Betreff
Umsetzung der europäischen Richtlinien zu Fauna-Flora-Habitat- und Vogelschutzgebieten / Natura 2000; FFH-Gebiet 289 "Teichfledermaus-Gewässer im Raum Nienburg" und EU-Vogelschutzgebiet V 43 "Wesertalaue bei Landesbergen";
hier: Beschluss zur Einleitung des Beteiligungsverfahrens zur Sicherung des FFH-Gebietes 289 und des EU-Vogelschutzgebietes V 43 durch die Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Domäne Stolzenau/Leese" (NSG HA 176) in der Samtgemeinde Mittelweser
Vorlage
2017/238
Aktenzeichen
554
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

Anlass der Unterschutzstellung ist die europarechtliche Verpflichtung zur Sicherung von Natura 2000-Gebieten durch nationales Recht.

 

Das in Teilen bereits bestehende NSG HA 176 „Domäne Stolzenau/Leese“ besteht aus einem Teilbereich des Vogelschutzgebiets V 43 „Wesertalaue bei Landesbergen“, sowie einem Teilbereich des FFH-Gebiets 289 „Teichfledermaus-Gewässer im Raum Nienburg“, welche Bestandteile des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000 sind.

 

Da die Verordnungsinhalte der bisher gültigen NSG-Verordnung keinen ausreichenden inhaltlichen Bezug zu den Vorgaben der FFH- und Vogelschutzrichtlinie haben, ist sie im Rahmen der Neuausweisung anzupassen. Zudem ist eine Gebietserweiterung im Norden vorgesehen, wodurch ein weiterer durch den Kiesabbau entstandener und ausschließlich für die „Nachnutzung Naturschutz“ vorgesehener Gewässerbereich als beruhigter Gebietsteil in die Schutzgebietskulisse mit aufgenommen wird.

 

Das NSG liegt vollständig im Überschwemmungsgebiet der Weser und ist infolge von Nassauskiesungen durch eine zusammenhängende Seenplatte gekennzeichnet. Zentraler Bestandteil des Gebietes sind die durch den seit Jahrzehnten im Bereich des Weserbogens stattfindenden Sand- und Kiesabbau entstandenen Gewässer und deren begleitende Vegetation. Im Zuge des bereits durchgeführten und künftigen Bodenabbaus in der angrenzenden Weseraue hat bzw. wird sich diese Seenplatte durch weitere Wasserflächen vergrößern. Die bisher entstandene Seenplatte mit Inseln und ihr näheres Umfeld sind charakterisiert durch unterschiedliche Wassertiefen, abwechslungsreich gestaltete amphibische Zonen, lange Uferlinien, Spülsandflächen, Röhrichtgürtel, Hochstaudenfluren, Gehölzsäume und Grünland auf mageren bis nährstoffreichen Standorten. Gerade auch die Uferbereiche und Landzungen entlang der Weser bieten eine große Strukturvielfalt die einer Vielzahl von Tierarten zu Gute kommt. Die von Gehölzen begleiteten Grünlandflächen, sowie die angrenzenden Wasserflächen, können so vor allem schutzbedürftigen und störanfälligen Arten- und Lebensgemeinschaften einen Rückzugsort geben und sind selbst Bereiche mit einer hohen ökologischen Wertigkeit. Der größte Flächenanteil im Gebiet wird durch Wasserflächen und deren uferbegleitende Gehölze geprägt. In den Gewässern befinden sich zudem Inseln, die zum Großteil mit Sträuchern und Bäumen bewachsen sind. Des Weiteren befinden sich zwei Betriebsgelände, sowie die zugehörigen Anlagen für den Sand- und Kiesabbau innerhalb des Naturschutzgebietes.

Dieser Komplex aus auetypischen Lebensräumen bietet einer Vielzahl verschiedener Tier- und Pflanzenarten einen Lebens-, Nahrungs-, Brut- und Rastraum (z.B. Nordischen Gänsen und Schwänen sowie Enten, Sägern, Tauchern der Binnengewässer, Möwen und Seeschwalben und Limikolen des Wattenmeeres sowie weitere Vogelarten). In den offeneren Bereichen kommen weiter die Zauneidechse und die Ringelnatter vor, sowie in den Gewässern Frösche und Kröten; bei den Pflanzenarten z.B. Ähriges Tausendblatt (Myriophyllum spicatum) und Raues Hornblatt (Ceratophyllum demersum).

 

 

 

 

 

 

Hervorzuheben ist zudem die Bedeutung des NSG mit seinen Wasserflächen und Ufer-, sowie Röhrichtbereichen als Jagdlebensraum der streng geschützten Fledermausart Teichfledermaus (Myotis dasycneme) und als Lebensraum des streng geschützten Fischotters (Lutra lutra). Die im Gebiet vorkommenden Arten und Biotope lassen sich weiter zu den FFH-Lebensraumtypen 3150 „Natürliche und naturnahe nährstoffreiche Stillgewässer mit Laichkraut- oder Froschbiss-Gesellschaften“ und 6430 „Feuchte Hochstaudenfluren“ zuordnen. Weiter lassen sich Fragmente von FFH-Lebensraumtyp 91E0 „Erlen- und Eschenwälder an Fließgewässern und Weidenauwälder“ und 91F0 „Hartholzauwälder“ finden, die es ebenfalls zu erhalten und zu entwickeln gilt.

 

 

Der Schutzzweck des NSG liegt in der Erhaltung und Entwicklung des bereits bestehenden, durch Nassauskiesungen entstandenen, naturnahen Stillgewässer-Ökosystems und der auentypischen Strukturen, sowie als Lebensstätte schutzbedürftiger Tier- und Pflanzenarten.

Das Gebiet ist Teil-Lebensraum der im Anhang II der FFH-Richtlinie geführten Teichfledermaus, des Fischotters sowie für zahlreiche Brut- und Rastvögel, die hier Gelegenheit zu ungestörten Nahrungsaufnahme, Mauser, Brut, Jungenaufzucht und winterlicher Rast erhalten sollen. Die für das NSG wertbestimmenden Vogelarten wie Schwarzkopfmöwe, Singschwan und Weißstorch werden im Anhang I der Richtlinie 79/409/EWG (Vogelschutzrichtlinie) geführt und sind europarechtlich sowie gemäß § 7 in Verbindung mit § 54 Absatz 2 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) streng geschützt; für sie besteht eine gesetzliche Verpflichtung, zur Erhaltung bzw. Entwicklung einer stabilen, sich selbst tragenden Population beizutragen. Die eigentliche Bedeutung des Gebiets ergibt sich allerdings weiter aus der Relevanz der Seenplatte als Vermehrungs-, Mauser-, Rast- und Überwinterungsgebiete für regelmäßig auftretende Zugvogelarten. Für diese ist ebenfalls gemäß Artikel 4 Abs. 2 der Vogelschutzrichtlinie ein besonderer Schutz vorzusehen, dem durch die Verordnung entsprochen wird. Störungen und Beunruhigungen von Brut- und Rastvögeln sind somit insgesamt zu verhindern.

 

In der Verordnung werden daher Schutzbestimmungen und Freistellungen formuliert, die mit Einschränkungen der Nutzung und der allgemeinen Zugänglichkeit des Gebiets einhergehen. Diese sind erforderlich, um erhebliche Beeinträchtigungen durch verschiedene Nutzungsansprüche sowie Freizeitaktivitäten, sowie davon ausgehende akustische und optische Störungen insbesondere der Vogel-, Säugetier- und Fledermauslebensräume soweit wie möglich zu vermeiden.

Die Einschränkungen der ordnungsgemäßen Jagd- und Angelnutzung ergeben sich maßgeblich aus den Vorgaben des BNatSchG, das vorgibt, dass alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen maßgeblichen Bestandteilen führen können, unzulässig sind. Da im Gebiet geschützte Brut- und Rastvogelarten, die Teichfledermaus und der Fischotter vorkommen, sind vor allem deren Tötung zu verhindern und Störungen akustischer und visueller Art zu vermeiden, sowie die Gewässerrand-, Gehölz- und Grünlandbereiche besonders zu schützen.

 

Weitere Einzelheiten zum Schutzzweck sowie zu den geplanten Schutzbestimmungen und Freistellungen können den Anlagen 1 und 3 entnommen werden.

 

Als Vorbereitung der Schutzgebietsausweisung wurden Abstimmungsgespräche mit dem hauptsächlich betroffenen Abbauunternehmen, den Jagdpächtern, der Jagdbehörde inkl. dem Vorsitzenden des Jagdbeirats und dem Kreisjägermeister, sowie dem Angelverein und einem Berufsfischer, sowie den Naturschutzverbänden BUND und NABU geführt. Nach diesen Gesprächen wurde durch die Verwaltung ein erster Entwurf der Verordnungskarte und der Schutzgebietsverordnung, mit der Bitte Anregungen oder Bedenken vorzubringen, an die betroffenen Eigentümer übersandt.

 

Im Ergebnis stellen die hier als Anlagen beigefügten Entwürfe die Fassungen dar, mit denen die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und die öffentliche Auslegung erfolgen sollen.

 

Weitere Verfahrensschritte:

 

  • TÖB-Beteiligung und öffentliche Auslegung, Auswertung der einge­gangenen Stellungnahmen,
  • ALNU-Sitzung im Frühjahr 2018; Erörterung der Stellungnahmen und Beschluss des VO-Entwurfs,
  • Kreisausschuss
  • Kreistag, Beschluss der NSG-Verordnung,
  • Inkrafttreten durch Verkündung im Ministerialblatt.

 


Finanzielle Auswirkungen:

 

Der Beschluss hat finanzielle Auswirkungen.

 

Der zukünftige Aufwand für Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen ist abhängig von der Entwicklung des Gebietes in Bezug auf den Schutzzweck. Er soll jedoch möglichst gering gehalten werden.

 

Es entstehen Kosten i. H. v. ca. 2.000 € für die Beschilderung des Naturschutz-gebiets. Die Haushaltsmittel werden für den nächsten Haushalt im Produktkonto 55410.424100 eingeplant.

 


Anlagen:

 

1 – Entwurf der Verordnung über das Naturschutzgebiet „Domäne Stolzenau/Leese“

2 – Entwurf der Verordnungskarte im Maßstab 1 : 10.000

3 – Begründung zum Verordnungsentwurf