Beschluss: Das Gremium beschließt geändert.

Im Rahmen der Abwägung soll geprüft werden, ob die empfohlenen Vorsorgeabstände zur Wohnbebauung von 450 m zu Einzelbebauung im Außenbereich und 700 m zu geschlossenen Siedlungen bei der Darstellung der Vorranggebiete Windenergienutzung zugrunde gelegt werden können. Als textliches Ziel der Raumordnung soll aufgenommen werden, dass der Abstand zur Wohnbebauung im Außenbereich mindestens das Dreifache und zur Wohnbebauung im Innenbereich mindestens das Vierfache der Kipphöhe betragen soll.

 


BOR Pagels führt in die Vorlage ein. Er geht insbesondere darauf ein, dass die Prüfung aus juristischer Sicht ergeben habe, dass

 

·        ein Mindestabstand mit der vierfachen Kipphöhe einer WEA als Ziel der Raumordnung sei nicht hinreichend konkret.

·        die Anwendung unterschiedlicher Vorsorgeabstände (Siedlungssplitter im Außenbereich und geschlossene Siedlungen als „Innenbereich“) laut Rechtssprechung unbedingt erforderlich sei.

·        eine Höhenbegrenzung den modernen Anforderungen an effiziente Energieerzeugung nicht entspreche.

·        es letztlich einen Widerspruch zur planerischen Methodik darstelle, konkrete Tabuzonen mit Ausschlusswirkung für raumbedeutsame Windenergieanlagen festzulegen.

 

Daher solle auf eine Zielfestlegung, dass Windenergieanlagen einen Abstand von mindestens dem Vierfachen ihrer Kipphöhe zur Wohnbebauung einhalten müssten, verzichtet werden, so BOR Pagels.

 

KTA Brunschön könne sich mit der Beschlussvorlage und der Begründung von BOR Pagels nur teilweise anfreunden.

Er erinnert an die Empfehlungen des Landes Niedersachsen, in der 1.000 m undifferenziert zwischen Einzelwohnbebauung und geschlossenen Siedlungen empfohlen worden sei. Er schlägt jedoch vor, damit eine Differenzierung gegeben sei, dass zur Einzelwohnbebauung die dreifache Kipphöhe und zur geschlossenen Siedlung die vierfache Kipphöhe als Abstand zur Wohnbebauung zu wählen. Somit sei eine Differenzierung gegeben, so KTA Brunschön. Ferner führt er an, dass mehrere Gutachten von Prof. Dr. Runge zum Thema Repowering für einige Bundesländer erstellt worden seien. In einem Gutachten habe Prof. Dr. Runge für Schleswig-Holstein die Empfehlungen auf die Anlagenhöhe bezogen. Kernbegründung sei im Wesentlichen das Orts- und Landschaftsbild gewesen. Für Mecklenburg-vorpommern habe er empfohlen bei Anlagen, die größer als 100 m sind einen Abstand von 800 m festzulegen. In Nordrhein Westfahlen werde derzeit ebenfalls restriktiv aktualisiert. Zusammenfassend schließe KTA Brunschön sich den Auffassungen des Prof. Dr. Runge an und schlägt vor, dass Anlagen zur Einzelwohnbebauung mindestens das Dreifache und zu geschlossenen Siedlungen das Vierfache der Kipphöhe entfernt sein sollten.

 

KTA Dr. Weghöft bedauert, dass wieder über die Abstandsregelungen gesprochen werden müsse. In der Beschlussvorlage sei 450 m und 700 m als Abstand empfohlen worden. Die Schwierigkeit bei dem Vorhaben sei jedoch Mensch, Natur und Technik in Einklang zu bringen. Hier müsse akzeptiert werden, dass seit Jahrhunderten im Landkreis Nienburg Streusiedlungen vorhanden seien und diese nun auch Bestandsschutz hätten. Ferner könne die Argumentation der Verwaltung nicht überzeugen, da am Rand des Vorranggebietes kleinere Anlagen möglich seien, so KTA Dr. Weghöft.

 

KTA Keitsch äußert, dass er mit 450 m / 700 m höchst unzufrieden sei. Dies sei eine pauschale Festlegung und nicht den örtlichen Gegebenheiten angepasst. Das RROP solle nicht starr sein. Ferner sei nicht erkennbar, dass bei den Planungen der Mensch im Vordergrund stünde.

 

KTA Hille fasst zusammen, dass jeder seiner Vorredner in gewisser Weise Recht habe. Jedoch seien die Windkraftanlagen im Außenbereich privilegiert. Als Fazit aus dem Klimaschutzkonzept ziehe er jedoch den Entschluss, dass im Landkreis Nienburg keine weiteren Vorranggebiete notwendig seien. Daher stellt er die Frage, ob nicht größere Abstände als 450 m / 700 m möglich seien.

 

KTA Bührmann schließt sich dem Vorschlag der Verwaltung an.

 

BOR Pagels entgegnet zu den Ausführungen von KTA Brunschön, dass der Landkreis Nienburg mit dem Land Mecklenburg Vorpommern nicht vergleichbar sei. Es sei eine Überprüfung der örtlichen Gegebenheiten erforderlich. Die unterschiedlichen Abstandsalternativen seien bereits am 11.11.2010 dem Ausschuss vorgestellt worden. Dabei wurden die Auswirkungen unterschiedlicher Abstandszenarien auf die Flächengrößen der potentiellen Vorranggebiete aufgezeigt. Aufgrund dieser Ergebnisse sei der Entschluss gefasst worden, dass ein Abstand von 1.000 m im Landkreis Nienburg nicht machbar sei, um der Windenergienutzung in substantieller Weise Raum zu verschaffen. BOR Pagels weist nochmals daraufhin, dass das RROP 10 Jahre in Kraft bleiben solle. Er führt weiter aus, dass nach heutigem Kenntnisstand eine Entfernung von 450 m / 700 m realistisch und als Kompromiss zu verstehen sei. Alle Belange seien dabei ausreichend berücksichtigt worden. Das RROP solle keine zusätzlichen Einschränkungen machen. Jede Einschränkung von privilegierten Anlagen müsse begründet werden, so BOR Pagels. Die Regionalplanung könne lediglich Schutz- und Vorsorgeabstände berücksichtigen. Befürchtungen würden im Genehmigungsverfahren geklärt. Das RROP sei ein grobes Instrument, um den Raum zu ordnen, nicht um Einzelfälle zu regeln. Nach Rücksprache mit dem Rechtsamt könne seitens der Verwaltung das Kriterium „Kipphöhe“ nicht verantwortet werden. Der Entwurf solle keine juristische Probe werden, sondern sei nach bestem Wissen und Gewissen zu erarbeiten, betont BOR Pagels.

 

KTA Dr. Weghöft führt aus, dass bei 450 m / 700 m feste Grenzen zu erkennen seien. Die Regelungen mit der Kipphöhe würden ja nur zusätzlich und nicht ausschließlich greifen. Diese Aussage regele nur, dass nicht überall jede Höhe gebaut werden dürfe. Problematisch sei hier der Schlagschatten und die Flugbefeuerung für die Anwohner.

 

KTA Warnecke übergibt für die Zeit der eigenen Wortmeldung den Vorsitz an den stellvertretenden Vorsitzenden KTA Dr. Weghöft.

KTA Warnecke gibt zu bedenken, dass die Änderung 10 Jahre halten solle. Dies könne nur gewährt werden, wenn die technische Entwicklung mit berücksichtigt werde. Dies kann nur möglich sein, wenn neben starren Festlegungen auch flexible Festlegungen getroffen werden würden. Aus dem Urteil des BVerwG 4 BN 32.09 sei zu entnehmen, dass eine dynamische d. h. an der Anlagenhöhe orientierte Höhenbegrenzung in einem Normenkontrollverfahren bestand gehabt habe und somit auch zulässig sei. Dieses Urteil stütze somit die Ausführungen des Prof. Dr. Runge. Wichtig seien hier die Akzeptanz in der Bevölkerung und die Privilegierung der Windkraftanlagen.

KTA Warnecke übernimmt wieder den Vorsitz.

 

KTA Bergmann-Kramer führt aus, dass bei einer Anlagenhöhe von 150 m genau der Mindestabstand von 450 m (dreifache Kipphöhe) zur Einzelwohnbebauung und fast der Mindestabstand von 700 m zu geschlossenen Siedlungen eingehalten werden würde. Aus Berlin bzw. Hannover sei die Vorgabe mindestens 1 % der Landkreisfläche für Vorranggebiete für Windenergienutzung auszuweisen, definiert worden. Er macht deutlich, dass wenn keine Vorranggebiete im Regionalen Raumordnungsprogramm ausgewiesen würden, Windenergie im gesamten Außenbereich privilegiert sei.

 

KTA Hille gibt zu bedenken, dass derzeit schon 1 % der Landkreisfläche als Vorranggebiete für Windenergienutzung ausgewiesen sei. Er fasst zusammen, dass Einigkeit bestünde, möglichst große Abstände zur Wohnbebauung ausweisen zu wollen. Er spricht sich dafür aus, dem Vorschlag der SPD Fraktion zu folgen.

 

KTA Rahlfs resümiert, das derzeit versucht werde, das Unmögliche möglich zu machen. Die Zulässigkeit einer jeden Windenergieanlage werde im Genehmigungsverfahren geklärt. Das Beispiel des Windparks in Mensinghausen habe gezeigt, dass das RROP dort keine Ausschlusswirkung erzielt habe. Ziel der Raumordnung sei es, Vorranggebiete zu finden, die geeignet seien raumbedeutsame Windenergienlagen zu ermöglichen. Hier werde derzeit versucht, jeder Anlage die Genehmigungsfähigkeit zu attestieren. Dabei solle jedoch die Flexibilität nicht in Frage gestellt werden, so KTA Rahlfs.

 

KTA Warnecke erläutert, dass durch diese Regelung beabsichtigt sei, dass in festen Gebieten sehr hohe Anlagen nicht das gesamte Vorranggebiet ausschöpfen können. Die technische Entwicklung sei dabei gewollt, jedoch müsse zugleich sichergestellt werden, dass das Orts- und Landschaftsbild nicht stärker gefährdet werde.

 

BOR Pagels dankt KTA Rahlfs für seinen Beitrag. Er habe die Aufgabe der Raumordnung verstanden. Ziel des Regionalen Raumordnungsprogramms sei, den Raum zu ordnen. Jede kreisangehörige Gemeinde müsse ihre Bauleitplanung dem RROP anpassen, habe dabei aber noch im Rahmen ihrer Planungshoheit Gestaltungsspielräume. In der Raumordnung werde im Maßstab 1:50.000 geplant und gezeichnet und nicht parzellenscharf. Hier werde jedoch ein Genehmigungsbeispiel diskutiert. Dazu sei die Raumordnung nicht das richtige Mittel. Jede Einschränkung in der Privilegierung der Windenergieanlagen müsse ausreichend begründet werden. Eine pauschale Begründung für das gesamte Kreisgebiet für die hier diskutierten Abstandsregelungen sei unmöglich. Der Versuch der Ordnung des Raumes werde aufgrund der möglichen unterschiedlich großen Windenergieanlagen in einem potentiellen Vorranggebiet eher gestört, so BOR Pagels. Das Regionale Raumordnungsprogramm sei ein starres und einfaches Instrument und nicht flexibel. Der hier diskutierte Streitpunkt „Flexibilität“ stünde in Konkurrenz zu „klaren Zielen der Raumordnung“.

Das von KTA Warnecke angeführte Urteil sei der Verwaltung bisher nicht bekannt, so BOR Pagels. Privilegiert bedeute, dass jede beantragte Windenergieanlage im Außenbereich zulässig sei, wenn keine öffentlichen Belange entgegenstünden. Ein solcher öffentlicher Belang könne die Ausweisung von Vorranggebieten im RROP darstellen. Sollten keine Vorranggebiete in Raum- bzw. Bauleitplanungen festgelegt werden, sei es möglich im gesamten Außenbereich Windenergieanlagen zu errichten. Einzige Beschränkung sei die TA Lärm und die Belange des Naturschutzes, wobei jedoch theoretisch denkbar sei, dass selbst in Naturschutzgebieten eine Windenergieanlage errichtet werden könne, so BOR Pagels. Nur die Raum- bzw. Bauleitplanunge könne hier steuern und Schutzgebiete festlegen. Das derzeitige RROP und die bestehenden Flächennutzungspläne der Gemeinden seien in der Regel zehn Jahre alt. Die Technologie habe sich im letzten Jahrzehnt stetig weiterentwickelt. Die Rechtssprechung habe sich seitdem mit den rechtlichen Zusammenhängen intensiv auseinandergesetzt, so BOR Pagels. Die Verwaltung habe die rechtlichen Zusammenhänge in die Planungskonzeption eingearbeitet.

 

Auf die Frage von KTA Warnecke, ob es richtig sei, dass neben der zeichnerischen Darstellung auch im beschreibenden Teil Festsetzungen getroffen werden können entgegnete BOR Pagels, dass es möglich sei, wenn kein Widerspruch zu den Planungen entstünde. Hier sei Widerspruch jedoch klar erkennbar, so BOR Pagels.

 

Auf Nachfrage von KTA Tonne, ob das von KTA Warnecke angeführte Urteil mit in die Planungen eingeflossen sei, antwortete BOR Pagels, dass die Vorsorgeabstände auf Einzelurteile gestützt seien, die für das gesamte Kreisgebiet begründbar seien. Die vorgeschlagenen Kipphöhenregelungen seien jedoch sehr speziell. Aus dieser Regelung sei möglicherweise eine Höhenbegrenzung abzuleiten. Diese Regelung müsse in jedem Einzelfall begründet werden.

 

Kreisrat Schwarz weist darauf hin, dass die Klage gegen eine versagte Genehmigung der beantragten Windenergieanlagen in Mensinghausen Erfolg gehabt hätte und infolge dessen das komplette RROP ausgehebelt worden sei. Daher sei Abstimmung mit dem Fachbereich Recht das Planungskonzept der Verwaltung fundiert erarbeitet worden. Eher als eine höhenbezogene Abstandregelung sei eine Abstandsregelung mit politischem Sicherheitszuschlag von beispielsweise 500 m / 750 m zur Wohnbebauung aus Sicht der Verwaltung denkbar, um im Landkreis Nienburg eine juristische Gratwanderung zu vermeiden.


Einstimmig

Mit Stimmen-
mehrheit

Ja
     

Nein
     

Enthaltung