Betreff
Handlungserfordernisse gegen im Rahmen von Rankings aufgezeigte Defizite im Landkreis Nienburg/Weser
Vorlage
2005/JHA/018
Aktenzeichen
51
Art
Jugendhilfeausschuss

Der Jugendhilfeausschuss nimmt von den im Rahmen der Rankings aufgezeigten Defiziten und den sich daraus ergebenden Handlungserfordernissen im Landkreis Kenntnis.

Das Jugendamt wird beauftragt, für die Integrationsarbeit operative Ziele zu entwickeln, deren Erreichung zur Verbesserung der negativen Handlungsfelder geeignet ist.

Die Integrationsarbeit soll hierdurch einer strategischen Ausrichtung zugänglich gemacht werden.

 


In den Sitzungen im Mai und Juli diesen Jahres befasste sich der Ausschuss für Raumordnung, Kreisplanung, Bau und Verkehr (ARKBV) mit den Schwächen des Landkreises, die im Rahmen mehrerer Studien und den daraus abgeleiteten Rankings festgestellt worden waren.

Das Jugendamt ist dabei in den Bereichen Tagesbetreuung für Kinder, Ausländerintegration sowie Kinderarmut und Jugendkriminalität betroffen.

In der Sitzung am 13.07.2005 empfiehlt der ARKBV – nach vorheriger Beteiligung der Fachämter - , dass die festgestellten Handlungsfelder zur weiteren Bearbeitung in die Fachausschüsse gegeben und dort operative Ziele erarbeitet werden sollen.

 

Dem ARKBV war zu den oben genannten Handlungsfeldern/-erfordernissen der Stand der Aktivitäten und Vorhaben mitgeteilt worden. Dieser stellt sich nach heutigem Stand wie folgt dar:

 

1.    Tagesbetreuung

Das Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) sieht den qualitäts- und bedarfsorientierten Ausbau der Betreuung der 0 bis 3-jährigen Kinder – orientiert am lokalen Bedarf – bis 2010 vor.

Zunächst wird gemeinsam mit den Kommunen im Landkreis hierzu eine kreisweite einheitliche Bedarfserhebung durchgeführt.

Anvisierter Zeitraum für die Befragung ist aktuell der Herbst 2005.

Nach der dann vorzunehmenden Auswertung und dem Vergleich mit den aktuellen Kapazitäten/Angeboten wird in den Gemeinden darüber zu befinden sein, ob, wie schnell und mit welchem Mitteleinsatz das Betreuungsangebot bis 2010 dem angemeldeten Bedarf anzupassen ist.

 

Weiterhin wurde im Hinblick auf die Tagesbetreuung bereits die betrieblich unterstützte Kinderbetreuung als Möglichkeit unternehmerischen Engagements im Rahmen einer familien- und mitarbeiterorientierten Personalpolitik mit den kreisangehörigen Kommunen thematisiert.

Die Gemeinden wurden gebeten, die Unternehmen in ihrem Zuständigkeitsbereich unter diesem Gesichtpunkt zu betrachten und mögliche Interessierte/denkbare Kooperationspartner zu benennen.

Amt 51 wird dann nach einer Interessenabfrage in den Betrieben – gleichfalls abhängig vom Bedarf - über die denkbaren Modelle (z.B. betriebseigene KiTas, Kooperationen bei Planung, Errichtung und Betrieb, Belegplätze, u.a.) zu befinden haben.

Im Hinblick auf die ebenfalls nach dem TAG sicher zu stellende Qualifizierung der Tagesmütter wurde seitens der Amtsleitung und des Pflegekinderdienstes ein round table-Gespäch mit der kreisweit agierenden Tagesmütterinitiative und der VHS geführt.

Voraussichtlich im Februar 2006 beginnend wird im Rahmen eines Volkshochschulangebotes die weitergehende Qualifizierung der Tagesmütter im Bausteinverfahren unter Berücksichtigung der individuellen Situation (Wohnortnähe, individueller Weiterbildungsbedarf, Vereinbarkeit Familie u. Beruf, etc.) angeboten werden, um zeitnah über gut qualifizierte Kräfte kreisweit zu verfügen. Mit Multiplikatoren aus den Gruppen der Spätaussiedler  und Ausländer wurde Kontakt aufgenommen mit dem Ziel, auch Teilnehmerinnen aus diesem Personenkreis für eine Qualifizierung zu gewinnen.

 

2.     Ausländerintegration

Das seit 2002 agierende Netzwerk zur Integration der ZuwanderInnen im Landkreis Nienburg/Weser hat neben regelmäßigen Tagungen und Arbeitsgruppen zu Problemen der Integrationsarbeit vor allem auf dem Sektor der Öffentlichkeitsarbeit und der Förderung des Ehrenamts in der Arbeit mit ZuwanderInnen gewirkt.

 

Großveranstaltungen wie die Weserlympix 2004 (ca. 400 jugendliche Teilnehmer unterschiedlichster Nationen) gekoppelt mit einer Berufs- und Freizeitmesse, die Wanderausstellung “hier geblieben” zur Zuwanderung in Niedersachsen seit 1945 und die dazu organisierten Begleitveranstaltungen (Vorträge, Lesungen) in diesem Jahr mit insgesamt mehr als 2000 Besuchern haben zu höherer Akzeptanz und besserem Verständnis der Zuwanderungsproblematik in der Bevölkerung geführt und daneben auch entscheidend zur Verfestigung und Verbesserung der Beziehungen der unterschiedlichsten Träger der Integrationsarbeit im Landkreis Nienburg/Weser geführt.

Es ist mittlerweile der Wandel vom konkurrierenden Angebot hin zur Absprache und gegenseitigem Austausch/Abstimmung unter den Trägern erreicht worden, was die kreisweite Integrationsarbeit deutlich erleichtert hat.

 

Weiterhin ist es gelungen, die Migrantenselbstorganisationen (z.B. türk.-isl. Kulturverein, Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Vertriebene) enger an das Netzwerk zu binden und zahlreiche Maßnahmen in Kooperation mit ihnen zu bestreiten.

In den nächsten Monaten wird gearbeitet

        an der Erweiterung der Mitgliederzahl insbesondere aus dem Ehrenamt,

        der Verstärkung der Migrationserstberatung und

        und Förderung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Integration, Sprach-, Bildungs- und Berufsförderung für ZuwanderInnen, Förderung und Vermittlung interkultureller Kompetenz und der Herstellung und Erweiterung des Schutzes des Wohles der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund.

 

Positiv begleitet werden die Bemühungen von den Aktivitäten der Ausländerbehörde, der ARGE und freien Trägern in der Sprachförderung auf Grundlage des Aufenthaltsgesetzes i. V. mit den hierzu ergangenen Integrationsvorschriften.

 

3.    Jugendkriminalität

Gemeinsam mit der Polizeiinspektion Nienburg wird das Jugendamt in den nächsten Monaten die bei beiden Behörden verfügbaren Daten (Sozialstrukturdaten des Landkreises, Statistiken der Hilfen zur Erziehung und polizeiliche Erhebungen) hinsichtlich korrespondierender Erscheinungen untersuchen, Problemfelder beschreiben und – soweit möglich – Handlungsansätze entwickeln.

Berücksichtigt werden hierbei neben den Erkenntnissen aus für die Rankings heran gezogenen Studien auch die Hinweise, die sich aus den hier vorliegenden Studien zur Kinderarmut in Deutschland (UNICEF) ergeben.

Mit ersten belastbaren Ergebnissen kann im Verlauf des Jahres 2006, nachdem die Daten aus den zahlreichen Erhebungen analysiert worden sind, gerechnet werden.

 

Nähere Information zu den Ergebnissen der angesprochenen Studien, Handlungsfeldern und –erfordernissen sowie zur aktuellen Lange im Landkreis ergeben sich aus der Anlage.

 

 

4. Handlungserfordernisse

Schon die bisherige Netzwerkarbeit erforderte eine sehr hohe personelle Einbindung.

Im Stellenplan für 2005 des Jugendamtes wurde zur Unterstützung des Koordinators (Herr Barthel) bereits ½ Stelle für die Wahrnehmung von Aufgaben im Integrationsnetzwerk eingerichtet. Diese Stelle ist jedoch bislang noch nicht besetzt worden, da abzuwarten war, ob seitens des Nds. MI Personal aus Überhängen hierfür abgeordnet würde. Diese Hoffnung konnte der MI nicht erfüllen.

Seit Ende Juli 2005 steht nun auch Frau Schulze (Ordnungsamt) dem Amt 51 als vorübergehende Unterstützung nicht mehr zur Verfügung.

Mit einer sofortigen Besetzung der ½ Stelle und der weiteren Koordination des Netzwerkes durch Herrn Barthel wird künftig allenfalls die Fortführung der Netzwerkarbeit im bisherigen Rahmen (d.h. Schwerpunkte Öffentlichkeitsarbeit, Unterstützung der Mitglieder bei der Beantragung von Förderprojekten, Ausrichtung der turnusmäßigen Sitzungen zur gegenseitigen Information) möglich sein.

 

Die beschriebenen Problemfelder stehen sämtlichst in Ursache und Wirkung in direkter Verbindung zueinander.

Eine der Hauptursachen ist die unzureichende Integration der Ausländer und Spätaussiedler im Landkreis in allen Lebensbereichen.

Hier gilt es die bisherigen Aktivitäten deutlich zu verstärken und die Integrationsarbeit strategisch auszurichten. Hierzu ist zunächst die Entwicklung operativer Ziele erforderlich, mit deren Erreichung eine Verbesserung der geschilderten Situation zu erwarten steht.

 

Mit einer Bestandsaufnahme der Defizite in den oben beschriebenen Bereichen ist es allerdings nicht getan. Um eine wirksame Aufarbeitung der Problematik zu bewirken sind folgende Maßnahmen sinnvoll und notwendig, wobei diese nur beispielhaft sein können:

 

1.    Entwicklung eines Integrationskonzeptes für den LK NI;

2.    Ursachenforschung in den bekannten Brennpunkten und Beschreibung von defizitären Verhaltensmustern unter Einbeziehung und Zusammenführung der vorhanden Erhebungen;

3.    Erarbeitung von Lösungsvorschlägen unter Beteiligung von Ehrenamtsträgern, anderer Ämter und Institutionen;

4.    Rekrutierung von ehrenamtlichen und hauptamtlichen Kräften aus dem Personenkreis der unterschiedlichen Bevölkerungs- Glaubens- und Volkszugehörigkeiten im Bereich der Kindertagesbetreuung, der Altenpflege, der Schulbegleitung, des Pflegekinderwesens, der Jugendarbeit, der Jugendgerichtsbarkeit und der Familienhilfe;

5.    Entwicklung einer wirkungsvollen Migrationserstberatung

 

Die Wahrnehmung dieser Aufgaben wird neben der Impulsgebung und Koordinationsarbeit von Herrn Barthel einen kontinuierlichen und über die bisherigen Ansätze hinausgehenden Kräfteeinsatz erfordern.

Aktuell kann diesen Anforderungen mit dem vorhandenen Personal nur sehr eingeschränkt und keinesfalls langfristig entsprochen werden.

 

Sicherlich trifft diese Situation den Landkreis und seine Kommunen in einer maroden Finanzsituation. Jedoch zeigen schon jetzt Einzelfälle in der täglichen Arbeit des Jugendamtes auf, dass Jugendhilfefälle bereits in der dritten Generation einer Familie auf den Tisch kommen. Es kann mit hoher Sicherheit davon ausgegangen werden, dass auch die vierte unser Klientel sein wird, wenn nicht unverzüglich einschneidende, aber damit auch finanziell aufwändige Maßnahmen einsetzen.

 

Dies trifft noch in höherem Maße auf diejenigen MigrantInnen zu, die für sich in Anspruch nehmen, ihre eigenen Werte und Vorstellungen der Lebensführung in Deutschland bzw. dem Landkreis Nienburg/Weser auszuleben (Islamismus, PKK, etc.)

 

Eine Besserung ist nicht kurzfristig zu erwarten. Ebenso wenig wird der Gesetzgeber unter Berücksichtigung des föderalistischen Verfahrensablaufes in der Familien- und Sozialgesetzgebung in Kürze reagieren.

 

Auch wenn die Integrations- und Zuwanderungspolitik originär keine kommunale, sondern eine staatliche Aufgabe ist, findet letztendlich das gesellschaftliche Leben konkret und alltäglich in den Kommunen statt. Hier kulminieren sowohl die Probleme als auch die Erfolge der Integration.