Betreff
Einleitung eines Planänderungsverfahrens gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 NROG zur Aufstellung einer 4. Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) – sachlicher Teilabschnitt Windenergie
Vorlage
2018/100
Aktenzeichen
54.13.71
Art
Beschlussvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Vorbehaltlich der Zustimmung der Genehmigungsbehörde (Amt für regionale Landesentwicklung Leine-Weser) wird der Einleitung eines Planänderungsverfahrens gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 NROG zur Aufstellung einer 4. Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) – sachlicher Teilabschnitt Windenergie zugestimmt.

 


Sachverhalt

Hintergrund

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat die 1. Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) für rechtsunwirksam erklärt. Der Landkreis Nienburg/Weser hat gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Urteil vom 07.11.2017 – 12 KN 107/16 – Beschwerde beantragt. Die Entscheidung seitens des Bundesverwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Revision steht noch aus. Die Kreisverwaltung schlägt vor, ein Planänderungsverfahren zur Neuaufstellung der 4. Änderung des RROP – Teilabschnitt Windenergie – einzuleiten.

Gründe für die Entscheidung des OVG

Das OVG Lüneburg stellt in seiner Urteilsbegründung erhebliche Abwägungsfehler im Planungskonzept fest:

  1. Die Einstufung von 400 m zu Einzelwohnbebauung außerhalb von Gebieten mit Wohnbebauung als hartes Tabu erfolge ohne tragfähige Begründung.
  2. Die pauschale Einstufung der Natura-2000-Gebiete zum Schutz von Vogel- und Fledermausarten als harte Tabuzonen erfolge ohne artenbezogene Begründung.
  3. Hierauf aufbauend sei es ebenso abwägungsfehlerhaft, dass die Schutzabstände von 500 m zu den o. g. Natura-2000-Gebieten als weiche Tabuzonen festgelegt werden.
  4. Es sei abwägungsfehlerhaft, dass die laut Nummer 13 des Kriterienkatalogs und in der Karte des Anhangs 1 pauschal in ihrer Gesamtheit alle Vorranggebiete für Natur und Landschaft als harte Tabuzonen gewertet werden, einschließlich der Gebiete, die lediglich die Voraussetzungen zur Unterschutzstellung als Naturschutzgebiete gemäß § 24 NNatSchG erfüllen (im Widerspruch zur Begründung im Textteil, Ziffer 2.4.2.13).
  5. Damit sei auch der als weiches Tabu eingestufte Schutzabstand von 200 m um die Gebiete, die die Voraussetzungen zur Unterschutzstellung als Naturschutzgebiete erfüllen, abwägungsfehlerhaft. Denn Abstände, die als „weiches Tabu“ um solche Gebiete festgelegt werden, die ihrerseits zu Unrecht als „hartes Tabu“ eingestuft werden, können keine rechtliche Anerkennung finden.

Offengelassene Fragestellungen des OVG

Des Weiteren wurden seitens des OVG Zweifel geäußert, dass größere lineare oder punktförmige Flächen, die für die Windenergienutzung nicht in Betracht kommen, wie z. B. Straßen und Energieleitungen, als Restriktionskriterien eingestuft werden und nicht als harte Tabuflächen.

Auch die Frage, ob der Landkreis Nienburg/Weser dem Umstand, dass vier Gebiete im Anlagenschutzbereich der Flugnavigationsanlage VOR Nienburg liegen, hinreichend und differenziert Bedeutung beigemessen hat, wurde offengelassen. Hintergrund ist, dass in diesen Gebieten die Genehmigung von Windenergieanlagen angesichts der derzeitigen Rechtslage aufgrund der Bedenken der Flugsicherung nicht möglich ist. Daran schließt sich die Prüfung der Frage an, ob der Windenergienutzung substanziell Raum zur Verfügung steht.

Verfahrensvarianten

a) Ergänzendes Planverfahren nach § 11 Abs. 6 NROG („Heilungsverfahren“)

Nach § 11 Abs. 6 ROG bestände die Möglichkeit, die 1. Änderung des RROP durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern rückwirkend in Kraft zu setzen. Dies darf aber nicht dazu führen, dass der Plan in seiner Gesamtkonzeption verändert wird und die bisherige Identität des Plans verloren geht (BVerwG Urteil vom 18.09.2003 – 4 CN 20.02 -, Kommentar zum ROG, Schumacher, Werk, Albrecht, 2012). Da zur Ausräumung der Fehler und darüber hinaus die Behandlung der offenen Fragestellungen das gesamträumliche Planungskonzept neu aufgestellt werden muss, sollte aus Sicht der Verwaltung diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen werden.

b) Planänderungsverfahren nach § 6 Abs. 1 NROG

Zur Überarbeitung des Teilabschnitts „Windenergie“ besteht die Möglichkeit, umgehend ein 4. Änderungsverfahren des RROP einzuleiten. Für die Änderung gelten die Vorschriften über die Planaufstellung gemäß ROG und NROG entsprechend. Nach Fertigstellung des Entwurfs und Beschlussfassung durch den Kreistag über die Öffentlichkeitsbeteiligung könnte von der Untersagungsmöglichkeit nach § 12 Abs. 2 ROG für die Genehmigung neuer Windenergieanlagen (befristet auf zwei Jahre mit der Möglichkeit der Fristverlängerung um ein weiteres Jahr) Gebrauch gemacht werden.

c) Überarbeitung im Rahmen der Neuaufstellung des RROP

Eine weitere Verfahrensmöglichkeit bestände darin, die Überarbeitung des gesamträumlichen Windenergiekonzepts in die laufende Neuaufstellung des RROP zu integrieren. Der Entwurf des neuen RROP wird voraussichtlich im vierten Quartal 2019 vorliegen.

d) Verzicht auf die Festlegung einer Ausschlusswirkung im RROP

Des Weiteren kann auf die Festlegung einer Ausschlusswirkung für raumbedeutsame Windenergieanlagen im RROP verzichtet werden. Diese Möglichkeit bietet den Vorteil einer erheblichen Planungsvereinfachung und –beschleunigung und könnte in das laufende Verfahren zur Neuaufstellung des RROP integriert werden. Nachteil dieser Variante wäre, dass die Genehmigung neuer Windenergieanlagen nicht nach § 12 Abs. 2 ROG untersagt werden kann. Letztlich entfiele dadurch die Steuerungsmöglichkeit für raumbedeutsame Windenergieanlagen durch die Regionalplanung. Alternativ könnte eine Steuerung der Windenergienutzung im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung erfolgen.

Gründe für eine 4. Änderung des RROP (b)

Nach fachlicher und rechtlicher Prüfung ist die Verwaltung zum Ergebnis gekommen, dass aufgrund der festgestellten Abwägungsmängel und der weiteren geäußerten Bedenken bezüglich des Planungskonzepts davon auszugehen ist, dass die Grundzüge der Planung betroffen sind und das gesamträumliche Planungskonzept zu überarbeiten ist. Folglich können die in der Urteilsbegründung festgestellten Mängel des Planungskonzepts in ihrer Gesamtheit nur durch ein Änderungsverfahren nach
§ 6 Abs. 1 NROG schnellstmöglich behoben werden (siehe b). Auf diesem Wege kann die Steuerung der Windenergienutzung im Landkreis Nienburg/Weser durch das RROP in einem zügigen Verfahren wieder sichergestellt werden. Voraussetzung für die Anwendungsmöglichkeit der Untersagung nach § 12 Abs. 2 NROG ist der Auslegungsbeschluss des Kreistags.

Weiteres Verfahren

Die Genehmigungsbehörde, das Amt für regionale Landesentwicklung (ArL Leine-Weser), muss einem 4. Änderungsverfahren noch zustimmen.
Die Erstellung des gesamträumlichen Planungskonzepts im Rahmen der 4. Änderung des RROP soll durch die Vergabe der Planungsleistungen an ein zu beauftragendes Planungsbüro und durch externe rechtliche Beratung zeitlich beschleunigt werden (siehe Drucksache 2018/099).

Vorbehaltlich der Zustimmung des ArL soll der Entwurf der 4. Änderung des RROP  nach Beratung und Beschlussfassung durch die politischen Gremien im ersten Quartal 2019 öffentlich ausgelegt werden. Im März 2019 soll der Beschluss des Kreistags über die öffentliche Auslegung gefasst werden.

 

 


Finanzielle Auswirkungen:

 

Der Beschluss hat keine finanziellen Auswirkungen.

Verweis: Drucksache 2018/99