Vorbehaltlich der Zustimmung der Genehmigungsbehörde (Amt für regionale
Landesentwicklung Leine-Weser) wird der Einleitung eines
Planänderungsverfahrens gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 NROG zur Aufstellung einer 4.
Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) – sachlicher Teilabschnitt
Windenergie zugestimmt.
Sachverhalt
Hintergrund
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat die 1. Änderung
des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) für rechtsunwirksam erklärt. Der
Landkreis Nienburg/Weser hat gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Urteil
vom 07.11.2017 – 12 KN 107/16 – Beschwerde
beantragt. Die Entscheidung seitens des Bundesverwaltungsgerichts über die
Nichtzulassung der Revision steht noch aus. Die Kreisverwaltung schlägt vor,
ein Planänderungsverfahren zur Neuaufstellung der 4. Änderung des RROP –
Teilabschnitt Windenergie – einzuleiten.
Gründe für die Entscheidung des OVG
Das OVG Lüneburg stellt in seiner Urteilsbegründung erhebliche
Abwägungsfehler im Planungskonzept fest:
- Die Einstufung von 400 m zu
Einzelwohnbebauung außerhalb von Gebieten mit Wohnbebauung als hartes Tabu
erfolge ohne tragfähige Begründung.
- Die pauschale Einstufung der
Natura-2000-Gebiete zum Schutz von Vogel- und Fledermausarten als harte
Tabuzonen erfolge ohne artenbezogene Begründung.
- Hierauf aufbauend sei es ebenso
abwägungsfehlerhaft, dass die Schutzabstände von 500 m zu den o. g.
Natura-2000-Gebieten als weiche Tabuzonen festgelegt werden.
- Es sei abwägungsfehlerhaft, dass die
laut Nummer 13 des Kriterienkatalogs und in der Karte des Anhangs 1
pauschal in ihrer Gesamtheit alle Vorranggebiete für Natur und Landschaft
als harte Tabuzonen gewertet werden, einschließlich der Gebiete, die
lediglich die Voraussetzungen zur Unterschutzstellung als
Naturschutzgebiete gemäß § 24 NNatSchG erfüllen (im Widerspruch zur
Begründung im Textteil, Ziffer 2.4.2.13).
- Damit sei auch der als weiches Tabu
eingestufte Schutzabstand von 200 m um die Gebiete, die die
Voraussetzungen zur Unterschutzstellung als Naturschutzgebiete erfüllen,
abwägungsfehlerhaft. Denn Abstände, die als „weiches Tabu“ um solche Gebiete
festgelegt werden, die ihrerseits zu Unrecht als „hartes Tabu“ eingestuft
werden, können keine rechtliche Anerkennung finden.
Offengelassene Fragestellungen des OVG
Des Weiteren wurden seitens des OVG Zweifel geäußert, dass größere
lineare oder punktförmige Flächen, die für die Windenergienutzung nicht in
Betracht kommen, wie z. B. Straßen und Energieleitungen, als
Restriktionskriterien eingestuft werden und nicht als harte Tabuflächen.
Auch die Frage, ob der Landkreis Nienburg/Weser dem Umstand, dass vier
Gebiete im Anlagenschutzbereich der Flugnavigationsanlage VOR Nienburg liegen,
hinreichend und differenziert Bedeutung beigemessen hat, wurde offengelassen.
Hintergrund ist, dass in diesen Gebieten die Genehmigung von Windenergieanlagen
angesichts der derzeitigen Rechtslage aufgrund der Bedenken der Flugsicherung
nicht möglich ist. Daran schließt sich die Prüfung der Frage an, ob der
Windenergienutzung substanziell Raum zur Verfügung steht.
Verfahrensvarianten
a) Ergänzendes Planverfahren nach § 11 Abs. 6 NROG („Heilungsverfahren“)
Nach § 11 Abs. 6 ROG bestände die Möglichkeit, die 1. Änderung des RROP
durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern rückwirkend in Kraft
zu setzen. Dies darf aber nicht dazu führen, dass der Plan in seiner
Gesamtkonzeption verändert wird und die bisherige Identität des Plans verloren
geht (BVerwG Urteil vom 18.09.2003 – 4 CN 20.02 -, Kommentar zum ROG,
Schumacher, Werk, Albrecht, 2012). Da zur Ausräumung der Fehler und darüber
hinaus die Behandlung der offenen Fragestellungen das gesamträumliche
Planungskonzept neu aufgestellt werden muss, sollte aus Sicht der Verwaltung
diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen werden.
b) Planänderungsverfahren nach § 6 Abs. 1 NROG
Zur Überarbeitung des Teilabschnitts „Windenergie“ besteht die
Möglichkeit, umgehend ein 4. Änderungsverfahren des RROP einzuleiten. Für die
Änderung gelten die Vorschriften über die Planaufstellung gemäß ROG und NROG
entsprechend. Nach Fertigstellung des Entwurfs und Beschlussfassung durch den
Kreistag über die Öffentlichkeitsbeteiligung könnte von der
Untersagungsmöglichkeit nach § 12 Abs. 2 ROG für die Genehmigung neuer
Windenergieanlagen (befristet auf zwei Jahre mit der Möglichkeit der
Fristverlängerung um ein weiteres Jahr) Gebrauch gemacht werden.
c) Überarbeitung im Rahmen der Neuaufstellung des RROP
Eine weitere Verfahrensmöglichkeit bestände darin, die Überarbeitung des
gesamträumlichen Windenergiekonzepts in die laufende Neuaufstellung des RROP zu
integrieren. Der Entwurf des neuen RROP wird voraussichtlich im vierten Quartal
2019 vorliegen.
d) Verzicht auf die Festlegung einer Ausschlusswirkung im RROP
Des Weiteren kann auf die Festlegung einer Ausschlusswirkung für
raumbedeutsame Windenergieanlagen im RROP verzichtet werden. Diese Möglichkeit
bietet den Vorteil einer erheblichen Planungsvereinfachung und –beschleunigung
und könnte in das laufende Verfahren zur Neuaufstellung des RROP integriert
werden. Nachteil dieser Variante wäre, dass die Genehmigung neuer
Windenergieanlagen nicht nach § 12 Abs. 2 ROG untersagt werden kann. Letztlich
entfiele dadurch die Steuerungsmöglichkeit für raumbedeutsame
Windenergieanlagen durch die Regionalplanung. Alternativ könnte eine Steuerung
der Windenergienutzung im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung erfolgen.
Gründe für eine 4. Änderung des RROP (b)
Nach fachlicher und rechtlicher Prüfung ist die Verwaltung zum Ergebnis
gekommen, dass aufgrund der festgestellten Abwägungsmängel und der weiteren
geäußerten Bedenken bezüglich des Planungskonzepts davon auszugehen ist, dass
die Grundzüge der Planung betroffen
sind und das gesamträumliche Planungskonzept zu überarbeiten ist. Folglich
können die in der Urteilsbegründung festgestellten Mängel des Planungskonzepts
in ihrer Gesamtheit nur durch ein Änderungsverfahren nach
§ 6 Abs. 1 NROG schnellstmöglich behoben werden (siehe b). Auf diesem Wege kann
die Steuerung der Windenergienutzung im Landkreis Nienburg/Weser durch das RROP
in einem zügigen Verfahren wieder sichergestellt werden. Voraussetzung für die
Anwendungsmöglichkeit der Untersagung nach § 12 Abs. 2 NROG ist der Auslegungsbeschluss
des Kreistags.
Weiteres Verfahren
Die Genehmigungsbehörde, das Amt für regionale Landesentwicklung (ArL
Leine-Weser), muss einem 4. Änderungsverfahren noch zustimmen.
Die Erstellung des gesamträumlichen Planungskonzepts im Rahmen der 4. Änderung
des RROP soll durch die Vergabe der Planungsleistungen an ein zu beauftragendes
Planungsbüro und durch externe rechtliche Beratung zeitlich beschleunigt werden
(siehe Drucksache 2018/099).
Vorbehaltlich der Zustimmung des ArL soll der Entwurf der 4. Änderung
des RROP nach Beratung und
Beschlussfassung durch die politischen Gremien im ersten Quartal 2019
öffentlich ausgelegt werden. Im März 2019 soll der Beschluss des Kreistags über
die öffentliche Auslegung gefasst werden.
Finanzielle Auswirkungen:
Der Beschluss hat keine
finanziellen Auswirkungen.
Verweis: Drucksache 2018/99