Betreff
Neuordnung der Grundsätze für die Hilfen zur Erziehung im Bereich der Vollzeitpflege
Vorlage
2007/JHA/016
Aktenzeichen
36
Art
Jugendhilfeausschuss

1.    Die in Anlage 2 dargelegte Leistungsbeschreibung der Projektgruppe wird im Bereich der Erziehungshilfe – Pflegekinderbetreuung – im Landkreis Nienburg/Weser ab 1.1.2008 verbindlich eingeführt;

2.    die in Anlage 3.dargelegten Entgeltsätze für die Betreuung von Pflegekindern auf Grundlage der jährlich aktualisierten Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge werden im Landkreis Nienburg/Weser ebenfalls ab 1.1.2008 verbindlich angewendet.

 


Das Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales  hat im Jahre 2002 gemeinsam mit der “Stiftung zum Wohl des Pflegekindes” eine wissenschaftlichen Untersuchung zu den Strukturen der Vollzeitpflege in Niedersachsen in Auftrag gegeben. Mit der 2003 abgeschlossenen Untersuchung hat Niedersachsen bundesweit eine Vorreiterrolle bei der Bewertung des Pflegekinderwesens übernommen. Die Ergebnisse ermöglichten einen guten Einblick in die vorherrschenden Strukturen der Jugendämter und die Erfahrungen der Pflegeeltern  in der Kooperation mit dem jeweils zuständigen örtlichen Jugendhilfeträger. Die Untersuchung zeigte, dass ein Veränderungsbedarf besteht, der zu einer Neustrukturierung und Vereinheitlichung der Arbeit im Pflegekinderwesen auf der Ebene der Jugendämter führen sollte.

 

Das Ministerium beauftragte 2005 die Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e.V. (GISS) in Bremen mit der Durchführung eines Praxisprojektes  zur Weiterentwicklung der Vollzeitpflege in Niedersachen. Um die Teilnahme an dem Praxisprojekt haben sich 11 Jugendämter beworben; folgende 4 Jugendämter wurden ausgewählt: Jugendamt der Stadt Celle, Jugendamt der Stadt Oldenburg, Jugendamt des Landkreises Wolfenbüttel und Jugendamt des Landkreises Nienburg/Weser.

Ziel ist, das Pflegekinderwesen zu qualifizieren, den Stellenwert der Vollzeitpflege im Rahmen der erzieherischen Hilfen zu stärken und ein breiteres Angebot an Pflegefamilien zu schaffen.

Daneben soll der Entwicklung gegengesteuert werden, dass hoch qualifizierte Pflegefamilienbewerber von so genannten “Erziehungsstellen” für ihre Betreuungsarbeit abgeworben werden und nicht mehr für die Pflegefamilienbetreuung des Jugendamtes zur Verfügung stehen. Bei Erziehungsstellen handelt es sich um Organisationsformen der Heimbetreuung, die die Erziehung von Kindern und Jugendlichen auf geeignete Familien mit entsprechender Qualifikation übertragen, mit entsprechend höheren Kosten.

 

Innerhalb des Praxisprojektes wird ein “Handbuch für das niedersächsische Pflegekinderwesen” entwickelt, welches voraussichtlich im Herbst 2008 fertig gestellt ist und künftig die Arbeitsgrundlage für alle Niedersächsischen Jugendämter bilden soll.

 

Bereits abgeschlossen sind die Arbeiten an Differenzierungsmodellen von Vollzeitpflege entsprechend dem § 33, Satz 2 SGB VIII (“Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen.”)

 

Bisherige Regelung:

 

Der Jugendhilfeausschuss hat in seiner Sitzung am 4.3.2004 auf den Inhalt  des § 33 Satz 2 SGB VIII reagiert und der Einführung weiterer Pflegeformen im Landkreis Nienburg/Weser zugestimmt. Schon jetzt wird seit dem in der Pflegekinderarbeit des hiesigen Jugendamtes zwischen - Vollzeitpflege, Sonderpflege, Sozialpädagogischer Pflege sowie Sozialpädagogischer Pflege mit Leistungsvereinbarung unterschieden. Damit einher ging die differenzierte Festsetzung der Pflegegelder, die aus Anlage 1. aktuell zu ersehen sind.

 

Über die Pauschalsätze hinaus werden jeweils auf Antrag der Pflegeeltern - “Zusätzliche Beihilfen”  (z. B. für Taufe, Konfirmation / Kommunion, Einschulung, Zuzahlung zur Brille etc.) gewährt.

 

Vorschlag zur Neuregelung:

 

Die Projektteilnehmer haben zur Differenzierung in der Vollzeitpflege ein neues Modell erarbeitet, welches weitgehend den bereits bestehenden Regelungen im hiesigen Jugendamt entspricht und als Leistungsangebotstypen

 

1.    die Allgemeine Vollzeitpflege

2.    die Sozialpädagogische Vollzeitpflege und

3.    die Sonderpädagogische Vollzeitpflege

 

vorsieht.

Die detaillierten Inhalte dieser Angebote sind aus Anlage 2.) zu dieser Vorlage zu entnehmen.

 

Die Arbeitgruppe hat ferner Vorschläge zur Entgeltgestaltung entwickelt, die auf die unterschiedlichen Anforderungen an die Pflegeelternarbeit abstellen. Die bisherigen “zusätzlichen Beihilfen” sind pauschaliert in die Leistungstabellen als Sonderbedarfe eingearbeitet. Ansatz dafür waren Aspekte der Verwaltungsvereinfachung. Die Höhe der finanziellen Leistungen an Pflegeeltern ist aus Anlage 3.) zu entnehmen.

 

Hintergrund der Differenzierungsmodelle ist die Bewertung,  dass sich über den weiteren Ausbau des Pflegekinderwesens  zwei sonst oft als “unversöhnlich” betrachtete jugendpolitische Ziele, nämlich die Verbindung von Effektivität und Effizienz, von Wirtschaftlichkeit und Qualität, besonders gut verbinden lassen. Mit den für die Familienerziehung spezifischen Strukturmerkmalen (wie z. B. Normalität als Modell, Dauerhaftigkeit  - oft über die Volljährigkeit hinaus, Alltagsbezug etc.) erweist sich die Vollzeitpflege für viele Kinder seit langem als ein der institutionellen Erziehung in Heimen gegenüber überlegenes und gleichzeitig kostengünstiges Modell.

 

Die erforderlichen Hilfen zur Erziehung außerhalb des Elternhauses nach dem SGB VIII wurden im Jugendamtes des Landkreises Nienburg/Weser bereits über viele Jahre unter dem Aspekt geprüft, die Betreuung des Kindes oder Jugendlichen tunlichst in einer Pflegefamilie sicher zu stellen. Die Anzahl der in Pflegefamilien betreuen Kinder ist seit Anfang 2004 mit 135 Kindern konstant geblieben. Allerdings haben sich die Anforderungen an die Pflegekinderbetreuung erheblich geändert. Kinder, die noch vor einigen Jahren in einer Pflegefamilie untergekommen sind, werden heute durch ambulante Maßnahmen in der Herkunftsfamilie begleitet; viele Kinder der früheren Heimbetreuung finden heute Aufnahme in der Pflegefamilie.

 

Der traditionell hohe Anteil von kleinen, “anhanglosen” Kindern, die in Pflegefamilien auf Dauer vermittelt wurden, wird gegenwärtig lediglich noch auf ca. 25 % geschätzt. Um die Integration auch älterer, entwicklungsverzögerter und verhaltensgestörter Kinder in Pflegefamilien leisten zu können, sowie die Bereitschaft von Pflegeeltern zu fördern, sich auch auf das familiäre Umfeld und das Herkunftsmilieu des Kindes einzulassen, wird  entsprechend häufig für Pflegepersonen eine spezifische, durch berufliche Vorbildung oder besondere Schulung erwartete Qualifikation  notwendig.

 

Um die Pflegekinderbetreuung im  Landkreis Nienburg/Weser künftig zu sichern und auszubauen, ist eine Neuordnung im Pflegekinderwesen erforderlich, mit dem Ziel, die Pflegeeltern im Landkreis neben der Qualifizierung, einer fachlichen Begleitung nunmehr auch angemessen zu honorieren.

Ferner ist erklärtes Ziel der Arbeitsgruppe, mit der Arbeitsgemeinschaft der Jugendämter in Niedersachsen und Bremen ein Votum aller Jugendämter zu erreichen und damit die Einheitlichkeit des Pflegekinderwesens in  Niedersachsen herzustellen.

 

Die Verwaltung des Jugendamtes hält es für zweckdienlich und erforderlich, zur Weiterentwicklung und Neuordnung der Pflegekinderrichtlinien Maßstäbe zu setzen und die erarbeiteten Grundsätze so zeitnah wie möglich anzuwenden.

 

Die Verwaltung des Jugendamtes schlägt deshalb vor, ab 1.1.2008 die von der Projektgruppe erarbeiteten Grundsätze zur Vollzeitpflege im Landkreis Nienburg/Weser verbindlich einzuführen; ferner wird vorgeschlagen, die Höhe der finanziellen Leistungen für die Pflegefamilien nach den erarbeiteten Richtsätzen zu bewilligen.

Eine Gegenüberstellung der Kosten der unterschiedlichen Betreuungsformen ist als Anlage 4 dieser Vorlage beigefügt.

 

Die Mehraufwendungen für die Umsetzung des Projektvorschlages belaufen sich im Landkreis Nienburg/Weser auf ca. 50.000,-- €.