hier: Beschluss zur Einleitung des Beteiligungsverfahrens zur Sicherung des FFH-Gebietes 289 und des EU-Vogelschutzgebietes V 43 durch die Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Domäne Stolzenau/Leese" (NSG HA 176) in der Samtgemeinde Mittelweser
Sachverhalt:
Anlass der Unterschutzstellung ist die europarechtliche Verpflichtung zur Sicherung
von Natura 2000-Gebieten durch nationales Recht.
Das
in Teilen bereits bestehende NSG HA 176 „Domäne Stolzenau/Leese“ besteht aus
einem Teilbereich des Vogelschutzgebiets V 43 „Wesertalaue bei Landesbergen“,
sowie einem Teilbereich des FFH-Gebiets 289 „Teichfledermaus-Gewässer im Raum
Nienburg“, welche Bestandteile des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000
sind.
Da
die Verordnungsinhalte der bisher gültigen NSG-Verordnung keinen ausreichenden
inhaltlichen Bezug zu den Vorgaben der FFH- und Vogelschutzrichtlinie haben,
ist sie im Rahmen der Neuausweisung anzupassen. Zudem ist eine Gebietserweiterung
im Norden vorgesehen, wodurch ein weiterer durch den Kiesabbau entstandener und
ausschließlich für die „Nachnutzung Naturschutz“ vorgesehener Gewässerbereich
als beruhigter Gebietsteil in die Schutzgebietskulisse mit aufgenommen wird.
Das
NSG liegt vollständig im Überschwemmungsgebiet der Weser und ist infolge von
Nassauskiesungen durch eine zusammenhängende Seenplatte gekennzeichnet.
Zentraler Bestandteil des Gebietes sind die durch den seit Jahrzehnten im
Bereich des Weserbogens stattfindenden Sand- und Kiesabbau entstandenen
Gewässer und deren begleitende Vegetation. Im Zuge des bereits durchgeführten
und künftigen Bodenabbaus in der angrenzenden Weseraue hat bzw. wird sich diese
Seenplatte durch weitere Wasserflächen vergrößern. Die bisher entstandene
Seenplatte mit Inseln und ihr näheres Umfeld sind charakterisiert durch unterschiedliche
Wassertiefen, abwechslungsreich gestaltete amphibische Zonen, lange Uferlinien,
Spülsandflächen, Röhrichtgürtel, Hochstaudenfluren, Gehölzsäume und Grünland
auf mageren bis nährstoffreichen Standorten. Gerade auch die Uferbereiche und
Landzungen entlang der Weser bieten eine große Strukturvielfalt die einer
Vielzahl von Tierarten zu Gute kommt. Die von Gehölzen begleiteten
Grünlandflächen, sowie die angrenzenden Wasserflächen, können so vor allem
schutzbedürftigen und störanfälligen Arten- und Lebensgemeinschaften einen
Rückzugsort geben und sind selbst Bereiche mit einer hohen ökologischen
Wertigkeit. Der größte Flächenanteil im Gebiet wird durch Wasserflächen und
deren uferbegleitende Gehölze geprägt. In den Gewässern befinden sich zudem Inseln,
die zum Großteil mit Sträuchern und Bäumen bewachsen sind. Des Weiteren
befinden sich zwei Betriebsgelände, sowie die zugehörigen Anlagen für den Sand-
und Kiesabbau innerhalb des Naturschutzgebietes.
Dieser
Komplex aus auetypischen Lebensräumen bietet einer Vielzahl verschiedener Tier-
und Pflanzenarten einen Lebens-, Nahrungs-, Brut- und Rastraum (z.B. Nordischen Gänsen und Schwänen sowie Enten,
Sägern, Tauchern der Binnengewässer,
Möwen und Seeschwalben und Limikolen des Wattenmeeres sowie weitere Vogelarten).
In den offeneren Bereichen kommen weiter die Zauneidechse und die Ringelnatter
vor, sowie in den Gewässern Frösche und Kröten; bei den Pflanzenarten z.B.
Ähriges Tausendblatt (Myriophyllum spicatum) und Raues Hornblatt (Ceratophyllum
demersum).
Hervorzuheben ist zudem die Bedeutung des NSG mit
seinen Wasserflächen und Ufer-, sowie Röhrichtbereichen als Jagdlebensraum der
streng geschützten Fledermausart Teichfledermaus (Myotis dasycneme) und als
Lebensraum des streng geschützten Fischotters (Lutra lutra). Die im Gebiet vorkommenden Arten und Biotope lassen
sich weiter zu den FFH-Lebensraumtypen 3150 „Natürliche und naturnahe
nährstoffreiche Stillgewässer mit Laichkraut- oder Froschbiss-Gesellschaften“
und 6430 „Feuchte Hochstaudenfluren“ zuordnen. Weiter lassen sich Fragmente von
FFH-Lebensraumtyp 91E0 „Erlen- und Eschenwälder an Fließgewässern und Weidenauwälder“
und 91F0 „Hartholzauwälder“ finden, die es ebenfalls zu erhalten und zu
entwickeln gilt.
Der
Schutzzweck des NSG liegt in der Erhaltung und Entwicklung des bereits bestehenden,
durch Nassauskiesungen entstandenen, naturnahen Stillgewässer-Ökosystems und
der auentypischen Strukturen, sowie als Lebensstätte schutzbedürftiger Tier-
und Pflanzenarten.
Das
Gebiet ist Teil-Lebensraum der im Anhang II der FFH-Richtlinie geführten Teichfledermaus,
des Fischotters sowie für zahlreiche Brut- und Rastvögel, die hier Gelegenheit
zu ungestörten Nahrungsaufnahme, Mauser, Brut, Jungenaufzucht und winterlicher
Rast erhalten sollen. Die für das NSG wertbestimmenden Vogelarten wie Schwarzkopfmöwe, Singschwan
und Weißstorch werden im Anhang I der Richtlinie 79/409/EWG
(Vogelschutzrichtlinie) geführt und sind europarechtlich sowie gemäß § 7 in
Verbindung mit § 54 Absatz 2 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) streng geschützt;
für sie besteht eine gesetzliche Verpflichtung, zur Erhaltung bzw. Entwicklung
einer stabilen, sich selbst tragenden Population beizutragen. Die eigentliche
Bedeutung des Gebiets ergibt sich allerdings weiter aus der Relevanz der Seenplatte
als Vermehrungs-, Mauser-, Rast- und Überwinterungsgebiete für regelmäßig auftretende
Zugvogelarten. Für diese ist ebenfalls gemäß Artikel 4 Abs. 2 der Vogelschutzrichtlinie
ein besonderer Schutz vorzusehen, dem durch die Verordnung entsprochen wird.
Störungen und Beunruhigungen von Brut- und Rastvögeln sind somit insgesamt zu
verhindern.
In
der Verordnung werden daher Schutzbestimmungen und Freistellungen formuliert,
die mit Einschränkungen der Nutzung und der allgemeinen Zugänglichkeit des Gebiets
einhergehen. Diese sind erforderlich, um erhebliche Beeinträchtigungen durch
verschiedene Nutzungsansprüche sowie Freizeitaktivitäten, sowie davon ausgehende
akustische und optische Störungen insbesondere der Vogel-, Säugetier- und Fledermauslebensräume
soweit wie möglich zu vermeiden.
Die
Einschränkungen der ordnungsgemäßen Jagd- und Angelnutzung ergeben sich maßgeblich
aus den Vorgaben des BNatSchG, das vorgibt, dass alle Veränderungen und Störungen,
die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen
maßgeblichen Bestandteilen führen können, unzulässig sind. Da im Gebiet
geschützte Brut- und Rastvogelarten, die Teichfledermaus und der Fischotter vorkommen,
sind vor allem deren Tötung zu verhindern und Störungen akustischer und
visueller Art zu vermeiden, sowie die Gewässerrand-, Gehölz- und
Grünlandbereiche besonders zu schützen.
Weitere
Einzelheiten zum Schutzzweck sowie zu den geplanten Schutzbestimmungen und
Freistellungen können den Anlagen 1 und
3 entnommen werden.
Als
Vorbereitung der Schutzgebietsausweisung wurden Abstimmungsgespräche mit
dem hauptsächlich betroffenen Abbauunternehmen, den Jagdpächtern, der
Jagdbehörde inkl. dem Vorsitzenden des Jagdbeirats und dem Kreisjägermeister,
sowie dem Angelverein und einem Berufsfischer, sowie den Naturschutzverbänden
BUND und NABU geführt. Nach diesen Gesprächen wurde durch die Verwaltung ein
erster Entwurf der Verordnungskarte und der Schutzgebietsverordnung, mit der
Bitte Anregungen oder Bedenken vorzubringen, an die betroffenen Eigentümer
übersandt.
Im
Ergebnis stellen die hier als Anlagen beigefügten Entwürfe die Fassungen dar,
mit denen die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und die öffentliche
Auslegung erfolgen sollen.
Weitere Verfahrensschritte:
- TÖB-Beteiligung und öffentliche Auslegung,
Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen,
- ALNU-Sitzung im Frühjahr 2018; Erörterung der
Stellungnahmen und Beschluss des VO-Entwurfs,
- Kreisausschuss
- Kreistag, Beschluss der NSG-Verordnung,
- Inkrafttreten durch Verkündung im
Ministerialblatt.
Finanzielle Auswirkungen:
Der
Beschluss hat finanzielle Auswirkungen.
Der zukünftige Aufwand für Pflege- und
Entwicklungsmaßnahmen ist abhängig von der Entwicklung des Gebietes in Bezug
auf den Schutzzweck. Er soll jedoch möglichst gering gehalten werden.
Es entstehen Kosten i. H. v. ca.
2.000 € für die Beschilderung des Naturschutz-gebiets. Die Haushaltsmittel
werden für den nächsten Haushalt im Produktkonto 55410.424100 eingeplant.
Anlagen:
1
– Entwurf der Verordnung über das Naturschutzgebiet „Domäne Stolzenau/Leese“
2 – Entwurf der
Verordnungskarte im Maßstab 1 : 10.000
3
– Begründung zum Verordnungsentwurf