Betreff
Anstellung von pädagogischen Fachkräften zur Gewährleistung von Vertretung in der Tagespflege
Vorlage
2017/171
Art
Beschlussvorlage

Die im Stellenplan des Fachbereichs Jugend eingerichteten Stellen der Tagespflege werden zum nächstmöglichen Zeitpunkt ersetzt.

 


Sachverhalt

Auf Grundlage der Empfehlung des Ausschusses vom 09.11.2015 hatte der Kreistag drei VZÄ ErzieherIn und drei VZÄ Tagespflegeperson im Stellenplan 2016 eingerichtet, um den Notwendigkeiten des Betreuungsbedarfes gerecht zu werden.

Während in 2015 Maßstab des Denkens noch im Wesentlichen der starke Zugang von Flüchtlingen war, wurde über das Jahr 2016 und vor allem 2017 immer deutlicher, dass die alte Annahme, ein Vorhalt von Betreuungsplätzen für 35% aller Kinder U3 sei ausreichend, nicht mehr zutrifft. An vielen Stellen wird bereits eine Quote von 50% - und gelegentlich auch mehr – abgefragt.

Dieser Entwicklung hat auch der Landkreis als Träger der Kindertagespflege mit dem – gemeinsam mit den Kommunen verabredeten – Anteil von 30% der Nachfrage proportional zu folgen.

Dass dies angesichts der Entwicklungen in der Tagespflege in den letzten fünf Jahren eine tatsächliche Herausforderung ist, wurde dem Ausschuss mehrfach berichtet und – auf Grundlage der Empfehlungen des Ausschusses hierzu – die Tagespflege in ihrer (auch finanziellen) Ausgestaltung auf neue Füße gestellt.

Dennoch erweist sich die Akquise von neuen Tagespflegepersonen(TPP) als immer noch sehr schwierig und vor allem langwierig, was die Bewältigung der Nachfrage nach Tagespflege sehr erschwert.

Zwar wird die Neufassung der Entgeltordnung und die damit einhergehende besondere Förderung neuer Plätze im Rahmen der Bedarfsbefriedigung von den etablierten Kräften positiv aufgenommen, die Ausbildung und anschließende Gewinnung neuer TPP für den bedarfsorientierten Einsatz bleibt bis auf weiteres ein sehr aufwendiges und mühseliges Unterfangen.

Neben der Schaffung weiterer Plätze in der Tagespflege kreisweit obliegt dem Landkreis gem. § 23 Abs. 4 SGB VIII die rechtzeitige Sicherstellung anderer Betreuungsmöglichkeiten in Ausfallzeiten der Tagespflege.

Zu den strukturellen Schwächen der Kindertagespflege gehört – wenn sie nicht institutionell angebunden ist – die Abhängigkeit von der konkreten TPP.

Vergleichbar mit den Regelungen, die für Tageseinrichtungen gelten, hat der Landkreis hier im Rahmen seiner Gewährleistungspflicht geeignete Lösungen zu entwickeln, die insbesondere unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Kindes dem Anliegen der Eltern im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit Rechnung tragen.

Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit mit den TPP, um über unterschiedliche Ansätze und Lösungen die Betreuungskontinuität zu gewährleisten. Nicht zulässig ist es allerdings hierbei, den TPP die Verpflichtung zu übertragen, bei ihrem Ausfall die Gestellung einer Vertretung zu gewährleisten. Dies ist und bleibt alleinige Aufgabe des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.

 

Schon die Etablierung der neuen Großtagespflegestellen in Nienburg, Uchte, Stolzenau, Steyerberg und Marklohe hat den Fachdienst 368 sehr schnell über seine Grenzen geführt.

In Marklohe ist sogar – über einen sämtliche pädagogischen Fachkräfte umfassenden Einsatzplan – die Betreuung mit eigenen Kräften zu gewährleisten, bis aus dem laufenden Kursus eine weitere Kraft  gewonnen werden kann, die als zweite Betreuungskraft dann in die Großtagespflegestelle einsteigt(Näheres wird im Bericht zu TOP 3 a) erläutert). Für den Beginn des neuen Betreuungsjahres konnte eine zweite Kraft nicht gewonnen werden.

Der Einsatz eigener Kräfte für die Betreuung (auch für die oben näher erläuterte Gewährleistung der Vertretung) verursacht jetzt nicht nur umfangreichen organisatorischen Aufwand und zusätzliche Kosten, er bindet vor allem auch Kapazitäten, die originär in anderen Bereichen dringend gebraucht werden.

Nicht nur für die Gewinnung neuer TPP waren daher neue Ideen zu entwickeln, sondern auch für die Gewährleistung der Vertretung bei Ausfällen und kurzfristige Gestellung von Betreuungskräften bei Absprung von TPP oder einem die lokalen Möglichkeiten übersteigenden Bedarf, sei es personell oder in Erweiterung des Zeitrahmens.

Hierfür sollen nun die im Stellenplan vorhandenen Fachkräfte eingesetzt werden.

Der Fachbereich Jugend hat angesichts der Bedarfssituation und der geografischen Gegebenheiten vor, die Kontinuität der Betreuung wie folgt zu gewährleisten:

 

  1. Kreisgebiet:

Für das insgesamt sehr weitläufige Kreisgebiet  macht ein stationäres Angebot als Ersatzleistung keinen Sinn. Besser ist hier aus Sicht des Fachbereichs der Einsatz mobiler Springer*innen vom Dienstort aus, der unterschiedlich festzulegen wäre. Diese Vertretungskräfte, die dann über keine eigenen Räumlichkeiten verfügen, fungieren dann als Vertretung für mehrere verschiedene TPP. Sie besuchen regelmäßig die ihnen zugeordneten Tagespflegestellen, um zur TPP und zu den Kindern eine Bindung aufzubauen sowie die Örtlichkeiten, den Alltag der Tagespflege und die dazugehörigen Rituale kennenzulernen. In der Bring- und Abholsituation ist dann auch der Kontakt zu den Eltern gegeben. Die Betreuung im Vertretungsfall erfolgt dann in der jeweiligen Tagespflegestelle.

Für die Abdeckung des Kreisgebietes (excl. Stadt Nienburg) sieht der Fachbereich zunächst vier der vorgesehenen Kräfte vor.

 

  1. Stadtgebiet:

Hier macht – auch angesichts des immer noch wachsenden Bedarfs an Plätzen im Stadtgebiet – eine andere Lösung Sinn:

Im Rahmen eines Stützpunktmodells wird den stadtansässigen TPPs die (Vertretungs-) Betreuung innerhalb kreiseigener (ggf. angemieteter) Räumlichkeiten angeboten.

Von den denkbaren zehn Betreuungsplätzen, könnten anteilig fünf Plätze für Vertretung freigehalten werden, um kurzfristige Ausfälle abzudecken.

Im Falle eines Ausfalls einer TPP könnten die Eltern ihr Kind direkt zum Stützpunkt bringen, um es dort vertretungsweise betreuen zu lassen.

Auch der Kontakt- und Bindungsaufbau zu den Vertretungskräften würde auf andere Weise hergestellt.

Hier würden die den Vertretungskräften zugeordneten TPP in regelmäßigen (kurzen) Abständen mit ihren Kindern den Vertretungsstützpunkt besuchen, um die Kinder mit den Vertretungskräften und den Räumlichkeiten vertraut zu machen.

Hierfür sieht der Fachbereich zunächst zwei Fachkräfte vor.

 

Zur Erläuterung der personellen Notwendigkeiten (Zahl der Kräfte) ist auszuführen:

Ausgehend von der Bedeutung der Eltern- insbesondere der Mutterrolle in den ersten Lebensjahren – gewinnt (durch Verhaltensbiologen und Entwicklungspsychologen besonders hervorgehoben) eine stabile Bindung an eine Hauptbezugsperson, in der Regel die Mutter, als Fundament für die Persönlichkeitsentwicklung besondere Bedeutung.

 

Dies negiert zwar nicht eine frühkindliche Förderung durch dritte Personen, setzt aber eine solche sichere Bindung in dieser Altersgruppe U3 als zwingend voraus. Der Satz „Bindung vor Bildung“ gilt im Rahmen der frühkindlichen Bildung U3 als Maßstab für den Ausbau der öffentlichen Angebote. Dass die Familie auch nach dem Ausbau der öffentlichen Betreuungsangebote der erste und lebensbegleitend wichtigste und wirksamste soziale Ort der Bildung, Erziehung und Betreuung bleiben wird (und auch soll), erfordert von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe im Feld der Betreuung die Schaffung qualitativ hochwertiger und bedarfsgerechter Angebote frühkindlicher Förderung unter den vorgenannten Kriterien, die zugleich unterstützt durch Programme und weitere Angebote die elterlichen Be- und Erziehungskompetenzen entwickeln und stärken. Dies angesichts teils widerstreitender Interessen  und Bedürfnisse der Kinder, die zunehmend durch die Arbeitswelt ihrer Eltern und den daraus resultierenden Anforderungen (z.B. Öffnungszeiten) definiert werden.

Im Ergebnis bedeutet dies einen sehr umfangreichen Einsatz der neuen Kräfte für den Bindungsaufbau und die Gewöhnung der Kinder. Ausgehend von 20 Stunden/Monat/zu vertretender TPP wird allein der Bindungsaufbau mit sechs Kräften für das gesamte Kreisgebiet (unter Beachtung der Höchstarbeitszeiten im öffentlichen Dienst, der umfangreichen An- und Abfahrtszeiten, der nötigen Aus- und Fortbildungen und nicht zuletzt des konkreten Vertretungseinsatzes) zu einer organisatorischen Herausforderung, die aus heutiger Sicht nicht mehr als eine Notfallregelung im kleinsten Maße darstellt. Ob sich dies zukünftig mit dem jetzt angeforderten Personal bei gleichzeitig deutlich wachsender Tagespflege halten lässt, bleibt abzuwarten.