Betreff
Erstellung eines Aktionsplanes Inklusion für Menschen mit Behinderung im Landkreis Nienburg/Weser
Vorlage
2017/176
Aktenzeichen
310-3/01-071
Art
Beschlussvorlage

Der Erstellung eines Aktionsplans Inklusion wird im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen zugestimmt.


Sachverhalt

Der Begriff "Inklusion" wurde erstmals in den 1970er Jahren in den USA verwendet, um die volle gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung einzufordern. Nach dem § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen "behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist".

 

Ein neues und zukunftsfähiges Verständnis von Behinderung findet sich in der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK). Es bezieht sich auf "Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können" (Artikel 1).

Demzufolge ist Behinderung nicht länger die individuell vorhandene gesundheitliche Störung oder Normabweichung, sondern entsteht in der Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren. Behinderung lässt sich diesem Verständnis folgend durch die Entfaltung personaler Ressourcen sowie gelingender Interaktion zwischen Individuum und materieller und sozialer Umwelt abbauen.

Die 2008 in Kraft getretene UN-Behindertenrechtskonvention liefert eine umfassende Definition von Inklusion und erklärt diese als Menschenrecht für die speziellen Bedürfnisse und Lebenslagen behinderter Menschen. Demnach soll allen Menschen von Anfang an eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen ermöglicht werden. Auf Basis des Grundsatzes gleichberechtigter Teilhabe werden für Menschen mit Behinderungen die gleiche Qualität und der gleiche Standard in den jeweiligen Lebensbereichen erwartet, der auch für Menschen ohne Behinderungen gilt.

Mit der UN-Behindertenrechtskonvention wird Inklusion zu einer durchgängigen Haltung und zu einem zentralen Handlungsprinzip erhoben. Das Prinzip der Inklusion wird damit zu einer klaren Orientierung für die praktische Umsetzung der Konvention.

 

Die Bundesregierung hat 2011 mit dem "Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention" ein Instrument geschaffen, mit dem die Umset-zung systematisch vorangetrieben werden soll. Der Aktionsplan beinhaltet eine Do-kumentation von Maßnahmen, Projekten und Aktionen aus allen Lebensbereichen, mit welchen die Bundesregierung die Entwicklung einer inklusiven Gesellschaft verfolgen bzw. den Anforderungen der Behindertenrechtskonvention gerecht werden möchte. Der Nationale Aktionsplan identifiziert insgesamt 12 Handlungsfelder sowie weitere sieben Querschnittsthemen, in denen die UN-Behindertenrechtskonvention in ihren 50 Artikeln umfassend die Rechte von Menschen mit Behinderungen konkretisiert:

 

-       Arbeit und Beschäftigung

-       Bildung

-       Prävention, Rehabilitation, Gesundheit und Pflege

-       Kinder, Jugendliche, Familie und Partnerschaft

-       Frauen

-       Ältere Menschen

-       Bauen und Wohnen

-       Mobilität

-       Kultur und Freizeit

-       Gesellschaftliche und politische Teilhabe

-       Persönlichkeitsrechte

-       Internationale Zusammenarbeit

 

Die Querschnittsthemen betreffen Assistenzbedarf, Barrierefreiheit, Gender Main-streaming, Gleichstellung, Migration, Selbstbestimmtes Leben und Vielfalt von Be-hinderung.

 

Alle 16 Bundesländer sind seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention durch Deutschland im Jahr 2009 aufgefordert, in ihrer Zuständigkeit eigene Aktionspläne zu ihrer Umsetzung auf Länderebene auszuarbeiten, Niedersachsen hat den Aktionsplan Inklusion auf Landeseben am 06.01.2017 beschlossen.

 

Mittlerweile haben Landkreise und kreisfreie Städte in Niedersachsen eigene Aktionspläne erarbeitet oder Beschlüsse zu deren Erstellung gefasst.

Im Landkreis Nienburg wurde erstmals im Frühjahr 2015 vom Berat für Menschen mit Behinderung die Forderung vorgetragen, einen Inklusionsplan zu erstellen.

Die Verwaltung hat die grundsätzliche Bereitschaft des Landkreises Nienburg signalisiert, die Erarbeitung federführend zu koordinieren. Das Vorhaben ist aber mangels verfügbarer Ressourcen im zuständigen Fachbereich 31 (aufgrund des Fluchtgeschehens 2015/2016) und unklarer rechtlicher Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit der Einführung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) zurückgestellt.

 

Im Juli 2017 wurde dem Beirat für Menschen mit Behinderung von der Verwaltung die Absicht mitgeteilt, die Erstellung eines Aktionsplans Inklusion in die politische Beratung einzubringen und das weitere Vorgehen abzustimmen und zu beschließen.

 

Der zuständiger Fachbereich Soziales hat bereits recherchiert, welche Erfahrungen andere Kommunen mit diesem Prozess gemacht haben und ob es –wie bei der Seniorenplanung- wissenschaftliche oder kommerzielle Dienstleister gibt, die einen solchen Prozess begleiten können. Für Letzteres sind bisher keine Reverenzen bekannt, so dass die Verwaltung unter Beteiligung der Kreispolitik, des Beirates für Menschen mit Behinderung und weiterer Experten einen entsprechenden Aktionsplan eigenständig erarbeiten muss.

 

Die Verwaltung schlägt vor, im Verlauf des Jahres 2018 eine Auftaktveranstaltung im Rahmen eines Workshops durchzuführen und folgende, im Landkreis Nienburg relevante, Handlungsfelder zu bearbeiten:

 

1. Erziehung und Bildung

2. Arbeit und Beschäftigung

3. Bauen und Wohnen

4. Mobilität

5. Gesellschaftliche, soziale und politische Teilhabe

 

Im Workshop sollen eine Bestandsaufnahme erfolgen und Handlungsziele festgelegt werden.

 

Die Vorbereitung und Organisation des Workshops erfolgt durch den Fachbereich 31. Die Weiterentwicklung der Workshopergebnisse sowie weitere, daraus abzuleitende Bearbeitungsschritte können mit den vorhandenen Ressourcen der Verwaltung kaum geleistet werden, zumal der fachlich zuständige Fachdienst 311 durch die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes eher ein noch zu quantifizierendes Personaldefizit aufweisen wird. Bis zur Haushaltsaufstellung für das Jahr 2018 wird die Verwaltung weiter versuchen, eine externe Begleitung zu finden. Etwaige Kosten müssten in den Haushalt eingestellt werden.

 

Soweit kein fachlich geeigneter Dienstleister gefunden wird, bedarf es einer befristeten personellen Nachsteuerung (0,5 VZÄ für die Dauer von 6 Monaten) oder der Anpassung der Umsetzungsziele an die ohnehin knappen Personalressourcen.


Finanzielle Auswirkungen:

 

Die Auswirkungen auf den Haushalt 2018 sind im Detail noch nicht ermittelbar.

Soweit ein externer Dienstleister in Anspruch genommen werden kann, würde dies nach den Erfahrungen bei ähnlichen Prozessen Kosten von ca. 15.000,00 € verursachen. Die Haushaltsmittel müssten in diesem Fall im Produkt 311 zur Verfügung gestellt werden.

 

Alternativ würde die befristete Erhöhung des Personaleinsatzes im FD 311 Kosten i.H.v. rund 15.000,00 € verursachen.