Betreff
Bericht zu den aktuellen Entwicklungen in der Jugendhilfe im Landkreis Nienburg/Weser; Entwicklung im Fachbereich Jugend
Vorlage
2010/JHA/001
Art
Jugendhilfeausschuss

Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Bericht über die aktuellen Entwicklungen in der Jugendhilfe zur Kenntnis


a. Fachberatung Kindertagesstätten:

Die Fachberatung, Frau Daniela Krone, hat mittlerweile die Kontakte zu und die Arbeit mit den Kindertagesstätten deutlich ausbauen können.
Allein durch ihre Qualifikation zur „Insoweit erfahrenen Fachkraft“ nach § 8a SGB VIII im Bereich Kindeswohlgefährdung ist sie aufgrund sehr hoher Nachfrage inzwischen mehrmals die Woche in den Einrichtungen unterwegs, um beratend tätig zu werden. Darüber hinaus bildet sie die Kitas im Landkreis intensiv zum Thema Kindeswohlgefährdung weiter, unterstützt durch ihre gute Zusammenarbeit mit dem Land die Kommunen im Ausbau der Angebote. Sie erarbeitet – in enger Abstimmung mit dem FSB - einen Gesamtbetreuungsbedarfsplan für den Bereich der Altersgruppe 1-6 Jahre.
Hierzu findet in der Zeit vom 25.05. bis zu den Sommerferien die angekündigte kreisweite Betreuungsbedarfsabfrage in den Gemeinden statt, die eine belastbarere Planungsgrundlage für den Betreuungsbedarf und damit auch den -ausbau geben soll.
Sämtliche Kommunen sind hierbei mit einbezogen worden, werden als Unterstützung die entsprechende Datensätze liefern und nach Vorliegen der Ergebnisse im Herbst selbstverständlich in die Ergebnisbewertung mit einbezogen.
Der Bedarfsplan soll dann in den Folgejahren regelmäßig fortgeschrieben werden.
Zur neuen pädagogischen Leitung der kirchlichen Kindertagesstätten in Nienburg und Marklohe, Frau Göb, bestehen positive Kontakte, so dass sich für die Zukunft die Zusammenarbeit in zahlreichen Themenbereichen noch verbessern wird.

b. Betreuungsausbau:

Der Betreuungsausbau in den Gemeinden wird intensiv vom FSB in der Antragstellung begleitet. Es besteht ein guter Kontakt zum Land, sowohl im Bereich Tagespflege als auch Krippenausbau. Zahlreiche Änderungsverfahren zu den Anträgen als Reaktion auf die Entwicklung in den Gemeinden sind hierbei unterstützend zu begleiten, laufen allerdings in der Praxis aus Sicht des Fachbereichs problemfrei.
Die 20%-ige Beteiligung des Landkreises an den Investitionsmaßnahmen wird ab Juni „in Schwung“ kommen, vorher kann dies aus personellen Gründen nicht geleistet werden, da der Sachbearbeiter seinerzeit unmittelbar nach Dienstantritt gleich wieder in den Zivildienst gegangen war und für die Abarbeitung der Verfahren nicht zur Verfügung stand.
Bis Juni wird das FSB noch einmal die aktuelle Ausbauplanung der Kommunen und die damit verbundenen investiven Maßnahmen im Rahmen der RIK abfragen und zusammenstellen, um eine Planungsgrundlage für die Haushaltsmittel 2011 und Folgejahre zu erhalten, damit nicht jährlich investive Mittel in das Folgejahr übertragen werden müssen. Entscheidend für den endgültigen Mittelabfluss an die Kommunen ist aber auch die jeweilige Spitzabrechnung durch Verwendungsnachweis gegenüber dem Land und die Bestandskraft der Förderbescheide, die dann letztlich die Basis für den Investitionszuschuss des Landkreises darstellen.
Zu rechnen ist mit zunehmenden Renovierungs- und Umbaumaßnahmen, aber auch Schließungen, Verlegungen oder Zusammenlegungen ganzer Einrichtungen im Bereich der bereits vorhandenen Regelplätze, da das Angebot neben der demografischen Entwicklung auch dem regionalen Bedarf anzupassen sein wird.
Der Fachbereich wird sich hier durch intensive Ansprache der Gemeinden informieren, um rechtzeitig für den Haushalt planen zu können.
Im Bereich der Tagespflege ist die Fallzahlentwicklung permanent steigend. Die kreisweite Bedarfsanalyse wird sicherlich einen wesentlichen Beitrag für die regionale und quantitative Aufstellung liefern und Grundlage für die weitere Ausbauplanung darstellen.

c. Familienfreundlichkeit:

Das bisherige Konzept mit seinen Vorgaben und Zielsetzungen hat sich nach Ansicht des Fachbereichs bewährt. Die Zusammenarbeit mit den Kommunen ist gut und drückt sich in zahlreichen erfolgreichen gemeinsamen Aktivitäten (z.B. Aktionswoche Tagespflege), aber auch täglichem unkomplizierten Austausch aus.
Schon heute sei im Hinblick auf den Haushalt 2011 darauf hingewiesen, dass nach Auslauf des Förderprogramms „Familie mit Zukunft“ die gesamte Finanzierung der Ausrichtung an der strategischen Zielsetzung Familienfreundlichkeit zu Lasten des Kreishaushalts geht.

d. Jugendschutz

Der Fachdienst Jugendarbeit und Sport unter Herrn Borck hat in den vergangenen Monaten die Aktivitäten im Jugendschutz deutlich erhöht.
„Bleifrei“-Aktionen in Stolzenau und Möhlenhalenbeck sind erfolgreich angenommen worden und werden fortgeführt. In enger Abstimmung mit der Polizei laufen Vorbereitungen im Hinblick auf Großveranstaltungen (Himmelfahrt, Abi-Feten, Altstadtfest) in die auch die Kräfte des ASD mit einbezogen werden.
Weitere Themen sind Präventionswochen Sucht, Workshops „Alkohölle“ mit Schulen und die Zusammenarbeit mit Präventionsräten in unterschiedlichen Gemeinden.
Die Beratung verschiedener Veranstalter von Großveranstaltungen gehört schon heute zur Selbstverständlichkeit und wird regelmäßig begrüßt, teils sogar angefragt.
Weiter stehen auf der Agenda die Abstimmung des Jugendschutzes mit Nachbarlandkreisen und die Verbesserung der Abstimmung mit den Gemeinden im Bereich der Gestattungen nach dem Gaststättengesetz.
Insgesamt unterliegt das Konzept Jugendschutz der Überarbeitung und wird voraussichtlich noch in diesem Jahr dem Ausschuss vorgestellt werden.

e. Hilfen zur Erziehung (HzE):

Die Tendenz der Vorjahre setzt sich fort. Derzeit werden über die Wirtschaftliche Jugendhilfe rund 960 Zahlfälle bearbeitet. Allein die Zahl der größeren Fachteamsitzungen, in denen über Art und Umfang der (kostenintensiveren) Hilfen zu entscheiden war, ist von 2008 mit 74 auf 110 in 2009 gestiegen.
Erhöhte Fallzahlen sind zu verzeichnen bei der gemeinsamen Unterbringung von Müttern und Vätern mit ihren Kindern. Hier macht sich wieder einmal der im Vergleich zu anderen Kreisen überproportionale Anteil Alleinerziehender bemerkbar. Hierzu wurde im Rahmen der Kooperationsvereinbarung mit der ARGE vereinbart, ein besonderes Projekt für diese Zielgruppe zu erarbeiten, das den zumeist jungen Müttern eine Perspektive hinsichtlich der Teilhabe am Arbeitsmarkt und damit auch am gesellschaftlichen Leben eröffnen soll. Insbesondere darauf abgestellte Betreuungs- und Unterstützungsangebote werden hierfür zu erarbeiten sein.
Auch die Fallzahlen der stationären Unterbringung in Heimen und die Hilfen an junge Volljährige sind gestiegen. Die Ursachen – insbesondere zur stationären Unterbringung – sind in den vorangegangenen Berichten bereits dargestellt worden.
Sowohl der ASD als auch der PKD arbeiten derzeit intensiv im Rahmen einer Geschäftsprozessoptimierung, begleitet durch die Firma GEBIT, Münster.
Im Fokus hierbei sind die Verfahrensabläufe der Gewährung der HzE im Jugendamt und die Erarbeitung und Vereinbarung gemeinsamer Fachstandards. Daran anschließen wird sich die statistische Aufbereitung der Fachdaten und die regelmäßige Auswertung der Fachdaten, um über den Verlauf und die Entwicklung der Hilfen eine Grundlage für Planung und Controlling zu bekommen.
Projektverantwortlich ist hierfür die Controllerin, Frau Valeria Niessen, ASD, die die Ergebnisse gemeinsam mit den beteiligten Diensten und der GEBIT im Herbst vorstellen wird.
Ein weiteres Projekt im Rahmen der IBN ist die Erarbeitung standardisierter Empfehlungen zu § 35a SGB VIII (seelische Behinderung). Hierzu haben sich neun Jugendämter in Niedersachsen zusammengeschlossen, um im Rahmen der gesetzlichen Parameter von der Falleingangssteuerung bis hin zur Feststellung der Teilhabebeeinträchtigung und der Hilfeplanung Empfehlungen zu erarbeiten, die dann nach Erprobung in den beteiligten Jugendämtern den übrigen Jugendämtern der IBN zur Verfügung gestellt werden sollen.
Dieses Projekt wird von Frau Dehmel und für die Zukunft auch von Frau Tannahill als der neuen Leitung des Fachdienstes Beratungsstellen begleitet. Die Ergebnisse werden voraussichtlich im Rahmen eines landesweiten Fachtages im Juni 2011 vorgestellt. Entsprechende Informationen werden rechtzeitig erfolgen.

Die in der jüngeren Vergangenheit verstärkte mediale Berichterstattung über die Arbeitsweise der Jugendämter zieht sich mittlerweile hin bis auf unterschiedliche Websites im Internet.
Die steigende Anzahl von Inobhutnahmen – auch durch das Nienburger Jugendamt – wird in Einzelfällen stark kritisiert und sich über entweder zu restriktive und zu übervorsichtige oder zu zögerlich handelnde Akteure der Sozialarbeit beschwert.
Dies geht hin bis zu konkreten Auseinandersetzungen mit Anwälten, die im Auftrag ihrer Mandanten die Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit jugendamtlichen Handelns in Frage stellen. Dies bindet immense administrative Kapazitäten und verschafft den Dokumentationen im Fallkontext eine völlig neue Dimension, die nicht nur zeitlich, sondern auch psychisch zu weiteren Belastungen führt. Anhängig sind bzw. waren in diesem Jahr bereits drei Vorgänge, die in einem der Fälle z. B. als Strafverfahren gegen den Sachbearbeiter mit dem Vorwurf der Kindesentziehung, in den anderen Fällen mit dem Thema Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit geführt werden.

Das Bild der Öffentlichkeit, das sich zunehmend wandelt hin zur Annahme, dass von der Einrichtung Jugendamt eine „Gefahr“ ausgeht und sich von diesem abwendet als einer Einrichtung, die im Falle der Hilfsbedürftigkeit mit Beratung, Unterstützung und konkreten Hilfen bereitsteht, erschwert immer mehr den Zugang zu den Familien und damit den Einsatz und die Wirkung von Hilfen. Dem tritt der Fachbereich 36 mit zahlreichen positiven öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten des FSB, der Kita-Fachberatung, der Beratungsstellen und einer vermehrten Pressearbeit entgegen.
Daneben haben auch Problemfälle wie z.B. Zwangsheiten/Zwangsehen den Landkreis nicht verschont. Der Umgang und der Zugang mit/zu Eltern und deren Kindern gestaltet sich aufgrund der kulturellen Unterschiede, aber auch des hohen Gefahrenpotentials (im Vorfeld stehen oftmals innerfamiliäre Straftaten, wie z.B. schwere Körperverletzung, Freiheitsberaubung) sehr schwierig. Bereits zwei junge Frauen waren in einer Schutzstelle vorübergehend unterzubringen und durch intensive Elternarbeit in Verbindung mit Sprach- und Integrationslotsen zu begleiten, um die Rückführung in die Familie zu ermöglichen. Eine enge Kooperation mit der Polizei geht damit zwangsläufig einher.
Allein die zeitlichen Kapazitäten, die ein solcher Fall bindet, sprengen jedes bisher gewohnte Maß der Arbeit mit und in Familien.

Über die Auswirkungen der Reformen des familiengerichtlichen Verfahrens, die das Jugendamt seit September 2009 in zahlreichen Bereichen zu spüren bekommt, wird in einer der nächsten Sitzungen berichtet werden.
Ebenso zu den Erkenntnissen/Notwendigkeiten, die sich aus dem seit dem 01.04.2010 geltenden Niedersächsischen Kinderschutzgesetz ergeben.
Für beide Bereiche liegen noch nicht ausreichend belastbare Daten und Erfahrungen vor.