Betreff
Umsetzung der europäischen Richtlinie zu Fauna-Flora-Habitat-Gebieten/Natura 2000: FFH-Gebiet 289 "Teichfledermausgewässer in der Nienburger Marsch";
hier: Entscheidung über die weitere Vorgehensweise zur Ausweisung des Landschaftsschutzgebiets "Teichfledermaus-Gewässer in der Nienburger Marsch" (LSG NI 63) in der Stadt Nienburg und der Samtgemeinde Marklohe
Vorlage
2016/047
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Das begonnene Verfahren zur hoheitlichern Sicherung der Teilgebiete „Düsterer See“, „Nienburger Gruben“, „Haaken Werder“, „Die Rolle“ und „Altes Rott“ durch Ausweisung des Landschaftsschutzgebiets „Teichfledermaus-Gewässer in der Nienburger Marsch“ (LSG-N- 63) in der Stadt Nienburg und der Samtgemeinde Marklohe wird fortgeführt.

 

Alternativ (weitreichender):

Das begonnene Verfahren zur hoheitlichen Sicherung der Teilgebiete „Haaken Werder“, „Die Rolle“ und „Altes Rott“ durch Ausweisung des Landschaftsschutzgebiets „Teichfledermaus-Gewässer in der Nienburger Marsch“ (LSG-NI-63) in der Stadt Nienburg wird fortgeführt. Die hoheitliche Sicherung der Teilgebiete „Nienburger Gruben“ und „Düsterer See“ in der Stadt Nienburg und der Samtgemeinde Marklohe erfolgt durch ein neu einzuleitendes Verfahren als Naturschutzgebiet. In dieses geplante Naturschutzgebiet werden dann die sogenannten „Storchenteiche" in der Stadt Nienburg wegen ihrer naturschutzfachlichen Wertigkeit zusätzlich mit aufgenommen.

 


Sachverhalt

Das Nds. Umweltministerium und der Nds. Landkreistag haben im Juli 2014 eine politische Zielvereinbarung zum zeitnahen Abschluss der Ausweisung der Natura 2000-Schutzgebietskulisse in Niedersachsen abgeschlossen.

Vereinbart wurde das Ziel, schnellstmöglich die fachlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die noch ausstehenden naturschutzrechtlichen Sicherungsverfahren zur Verfügung zu stellen und offene Fragen der Zusammenarbeit zwischen Landesbehörden und den Landkreisen als für die Ausweisung der Schutzgebiete zuständigen Naturschutzbehörden zu klären. Die hoheitliche Sicherung aller niedersächsischen FFH-Gebiete muss bis 2018 abgeschlossen sein.

Staatssekretärin Almut Kottwitz vom MU hat die zuständigen Naturschutzbehörden mit Erlass vom 03.06.2014 zur abschließenden Umsetzung bis 2018 angewiesen.

Natura 2000-Gebiete werden durch Ausweisung als Natur- oder Landschafts-schutzgebiet hoheitlich gesichert.

Die Voraussetzungen der verschiedenen Schutzgebietskategorien sind nicht immer derart scharf voneinander abgrenzbar, dass stets nur eine einzige in Betracht kommt.
Die Behörde muss sich nach pflichtgemäßem Ermessen für eine Schutzkategorie entscheiden.
Je höher die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit ist, desto strenger muss das Schutzregime ausgestaltet werden. Erfordert ein Gebiet etwa ein striktes Veränderungs- sowie die Festsetzung eines allgemeinen Störungs- und Beeinträchtigungsverbot, so kommt vor allem die Unterschutzstellung als Naturschutzgebiet in Betracht.

Wenn dieser Schutzbedürftigkeit mit einer Ergänzung des abgeschwächten Störungs- und Verschlechterungsverbots durch nähere, spezifische Ge- und Verbote Genüge getan werden kann, kommt eine Sicherung durch Festsetzung als Landschaftsschutzgebiet in Betracht.

Des Weiteren ist zu beachten, dass sich die gesetzliche Grundlage für die Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten mit dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) im Jahr 2010 geändert hat. Hier wurde gegenüber dem bis dahin geltenden Niedersächsischen Naturschutzgesetz (NNatG) auch der Schutz von Lebensstätten und Lebensräumen bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten als Grund für die Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten neu aufgenommen.

Die Auswahl zwischen den Schutzgebietskategorien für die Sicherung von Natura-2000 Gebieten liegt grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Naturschutzbehörde. Dabei ist – dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgend – das mildeste, geeignete Mittel auszuwählen (Drucksache Nr. 17/872 Nieders. Landtag, 24.10.2013 „Umsetzung von Natura 2000 in Niedersachsen“).

 

Das geplante Landschaftsschutzgebiet (LSG) „Teichfledermausgewässer in der Nienburger Marsch“ besteht aus den fünf einzelnen Teilgebieten „Haaken Werder“, Düsterer See“, „Die Rolle“, „Nienburger Gruben“ und „Altes Rott“. Die Bereiche „Haaken Werder“ und „Düsterer See“ liegen bereits im LSG „Wesermarsch“. Aufgrund der räumlichen Nähe der übrigen drei FFH-Teilbereiche („Die Rolle“, „Nienburger Gruben“ und „Altes Rott“) und der fachlichen Einschätzung, dass ein hinreichender Schutz durch spezifische Ge- und Verbote zur Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der Art Teichfledermaus sowie des Lebensraumtyps 3150 (Natürliche und naturnahe nährstoffreiche Stillgewässer mit Laichkraut- oder Froschbiss-Gesellschaften) erreicht werden kann, wurde das mildeste Mittel „Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet“ gewählt. Nicht zuletzt auch, weil der Schutz von Lebensstätten und Lebensräumen bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten seit 2010 über eine LSG-VO erfolgen kann.

Dieser Einschätzung folgte auch der ALNU nach intensiver Beratung im November 2015 mit dem Beschluss, das Auslegungs- und Beteiligungsverfahren einzuleiten (siehe  Beschlussvorlage 2015-261).

Noch vor dieser Beschlussfassung durch den ALNU wurden persönliche Vorgespräche mit der Stadtverwaltung Nienburg/Weser, der Weserfischerei Dobberschütz, dem Anglerverein Nienburg, dem Fischereiverein Sarninghausen und dem Eigentümer des Teilgebietes „Altes Rott“ geführt. Dem Amt für regionale Landesentwicklung Leine-Weser (Domänenverwaltung) wurde als weiterer großer Flächeneigentümer vorab ein LSG-Verordnungsentwurf geschickt und es erfolgte ein schriftlicher Austausch. In diesen Abstimmungen wurde von keiner der beteiligten Stellen die Forderung nach Ausweisung eines Naturschutzgebietes erhoben.

Eine Vorabstimmung mit den örtlichen Naturschutzvereinigungen NABU und BUND hatte jedoch nicht stattgefunden. Dieses wurde in der ALNU-Sitzung im November 2015 kritisiert. Für zukünftige weitere Verfahren ist diese eingeforderte Vorabbeteiligung vereinbart worden.

Im Rahmen des Auslegungsverfahrens gingen insgesamt 23 Stellungnahmen ein. Hiervon enthalten die Stellungnahmen des BUND, des NABU und der Stadt Nienburg/Weser (neu!) als Mindestforderung, die Teilgebiete „Düsterer See“, „Nienburger Gruben“ und „Altes Rott“ als Naturschutzgebiet auszuweisen. Für das Teilgebiet „Düsterer See“ wird gefordert, den Seegraben vom Auslauf bis zum NSG „Lemker Marsch“ in das geplante NSG aufzunehmen (NABU, BUND). Des Weiteren soll dieses Naturschutzgebiet um die so genannten „Storchenteiche“ (NABU, BUND, Stadt Nienburg) mit angrenzenden naturschutzfachlich hochwertigen Flächen (BUND) erweitert werden.

Als Gründe für die NSG-Ausweisung wird die hohe naturschutzfachlichen Wertigkeit z.B. durch das Vorhandensein gesetzlich geschützter Biotope (§ 30 BNatSchG), die Darstellung als Vorranggebiete für Natur und Landschaft im RROP („Düsterer See“ und „Nienburger Gruben“) und das Vorkommen seltener Tierarten, wie z.B. des Fischotters, sehr seltener Libellenarten („Düsterer See“) und des Eisvogels („Nienburger Gruben“, „Düsterer See“, „Storchenteiche“) aufgeführt. Die sehr hohe Bedeutung für Arten und Lebensgemeinschaften ist auch im Landschaftsplan der Stadt Nienburg/Weser für die Teilgebiete „Düsterer See“, „Nienburger Gruben“, „Haaken Werder“ und „Storchenteiche“ dargestellt.

In der Stellungnahme der Stadt Nienburg wird ebenfalls auf die ökologische Wertigkeit der Teilgebiete „Nienburger Gruben“, „Düsterer See“, „Altes Rott“ sowie der „Storchenteiche“ hingewiesen. An den „Nienburger Gruben“ hat die Stadt z.B. eine Steilwand geschaffen, an der schon ein Bruterfolg des Eisvogels nachgewiesen wurde. Weitere Maßnahmen sind hier seitens der Stadt denkbar.

Die UNB folgt der Einschätzung, dass die fachliche Wertigkeit für die Teilgebiete „Düsterer See“, „Nienburger Gruben“ und „Storchenteiche“ zum NSG gegeben ist. Eine Ausweisung als NSG würde den Zielen des Bundesnaturschutzgesetzes, des Landschaftsrahmenplans und des Flächennutzungsplans der Stadt Nienburg folgen. Über die Pflichtaufgabe „Sicherung von Natura-2000-Gebieten“ hinaus würde dann die Gesamtlebensgemeinschaft größerer Seen und von Altarmen besser geschützt und deren Entwicklung unterstützt werden.

Mit der Forderung einer NSG-Ausweisung für die oben genannten Teilgebiete sind Forderungen nach weiteren Nutzungseinschränkungen verbunden (NABU, BUND). Diese sind differenziert für die Teilgebiete dargestellt (NABU) und enthalten u.a. ein allgemeines Betretungsverbot, weitergehende Einschränkungen der Angelnutzung, keine Jagd mit Totschlagfallen, keine Jagd auf Federwild und keine Reusenfischerei („Düsterer See“, „Nienburger Gruben“). Die Stadt Nienburg möchte hingegen im Falle einer Unterschutzstellung als Naturschutzgebiet folgende Nutzungen weiterhin ermöglichen: die ordnungsgemäße Jagd, die berufsmäßige Fischerei, das Angeln, die ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bodennutzung (wie bisher praktiziert).

Auch für die Gebiete, für die eine LSG-Ausweisung toleriert würde („Die Rolle“, „Haaken Werder“) sind gebietsspezifisch weiterreichende Einschränkungen in der Stellungnahme des NABU gefordert, die sich auch auf die fischereiliche Nutzung beziehen. Hier wird die Freistellung der Anlage von Angelplätzen im 100m-Abstand generell kritisiert („Freistellung § 5 k ist zu streichen“), kein Angeln vom Boot aus, keine Reusenfischerei. Des Weiteren soll auch die Jagd, wie oben für NSG-Ausweisung beschrieben, eingeschränkt werden. An der Rolle wird vorgeschlagen, das Surfen in der SW-Bucht zu verbieten.

Es sei an dieser Stelle schon darauf hingewiesen, dass mit den Stellungnahmen im Rahmen des Auslegungs- und Beteiligungsverfahrens auch gegensätzliche Forderungen bei der unteren Naturschutzbehörde eingegangen sind.

So fordern z.B. die Landwirtschaftskammer und ein Berufsfischer die Freistellung der ordnungsgemäßen berufsfischereilichen Nutzung ohne jegliche Einschränkung für die ganze Schutzfläche im Planungsgebiet. Es soll erlaubt werden, Maßnahmen nach der niedersächsischen Kormoranverordnung durchzuführen.

Des Weiteren wird die Einschränkung der Angelnutzung durch „gesperrte Bereiche“ und durch den vorgegebenen Abstand der Angelplätze (100 m) kritisiert. Es wird im Gegensatz gefordert, die angelfischereiliche Nutzung – analog zur Jagd – von den allgemeinen Verboten der Verordnung freizustellen (Landessportfischerverband Niedersachsen e.V.).

Die Einschränkung der Jagd, sowie das Verbot, das Gebiet nicht außerhalb von Wegen zu betreten, kann nur über eine Naturschutzgebietsverordnung geregelt werden.

Der Kormoran ist generell in einem Natura 2000-Gebiet (LSG und NSG) durch die Kormoranverordnung geschützt. Ausnahmen und Befreiungen von den Verboten der Kormoranverordnung sind im Einzelfall auf Antrag möglich.

Somit wird grundsätzlich zwischen unterschiedlichen Nutzungsansprüchen und Interessensvertretern abzuwägen sein.

Die untere Naturschutzbehörde ist aus den anfangs dargestellten Gründen bei Beschränkung auf die Umsetzung der FFH-Richtlinie nach wie vor der Meinung, dass die Sicherung der Teilgebiete des FFH-Gebietes 289 „Teichfledermausgewässer im Raum Nienburg“ durch eine LSG-Verordnung sinnvoll und ausreichend ist.

Sie könnte aber bei einer entsprechenden Beschlussfassung durch den ALNU für die Gebiete „Düsterer See“ und „Nienburger Gruben“ ein Naturschutzgebiet auszuweisen, fachlich folgen. Dann wäre auch eine Ergänzung um eine noch genau zu definierende Fläche der „Storchteiche“ sinnvoll.

Einer Ausweisung des Teilgebietes „Altes Rott“ als NSG kann hingegen nicht gefolgt werden. Die Fläche ist auf der Basis der vorkommenden Pflanzenarten und der Strukturen gesetzlich geschützter Biotop nach § 30 BNatSchG und ist hiermit unmittelbar gesetzlich geschützt. Eine hohe faunistische Wertigkeit kann auf der Basis vorhandener Strukturen nur vermutet werden. Es wird derzeit nicht gesehen, dass die Schutzwürdigkeit des Gebietes die Festsetzung eines allgemeinen Störungs- und Beeinträchtigungsverbots und damit eine Ausweisung als NSG erfordert. Aus vorliegenden Planungen (LRP, RROP, Landschaftsplan Stadt Nienburg/Weser) ist eine besondere naturschutzfachliche Wertigkeit nicht ableitbar.

Sollte der Ausschuss beschließen, die Bereiche „Nienburger Gruben“, “Düsterer See“ und „Storchenteiche“ als NSG auszuweisen, müsste für diese Teilgebiete ein komplett neues Verfahren eingeleitet werden. Das LSG-Verfahren für die Bereiche „Die Rolle“. „Haaken Werder“ und „Altes Rott“ könnte wie geplant zu Ende geführt werden. Durch das alleinige Herauslösen der zwei Bereiche „Nienburger Gruben“ und „Düsterer See“ entsteht für die übrigen betroffenen Bereiche keine grundlegende Änderung.

Ergänzend wird noch einmal darauf hingewiesen, dass die untere Naturschutzbehörde derzeit eine Vielzahl von Schutzgebietsausweisungen durchführen muss, um dem Erlass entsprechend bis Ende 2018 die Sicherung der Natura-2000 Gebiete im Landkreis Nienburg abschließen zu können.

Eine Aufspaltung der Ausweisung des Teilgebietes „Teichfledermaus-Gewässer in der Nienburger Marsch“ in ein LSG- und ein NSG-Verfahren wird aufgrund der einzuhaltenden Verfahrensschritte zu einem Mehraufwand und zu einer Verschiebung von mindestens einem halben Jahr bei diesem Gebiet führen. Nach aktuellem Stand wäre hierdurch das Ziel Abschluss aller Sicherungsverfahren für die Natura 2000-Gebiete bis Ende 2018 aber noch nicht gefährdet.


Anlagen:

 

Anlage 1:   Stellungnahme Stadt Nienburg/Weser

Anlage 2:   Stellungnahme NABU

Anlage 3:   Stellungnahme BUND

Anlage 4:   Stellungnahme Landwirtschaftskammer Niedersachsen

Anlage 5:   Stellungnahme Landessportfischerverband e.V.

Anlage 6:   Stellungnahme Anglerverein Nienburg e.V.