hier: Entscheidung über die weitere Vorgehensweise zur Ausweisung des Landschaftsschutzgebiets "Teichfledermaus-Gewässer in der Nienburger Marsch" (LSG NI 63) in der Stadt Nienburg und der Samtgemeinde Marklohe
Beschlussvorschlag:
Alternativ
(weitreichender):
Das
begonnene Verfahren zur hoheitlichen Sicherung der Teilgebiete „Haaken Werder“,
„Die Rolle“ und „Altes Rott“ durch Ausweisung des Landschaftsschutzgebiets
„Teichfledermaus-Gewässer in der Nienburger Marsch“ (LSG-NI-63) in der Stadt Nienburg
wird fortgeführt. Die hoheitliche Sicherung der Teilgebiete „Nienburger Gruben“
und „Düsterer See“ in der Stadt Nienburg und der Samtgemeinde Marklohe erfolgt
durch ein neu einzuleitendes Verfahren als Naturschutzgebiet. In dieses geplante
Naturschutzgebiet werden dann die sogenannten „Storchenteiche" in der
Stadt Nienburg wegen ihrer naturschutzfachlichen Wertigkeit zusätzlich mit
aufgenommen.
Sachverhalt
Das Nds. Umweltministerium und der Nds.
Landkreistag haben im Juli 2014 eine politische Zielvereinbarung zum zeitnahen
Abschluss der Ausweisung der Natura 2000-Schutzgebietskulisse in Niedersachsen
abgeschlossen.
Vereinbart wurde das Ziel, schnellstmöglich
die fachlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die noch ausstehenden
naturschutzrechtlichen Sicherungsverfahren zur Verfügung zu stellen und offene
Fragen der Zusammenarbeit zwischen Landesbehörden und den Landkreisen als für
die Ausweisung der Schutzgebiete zuständigen Naturschutzbehörden zu klären. Die
hoheitliche Sicherung aller niedersächsischen FFH-Gebiete muss bis 2018
abgeschlossen sein.
Staatssekretärin Almut Kottwitz vom MU hat
die zuständigen Naturschutzbehörden mit Erlass vom 03.06.2014 zur
abschließenden Umsetzung bis 2018 angewiesen.
Natura 2000-Gebiete werden durch Ausweisung
als Natur- oder Landschafts-schutzgebiet hoheitlich gesichert.
Die Voraussetzungen der verschiedenen
Schutzgebietskategorien sind nicht immer derart scharf voneinander abgrenzbar, dass
stets nur eine einzige in Betracht kommt.
Die Behörde muss sich nach pflichtgemäßem Ermessen für eine Schutzkategorie
entscheiden.
Je höher die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit ist, desto strenger muss
das Schutzregime ausgestaltet werden. Erfordert ein Gebiet etwa ein striktes
Veränderungs- sowie die Festsetzung eines allgemeinen Störungs- und
Beeinträchtigungsverbot, so kommt vor allem die Unterschutzstellung als
Naturschutzgebiet in Betracht.
Wenn dieser Schutzbedürftigkeit mit einer
Ergänzung des abgeschwächten Störungs- und Verschlechterungsverbots durch
nähere, spezifische Ge- und Verbote Genüge getan werden kann, kommt eine
Sicherung durch Festsetzung als Landschaftsschutzgebiet in Betracht.
Des Weiteren ist zu beachten, dass sich die
gesetzliche Grundlage für die Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten mit dem
Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) im Jahr 2010 geändert hat. Hier wurde
gegenüber dem bis dahin geltenden Niedersächsischen Naturschutzgesetz (NNatG)
auch der Schutz von Lebensstätten und Lebensräumen bestimmter wild lebender
Tier- und Pflanzenarten als Grund für die Ausweisung von
Landschaftsschutzgebieten neu aufgenommen.
Die Auswahl zwischen den
Schutzgebietskategorien für die Sicherung von Natura-2000 Gebieten liegt grundsätzlich
im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Naturschutzbehörde. Dabei ist –
dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgend – das mildeste, geeignete Mittel
auszuwählen (Drucksache Nr. 17/872 Nieders. Landtag, 24.10.2013 „Umsetzung
von Natura 2000 in Niedersachsen“).
Das geplante Landschaftsschutzgebiet (LSG)
„Teichfledermausgewässer in der Nienburger Marsch“ besteht aus den fünf
einzelnen Teilgebieten „Haaken Werder“, Düsterer See“, „Die Rolle“, „Nienburger
Gruben“ und „Altes Rott“. Die Bereiche „Haaken Werder“ und „Düsterer See“
liegen bereits im LSG „Wesermarsch“. Aufgrund der räumlichen Nähe der
übrigen drei FFH-Teilbereiche („Die Rolle“, „Nienburger Gruben“ und „Altes
Rott“) und der fachlichen Einschätzung, dass ein hinreichender Schutz durch
spezifische Ge- und Verbote zur Erhaltung oder Wiederherstellung eines
günstigen Erhaltungszustandes der Art Teichfledermaus sowie des Lebensraumtyps
3150 (Natürliche und naturnahe nährstoffreiche Stillgewässer mit Laichkraut-
oder Froschbiss-Gesellschaften) erreicht werden kann, wurde
das mildeste Mittel „Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet“ gewählt. Nicht
zuletzt auch, weil der Schutz von Lebensstätten und Lebensräumen bestimmter
wild lebender Tier- und Pflanzenarten seit 2010 über eine LSG-VO erfolgen kann.
Dieser Einschätzung folgte auch der ALNU nach
intensiver Beratung im November 2015 mit dem Beschluss, das Auslegungs- und
Beteiligungsverfahren einzuleiten (siehe
Beschlussvorlage 2015-261).
Noch vor dieser Beschlussfassung durch den
ALNU wurden persönliche Vorgespräche mit der Stadtverwaltung Nienburg/Weser,
der Weserfischerei Dobberschütz, dem Anglerverein Nienburg, dem Fischereiverein
Sarninghausen und dem Eigentümer des Teilgebietes „Altes Rott“ geführt. Dem Amt
für regionale Landesentwicklung Leine-Weser (Domänenverwaltung) wurde als
weiterer großer Flächeneigentümer vorab ein LSG-Verordnungsentwurf geschickt
und es erfolgte ein schriftlicher Austausch. In diesen Abstimmungen wurde von keiner
der beteiligten Stellen die Forderung nach Ausweisung eines Naturschutzgebietes
erhoben.
Eine Vorabstimmung mit den örtlichen
Naturschutzvereinigungen NABU und BUND hatte jedoch nicht stattgefunden. Dieses
wurde in der ALNU-Sitzung im November 2015 kritisiert. Für zukünftige weitere
Verfahren ist diese eingeforderte Vorabbeteiligung vereinbart worden.
Im Rahmen des Auslegungsverfahrens gingen
insgesamt 23 Stellungnahmen ein. Hiervon enthalten die Stellungnahmen des BUND,
des NABU und der Stadt Nienburg/Weser (neu!) als Mindestforderung, die
Teilgebiete „Düsterer See“, „Nienburger Gruben“ und „Altes Rott“ als
Naturschutzgebiet auszuweisen. Für das Teilgebiet „Düsterer See“ wird
gefordert, den Seegraben vom Auslauf bis zum NSG „Lemker Marsch“ in das
geplante NSG aufzunehmen (NABU, BUND). Des Weiteren soll dieses Naturschutzgebiet
um die so genannten „Storchenteiche“ (NABU, BUND, Stadt Nienburg) mit
angrenzenden naturschutzfachlich hochwertigen Flächen (BUND) erweitert werden.
Als Gründe für die NSG-Ausweisung wird die
hohe naturschutzfachlichen Wertigkeit z.B. durch das Vorhandensein gesetzlich
geschützter Biotope (§ 30 BNatSchG), die Darstellung als Vorranggebiete für
Natur und Landschaft im RROP („Düsterer See“ und „Nienburger Gruben“) und das
Vorkommen seltener Tierarten, wie z.B. des Fischotters, sehr seltener Libellenarten
(„Düsterer See“) und des Eisvogels („Nienburger Gruben“, „Düsterer See“,
„Storchenteiche“) aufgeführt. Die sehr hohe Bedeutung für Arten und
Lebensgemeinschaften ist auch im Landschaftsplan der Stadt Nienburg/Weser für
die Teilgebiete „Düsterer See“, „Nienburger Gruben“, „Haaken Werder“ und
„Storchenteiche“ dargestellt.
In der Stellungnahme der Stadt Nienburg wird
ebenfalls auf die ökologische Wertigkeit der Teilgebiete „Nienburger Gruben“,
„Düsterer See“, „Altes Rott“ sowie der „Storchenteiche“ hingewiesen. An den
„Nienburger Gruben“ hat die Stadt z.B. eine Steilwand geschaffen, an der schon
ein Bruterfolg des Eisvogels nachgewiesen wurde. Weitere Maßnahmen sind hier
seitens der Stadt denkbar.
Die UNB folgt der Einschätzung, dass die
fachliche Wertigkeit für die Teilgebiete „Düsterer See“, „Nienburger Gruben“
und „Storchenteiche“ zum NSG gegeben ist. Eine Ausweisung als NSG würde den
Zielen des Bundesnaturschutzgesetzes, des Landschaftsrahmenplans und des
Flächennutzungsplans der Stadt Nienburg folgen. Über die Pflichtaufgabe
„Sicherung von Natura-2000-Gebieten“ hinaus würde dann die
Gesamtlebensgemeinschaft größerer Seen und von Altarmen besser geschützt und
deren Entwicklung unterstützt werden.
Mit der Forderung einer NSG-Ausweisung für
die oben genannten Teilgebiete sind Forderungen nach weiteren
Nutzungseinschränkungen verbunden (NABU, BUND). Diese sind differenziert für
die Teilgebiete dargestellt (NABU) und enthalten u.a. ein allgemeines
Betretungsverbot, weitergehende Einschränkungen der Angelnutzung, keine Jagd
mit Totschlagfallen, keine Jagd auf Federwild und keine Reusenfischerei
(„Düsterer See“, „Nienburger Gruben“). Die Stadt Nienburg möchte hingegen im
Falle einer Unterschutzstellung als Naturschutzgebiet folgende Nutzungen
weiterhin ermöglichen: die ordnungsgemäße Jagd, die berufsmäßige Fischerei, das
Angeln, die ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bodennutzung (wie bisher
praktiziert).
Auch für die Gebiete, für die eine
LSG-Ausweisung toleriert würde („Die Rolle“, „Haaken Werder“) sind gebietsspezifisch
weiterreichende Einschränkungen in der Stellungnahme des NABU gefordert, die
sich auch auf die fischereiliche Nutzung beziehen. Hier wird die Freistellung
der Anlage von Angelplätzen im 100m-Abstand generell kritisiert („Freistellung
§ 5 k ist zu streichen“), kein Angeln vom Boot aus, keine Reusenfischerei. Des
Weiteren soll auch die Jagd, wie oben für NSG-Ausweisung beschrieben,
eingeschränkt werden. An der Rolle wird vorgeschlagen, das Surfen in der
SW-Bucht zu verbieten.
Es sei an dieser Stelle schon darauf
hingewiesen, dass mit den Stellungnahmen im Rahmen des Auslegungs- und
Beteiligungsverfahrens auch gegensätzliche Forderungen bei der unteren
Naturschutzbehörde eingegangen sind.
So fordern z.B. die Landwirtschaftskammer und
ein Berufsfischer die Freistellung der ordnungsgemäßen berufsfischereilichen
Nutzung ohne jegliche Einschränkung für die ganze Schutzfläche im
Planungsgebiet. Es soll erlaubt werden, Maßnahmen nach der niedersächsischen
Kormoranverordnung durchzuführen.
Des Weiteren wird die Einschränkung der
Angelnutzung durch „gesperrte Bereiche“ und durch den vorgegebenen Abstand der
Angelplätze (100 m) kritisiert. Es wird im Gegensatz gefordert, die
angelfischereiliche Nutzung – analog zur Jagd – von den allgemeinen Verboten
der Verordnung freizustellen (Landessportfischerverband Niedersachsen e.V.).
Die Einschränkung der Jagd, sowie das Verbot,
das Gebiet nicht außerhalb von Wegen zu betreten, kann nur über eine
Naturschutzgebietsverordnung geregelt werden.
Der Kormoran ist generell in einem Natura
2000-Gebiet (LSG und NSG) durch die Kormoranverordnung geschützt. Ausnahmen und
Befreiungen von den Verboten der Kormoranverordnung sind im Einzelfall auf
Antrag möglich.
Somit wird grundsätzlich zwischen
unterschiedlichen Nutzungsansprüchen und Interessensvertretern abzuwägen sein.
Die untere Naturschutzbehörde ist aus den
anfangs dargestellten Gründen bei Beschränkung auf die Umsetzung der
FFH-Richtlinie nach wie vor der Meinung, dass die Sicherung der Teilgebiete des
FFH-Gebietes 289 „Teichfledermausgewässer im Raum Nienburg“ durch eine
LSG-Verordnung sinnvoll und ausreichend ist.
Sie könnte aber bei einer entsprechenden
Beschlussfassung durch den ALNU für die Gebiete „Düsterer See“ und „Nienburger
Gruben“ ein Naturschutzgebiet auszuweisen, fachlich folgen. Dann wäre auch eine
Ergänzung um eine noch genau zu definierende Fläche der „Storchteiche“
sinnvoll.
Einer Ausweisung des Teilgebietes
„Altes Rott“ als NSG kann hingegen nicht gefolgt werden. Die Fläche ist auf der
Basis der vorkommenden Pflanzenarten und der Strukturen
gesetzlich geschützter Biotop nach § 30 BNatSchG und ist hiermit unmittelbar
gesetzlich geschützt. Eine hohe faunistische Wertigkeit kann auf der Basis
vorhandener Strukturen nur vermutet werden. Es wird derzeit nicht gesehen, dass
die Schutzwürdigkeit des Gebietes die Festsetzung eines allgemeinen Störungs-
und Beeinträchtigungsverbots und damit eine Ausweisung als NSG erfordert. Aus
vorliegenden Planungen (LRP, RROP, Landschaftsplan Stadt Nienburg/Weser) ist
eine besondere naturschutzfachliche Wertigkeit nicht ableitbar.
Sollte der Ausschuss beschließen, die
Bereiche „Nienburger Gruben“, “Düsterer See“ und „Storchenteiche“ als NSG
auszuweisen, müsste für diese Teilgebiete ein komplett neues Verfahren
eingeleitet werden. Das LSG-Verfahren für die Bereiche „Die Rolle“. „Haaken
Werder“ und „Altes Rott“ könnte wie geplant zu Ende geführt werden. Durch das
alleinige Herauslösen der zwei Bereiche „Nienburger Gruben“ und „Düsterer See“
entsteht für die übrigen betroffenen Bereiche keine grundlegende Änderung.
Ergänzend wird noch einmal darauf
hingewiesen, dass die untere Naturschutzbehörde derzeit eine Vielzahl von
Schutzgebietsausweisungen durchführen muss, um dem Erlass entsprechend bis Ende
2018 die Sicherung der Natura-2000 Gebiete im Landkreis Nienburg abschließen zu
können.
Eine Aufspaltung der Ausweisung des
Teilgebietes „Teichfledermaus-Gewässer in der Nienburger Marsch“ in ein LSG-
und ein NSG-Verfahren wird aufgrund der einzuhaltenden Verfahrensschritte zu
einem Mehraufwand und zu einer Verschiebung von mindestens einem halben Jahr
bei diesem Gebiet führen. Nach aktuellem Stand wäre hierdurch das Ziel
Abschluss aller Sicherungsverfahren für die Natura 2000-Gebiete bis Ende 2018
aber noch nicht gefährdet.
Anlagen:
Anlage 1: Stellungnahme Stadt
Nienburg/Weser
Anlage 2: Stellungnahme NABU
Anlage 3: Stellungnahme BUND
Anlage 4: Stellungnahme
Landwirtschaftskammer Niedersachsen
Anlage 5: Stellungnahme
Landessportfischerverband e.V.
Anlage 6: Stellungnahme
Anglerverein Nienburg e.V.