Betreff
Bericht der Situation der geflüchteten Menschen im Landkreis Nienburg und Beschluss hinsichtlich des Vorhaltens einer Notunterkunft
Vorlage
2017/177
Aktenzeichen
310-3/03
Art
Beschlussvorlage

Der Bericht zur Situation der geflüchteten Menschen im Landkreis Nienburg/Weser wird zur Kenntnis genommen.

 

Das bestehende, zum 31.12.2017 auslaufende, Mietverhältnis hinsichtlich der Bundeswehrliegenschaft „Westlandstraße“ wird nicht verlängert.


Sachverhalt

Erläuterung der statistischen Daten:

 

Nachdem die Einreise von Flüchtlingen nach Deutschland ab Mitte März 2016 massiv zurückging, dauerte die Nachbearbeitung der Unterbringung von Flüchtlingen bis in das Jahr 2017 hinein, da neben der eigenen personellen Unterbesetzung auch die Überlastung der kreisangehörigen Gemeinden um die Jahreswende 2015/2016 eine verzögerte Abrechnungen der Miet- und Nebenkosten bedingt hat.

 

Im Jahr 2017 konnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Zahl der abschließend bearbeiteten Asylanträge merklich erhöhen. Während die Ausreise abschlägig entschiedener Anträge nur in einem mäßigen Umfang stattfindet, ist eine große Anzahl von Flüchtlingen (ca. 1.350 seit dem 01.09.2015) aufgrund der Anerkennung eines Schutzstatus aus der Zuständigkeit des Landkreises Nienburg ausgeschieden.

Diese Personen gehen im Regelfall in die Betreuung des Jobcenters (SGB II) über, soweit sie nicht aufgrund der Freizügigkeit innerhalb Niedersachsens den Landkreis Nienburg verlassen. Insgesamt betreut das Jobcenter Nienburg derzeit über 2.000 Personen, die einen aktuellen Fluchthintergrund haben. Diese Zahlen deuten darauf hin, dass mehr anerkannte Flüchtlinge aus anderen Teilen Niedersachsens zugezogen als dorthin abgewandert sind.

 

Die erwerbsfähigen, anerkannten Personen werden spätestens beim Übergang in den Rechtskreis des SGB II verpflichtet, einen Integrationskurs zu besuchen, sprachfördernde und erwerbsorientierte Folgemaßnahmen stehen zur Verfügung.

 

Die Zahl der Asylbewerber in der Zuständigkeit des Landkreises ist auf aktuell ca. 1.000 Personen gesunken (Höchststand: 2.220 im Mai 2016). Die Nacharbeiten im zuständigen Fachdienst 312 aus den Jahren 2015 und 2016 werden mit Ablauf dieses Jahres abgeschlossen sein, so dass in Absprache mit dem Fachbereich Personal der 2016 mittels befristeter Stellen aufgestockte Personalbestand der aktuellen Entwicklung angepasst wird.

 

 

Die Finanzierung der Aufgaben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz

 

Die Erledigung der gesamtstaatlichen Aufgabe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und dem Niedersächsischen Aufnahmegesetz (AufnG) sollte für den Landkreis Nienburg kostenneutral sein. Tatsächlich erstattet das Land die durchschnittlichen Kosten der in der Asylbewerberstatistik ausgewiesenen Aufwendungen an die Kreise und Städte im Land Niedersachsen. Für den Landkreis Nienburg trifft aufgrund der nahezu ausschließlichen dezentralen Unterbringung immerhin zu, dass die Pauschale von zuletzt 10.000,00 € die direkten Transferaufwendungen für Lebensunterhalt, Unterkunftskosten, Krankenhilfe, Bildung- und Teilhabeleistungen und sonstige Leistungen auch abdeckt. Nicht vollständig berücksichtigt sind allerdings die Kosten, die durch den erheblichen personellen und sächlichen Ressourceneinsatz in den Fachdiensten Sozialhilfe, Ausländerbehörde, Jugend und Gesundheit, in der Volkshochschule und in den zentralen Diensten entstehen. Ein Teil -zumindest der kalkulatorischen Kosten- bleibt beim Landkreis und den Gemeinden ungedeckt.

 

Das Land hat am 11.08.2017 beschlossen, die Pauschale für das Jahr 2017 (haushaltwirksam im Jahr 2018) auf 11.192,00 € anzuheben.

 

 

Vorhaltung einer Notunterkunft in Nienburg, Westlandstraße

 

Auf Vorschlag der Verwaltung hat der Kreisausschuss am 13.06.2016 beschlossen, die ehemals als Landeseinrichtung hergerichtete Flüchtlingsunterkunft in einem Teil der Nienburger Clausewitz-Kaserne (Westlandstraße) für die Dauer des Jahres 2017 als Lagerfläche anzumieten, um im Fall eines erhöhten Zustroms von Flüchtlingen schnell und mit vergleichsweise wenig Aufwand Zugriff auf die Liegenschaft zu haben.

 

Diese Entscheidung in einer Zeit, als konstant weniger Flüchtlinge in den Landkreis Nienburg zugewiesen wurden, erfolgte aus folgenden Gründen:

 

Die Vorhaltung der Liegenschaft konnte durch einen vergünstigten Überlassungsvertrag als Lagerfläche von der Bundeswehrverwaltung erreicht werden. Kostenintensive Verwaltung und Bewachung der in die Kaserne integrierten Einrichtung waren nicht erforderlich.

 

Zudem war bei dem Beschluss im Sommer 2016 eine besondere Risikoabwägung erforderlich. Weniger als ein Vierteljahr nach dem Höchststand des Flüchtlingsaufkommens befanden sich viele Flüchtlinge an den europäischen Grenzen sowie weitere potentielle Flüchtlinge in den immer noch nicht befriedeten Krisengebieten, insbesondere in Syrien und dem Irak. Die Maßnahmen, die für den derzeit geringen Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland verantwortlich waren, nämlich das Abkommen der EU mit der Türkei und die Schließung der sog. Balkan-Route, haben sich als effektiv erwiesen, eine nachhaltige Stabilität war aber noch unbelegt.

 

Für die Unterbringung von Flüchtlingen hatte sich die Unterkunft in der Westlandstraße (Clausewitz-Kaserne Nienburg-Langendamm) im Rahmen der Amtshilfe für das Land Niedersachsen als geeignet erwiesen.

Die Unterbringungsmöglichkeit für bis zu 200 Flüchtlinge (kurzzeitige Belegung mit bis zu 220 Flüchtlingen) war eine angemessene Größenordnung, um Zuweisungs-kontingente von mehreren Wochen aufzufangen und von dort weiter zu verteilen, wenn ein der zweiten Jahreshälfte 2015 ähnelndes Flüchtlingsszenario eingetreten wäre. Letztlich sprach bei dieser zum Zeitpunkt der Entscheidung unklaren Gesamtlage der Herrichtungszustand der genutzten Gebäude und des (von der übrigen Kaserne abgezäunten) Geländes für eine mietvertragliche Absicherung einer etwaig notwendigen Nutzung zum Zwecke der Flüchtlingsunterbringung. Im Falle anderweitiger Planungen der Bundeswehrverwaltung wäre das Objekt ggf. nicht mehr verfügbar oder nur unter (erneutem) Einsatz erheblicher Mittel herzurichten gewesen.

 

So sinnvoll die Vorhaltung der Liegenschaft im Jahr 2017 auch gewesen ist, ist sie für das Jahr 2018 erneut auf den Prüfstand zu stellen. Unter Berücksichtigung aller zugänglichen Erkenntnisquellen hat sich aus Sicht der Verwaltung die politische Lage in den Krisengebieten nicht merklich verbessert. Dennoch ist nach 18 Monaten das „Aufleben“ der ehemaligen Fluchtmuster derzeit nicht wahrscheinlich. Soweit neue Situationen an potentiellen Fluchtrouten entstehen, die Auswirkungen auf die Einreise von geflüchteten Menschen nach Deutschland haben, ist dies nicht vorhersehbar. Die Wahrscheinlichkeit solcher Szenarien ist aus Sicht der Verwaltung jedoch erheblich geringer als noch vor einem Jahr, da in den Grenzländern, aber auch in der ganzen EU, eine höhere Handlungsbereitschaft erkennbar ist.

Darüber hinaus ist auch davon auszugehen, dass sich selbst bei einer nicht vollständig auszuschließenden Steigerung des Flüchtlingsaufkommens in der Zukunft die Reaktionsmöglichkeiten sowohl des Landes als auch des Landkreises Nienburg nachhaltig erhöht haben. Das Land Niedersachsen ist nach dem Aufwachsen seiner Erstunterbringungskapazitäten in der Lage, bis zu 35.000 Flüchtlinge unterzubringen und die Weiterleitung in die Kommunen auf die Personen mit hoher oder unklarer Bleiberechtsperspektive zu beschränken. Auch die dezentrale Unterbringung im Landkreis Nienburg weist Kapazitäten auf, die der Entwicklung der letzten zwei Jahre geschuldet sind. Zum einen wurden noch im Jahr 2016 aufgrund der Nachfrage und des „Bewerbens“ durch die unterbringungspflichtigen Gemeinden Wohnungen und Häuer ertüchtigt und zur Flüchtlingsunterbringung angeboten. Teilweise mussten diese Wohnungen gar nicht mehr belegt werden. Daneben waren die Gemeinden zu Beginn des starken Zustroms von geflüchteten Menschen gezwungen, Zugeständnisse bei der Anmietung dringend benötigten Wohnraumes hinsichtlich der Laufzeit (in Einzelfällen bis zu fünf Jahren) machen. Die Belegung ist heute vielfach nur noch durch Abmieten „normalen“ Wohnraums möglich, so dass insgesamt ausreichend geeigneter Wohnraum zur Verfügung steht.

 

Letztlich spricht die seinerzeit für die Anmietung ins Feld geführte Ungewissheit über die Nachnutzung durch die Bundeswehr in dieser Lage auch für die Auflösung der durch den Landkreis vorgehaltenen Notunterkunft, da nicht auszuschließen ist, dass zumindest die baulichen Anlagen (Gebäude, Zaun) auch nach der Aufgabe durch den Landkreis noch längere Zeit im gegenwärtigen Zustand verbleiben.


Finanzielle Auswirkungen:

 

Das Auslaufen des Mietvertrages führt ab 2018 zu geringeren Aufwendungen i.H.v. rund 60.000,00 € im Jahr.

 


Anlagen:

 

·         Aktuelles Flüchtlingsmonitoring