bitterling (Rhodeus
amarus), die Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale), der Fischotter (Lutra
lutra), der Europäische Nerz (Mustela luttreola) und Gewässer begleitend die Teichfledermaus
(Myotis dasycneme) sowie der Lebensraumtyp LRT 6430 „Feuchte Hochstaudenfluren“.
Prioritäre Arten und Lebensraumtypen kommen nicht vor.
Um
die Erweiterung des Betriebsgeländes der frischli Milchwerke GmbH zu ermöglichen,
muss der „Südbach“ als FFH- und LSG-Teilbereich nach Norden verlegt werden. Der
fast kanalartig ausgebaute „Südbach“ soll nördlich mäandrierend und naturnah um
den neu ausgewiesenen Teilbereich herum geführt werden.
Die
geplante Umlegung in den betroffenen Teilbereichen wird von Landschaftsarchitekt
Gänsslen auf einer Karte gezeigt.
Die
vorgesehene Umfluterherstellung ist geeignet, die ökologische Gewässersituation
zu verbessern und wird daher auch von der UNB befürwortet.
Die
Veränderung des „Südbaches“ im geplanten LSG-Löschungsbereich erfordert
gleichermaßen auch eine Gebietsanpassung des FFH-Gebietes „Steinhuder Meer (mit
Randbereichen)“.
In
Bezug auf das Natura-2000-Gebiet hat dazu eine FFH-Verträglichkeitsprüfung
gemäß § 34 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) i.V.m. Art. 6 Abs. 3 und 4 der
FFH-Richtlinie 92/43/EWG zu erfolgen.
Da
weder prioritäre Arten noch Lebensraumtypen in dem entsprechenden FFH-Gebiet
beeinträchtigt werden, ist es ausreichend, die EU-Kommission über diesen Tatbestand
zu unterrichten.
In
einem Kabinettsbeschluss entscheidet zunächst die Landesregierung über die Anpassung
des Gebietes und leitet einen entsprechenden Antrag über das Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMU) an die
EU-Kommission, die eine endgültige Entscheidung über die Anpassung trifft.
Mit
dem Beschluss des Ausschusses für Landschaftspflege, Natur und Umwelt (ALNU)
zur Einleitung des Änderungsverfahrens zur Verordnung „Steinhuder Meerbach und
Nebengewässer (mit Leeser Erlen-Riede)“ werden in der Folge die
LSG-Unterlagen durch die Stadt Rehburg-Loccum gemeinsam und zeitgleich mit den
Bebauungsplan-Unterlagen im Rahmen des 2.
Beteiligungsverfahrens zum Bebauungsplan öffentlich bekannt gemacht und ausgelegt.
Die Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen
wird anschließend erörtert und zusammen
mit dem Verordnungs-Entwurf dem ALNU in einer seiner nächsten
Sitzungen zur Beratung vorgelegt. Die
Beratungsfolge zum Beschluss der Änderungsverordnung (Kreisausschuss
und Kreistag) schließt sich daran an.
Das
Inkrafttreten der Änderungsverordnung erfolgt, vorbehaltlich des Kabinettsbeschlusses
des Landes und der positiven Entscheidung der EU-Kommission zur Gebietsanpassung
des FFH-Gebietes, durch Bekanntmachung im Ministerialblatt.
Auf
Nachfrage von KTA Buschmann bestätigt Landschaftsarchitekt Gänsslen,
dass das im Eigentum der frischli Milchwerke GmbH stehende Haus in der
Jägerstraße laut Plan abgerissen wird.
KTA
Kruse stellt den Aufwand, der mit der
Planungsumsetzung verbundenen ist, in Frage. In dieser ländlich geprägten
Region, in der die Wirtschaftlichkeit eine wichtige Rolle spielt, wäre das
Festhalten am Bachverlauf bzw. das für das Umlegen von insgesamt rd. 250 Metern
Bachlauf erforderliche Verwaltungsverfahren bis zur Genehmigung durch die EU unverhältnismäßig.
Das müsste zukünftig „schlanker“ möglich sein.
Das
Mitglied mit beratender Stimme Dammeyer stellt die Frage, ob es sich angesichts
der zunehmenden, versiegelnden Betriebsfläche um ein Überschwemmungsgebiet
(ÜSG) handelt.
Landschaftsarchitekt
Gänsslen antwortet darauf, dass die
erweiterte Betriebsfläche nicht innerhalb von ÜSG-Grenzen liegt.
Bauamtsrat
Zechlin ergänzt, dass die Untere
Wasserbehörde (UWB) im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplanes durch die
Stadt Rehburg-Loccum als TöB aus wasserwirtschaftlicher Sicht beteiligt worden
ist. Ein ÜSG ist hier nicht betroffen.
Das
Mitglied mit beratender Stimme Dammeyer
macht deutlich, dass hier aus seiner Sicht die wirtschaftlichen Interessen im
Vordergrund stehen. Angesichts des verbreiteten Artensterbens von Insekten und
Vögeln solle dem Naturschutz die erste Priorität zugestanden werden.
Nachdem
KTA Kruse daran erinnert, die Verhältnismäßigkeit zu wahren, fragt KTA
Höper nach den Kosten bzw. der Zeitspanne für die frischli Milchwerke GmbH.
Landschaftsarchitekt
Gänsslen erklärt, dass zur Erfüllung
der Rechtsnorm ebenso die Verpflichtung zur Kompensation durch die frischli
Milchwerke GmbH zu erfüllen ist.
Hinsichtlich
vergleichbarer Kosten und die Dauer existieren bislang keine Erfahrungswerte.
Hierzu jetzt Werte anzugeben, wäre darüber hinaus rein spekulativ.
Mit
der Möglichkeit zur Betriebserweiterung einerseits und der ökologischen Aufwertung
des Gewässers andererseits, erreicht man aber eine Win-Win-Situation.
Beratungsergebnis:
Einstimmig
mit 0 Enthaltungen.