Betreff
Projekt "Kontrolle und Durchsetzung von Kompensationsmaßnahmen" nach Naturschutzrecht und Baugesetzbuch;
hier: Zwischenbericht für die Projektjahre 2016 und 2017
Vorlage
2018/154
Aktenzeichen
554
Art
Bericht

Sachverhalt:

 

Insgesamt gesehen ist die Umsetzungsrate von Kompensationsmaßnahmen über den Gesamtzeitraum von mittlerweile über 40 Jahren, in denen die Eingriffsregelung in Niedersachsen gesetzlich vorgeschrieben ist, in höchstem Maße mangelhaft. Die aufgrund der Eingriffsregelung in Genehmigungs-, Planfeststellungs- oder Bauleitplanverfahren festgesetzten Kompensationsmaßnahmen kommen häufig nicht, verspätet oder nicht vollumfänglich zur Umsetzung. Diesen Umstand bemängeln u. a. Naturschutzverbände und fordern die Unteren Naturschutzbehörden (UNB) auf, für die Umsetzung der Kompensationsverpflichtungen zu sorgen. In die Formulierung von entsprechenden Auflagen und Festsetzungen wird viel Energie investiert, die jedoch verpufft, wenn sie in der Praxis häufig ignoriert werden.

 

Der Ausschuss für Landschaftspflege, Natur und Umwelt hat daher 2012 die Durchführung des Projektes „Kontrolle und Durchsetzung von Kompensationsmaßnahmen“ zunächst für die Laufzeit von 3 Jahren von 2013 bis 2015 und daran anschließend eine Verlängerung bis 2019 beschlossen. Damit soll für eine konsequentere Gleichstellung aller Eingriffsverursacher im Kreisgebiet gesorgt und eine vermeintliche „Schlechterstellung“ der genehmigungskonform handelnden Personen vermieden werden.

Mittlerweile läuft das sechste Projektjahr. Vereinbarungsgemäß soll etwa nach der Hälfte der zweiten Projektphase ein Zwischenbericht abgegeben werden, der dem Ausschuss vorgestellt wird.

 

Im Jahr 2016 konnten aufgrund der Belastung einer Bearbeiterin durch eine massive Zunahme von Genehmigungsanträgen für Windenergieanlagen, die in der Bearbeitung sehr zeitaufwändig sind, und damit einhergehender Prioritätenverschiebung sowie eines sechsmonatigen Sonderurlaubs des anderen Bearbeiters, dessen Projektarbeitsstunden  daher nur teilweise abgerufen werden konnten, nur 73 Kompensationsmaßnahmen kontrolliert und die Kontrolle dokumentiert werden.

Für 2017 ist die Fallzahl mit 157 (gut 90%) Kontrollen auch wieder etwas hinter den Zielvorgaben zurück geblieben.

Mit den beiden folgenden Projektjahren soll versucht werden, diese Unterdeckung wieder ein Stück weit auszugleichen und die Fallzahlen mindestens zu erreichen.

 

Die Kontrollen wurden überwiegend durch Ortsbesichtigungen in der Zeit von Mai bis Oktober 2016 bzw. 2017 vorgenommen.

 

Systematisch werden zunächst die festgesetzten Maßnahmen, bei denen die Umsetzungsverpflichtung durch die Fertigstellung der Eingriffsvorhaben jüngst eingetreten ist, kontrolliert bzw. die Bauherren mit Fristsetzung an diese Pflicht erinnert.

 

Die zur Umsetzung angemahnten Maßnahmen aus den Vorjahren werden im Rahmen einer Wiedervorlage erneut besichtigt. Oft wird die Maßnahme nach einer ersten Fristsetzung bereits umgesetzt. Häufig ergeben sich dann aus der ersten Kontrolle weitere Nachforderungen, wenn die Maßnahme nicht entsprechend der Auflagen umgesetzt wurde. Dadurch wird eine weitere Kontrolle im darauffolgenden Jahr erforderlich.

In einigen Fällen sind die Umsetzungsdefizite jedoch hartnäckig und die Kompensationsverpflichteten müssen mehrmals und nachhaltig auf ihre Verpflichtung hingewiesen werden.

 

Die gesetzliche Vorgabe, dass die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in dem jeweils erforderlichen Zeitraum (i.d.R. dauerhaft) zu erhalten sind, kann auch nicht mit einer einmaligen (Herstellungs-) Kontrolle sichergestellt werden. Anwuchserfolge und die nachhaltige Einhaltung von Bewirtschaftungsauflagen können in vielen Fällen nur durch Folgekontrollen im Blick behalten werden. Bei Anpflanzungen können diese Kontrollen bei älteren Maßnahmen über Luftbilder erfolgen. Diese werden im Abstand von etwa drei Jahren erneuert und die Gehölzstrukturen sind darauf ab einem gewissen Alter gut zu erkennen.

 

 

Die Kontrollen haben in den beiden vergangenen Jahren folgende Ergebnisse gehabt:

Insgesamt sind etwa 58 % aller kontrollierten und abschließend bearbeiteten Kompensationsmaßnahmen mangelhaft oder gar nicht umgesetzt. Die übrigen 42% sind so hergerichtet und gepflegt, dass das Maßnahmenziel erreicht werden kann.

 

Auffällig sind jedoch weiterhin die großen Umsetzungsdefizite, die bei Kompensationsmaßnahmen aus der gemeindlichen Bauleitplanung bestehen.

Die dafür zuständigen Gemeindeverwaltungen werden von hier mit Schreiben darauf hingewiesen und gebeten, vorliegende Missstände zu beheben und zuständigkeitshalber für eine ordnungsgemäße Durchführung der Maßnahmen zu sorgen.

Leider zieht sich insbesondere die Umsetzung von Maßnahmen aus der gemeindlichen Bauleitplanung in einigen Fällen sehr in die Länge, sodass sich Schriftverkehre vielfach bereits über mehrere Jahre erstrecken. In der Bauleitplanung sind jedoch die Gemeinden die für die Umsetzung zuständige Behörde. Daher beschränkt sich die Funktion der Naturschutzbehörde auf die auffordernde Stimme, die den Anstoß zur Handlung von dort gibt. Dieser Anstoß ist auch insofern wichtig, als dass auch die Gemeinden eine Vielzahl an Aufgaben zu erfüllen haben, bei denen diejenigen bei der Vergabe von Prioritäten oft nach hinten rutschen, bei denen keiner drängelt oder für die sich eigentlich keiner interessiert. Die Kontrolle der UNB von rechtlich festgesetzten Kompensationsmaßnahmen hilft in den Gemeinden, eine andere Prioritätensetzung vorzunehmen und die Umsetzung aktiver zu begleiten.

 

Die übrigen Kompensationsverpflichteten werden i.d.R. direkt angeschrieben, vom Ergebnis der Kontrolle unterrichtet und ggf. mit Fristsetzung aufgefordert, Mängel zu beseitigen, nachzupflanzen oder die Maßnahme überhaupt erstmal umzusetzen.

 

Sofern es sich bei den Eingriffsverursachern um private Vorhabenträger handelte, konnten gem. der Allgemeinen Gebührenordnung (AllGO) die Aufwendungen für die Kontrolle in Rechnung gestellt werden. Das war 2017 für 30 (ca. 22 %) der kontrollierten Kompensationsmaßnahmen möglich (2016: 8 bzw. 11 %). Die Zielvorgabe von 7.500 € jährlichen Einnahmen konnten nicht ganz erreicht werden. Es schlagen 7.183 € Einnahmen aus den Gebührenbescheiden für 2017 zu Buche (2016: 2.125 €).

 

Das Projekt zur Kontrolle von Kompensationsmaßnahmen hat sich als sehr sinnvoll erwiesen. In einigen Fällen wurde es erst durch die systematische Kontrolle möglich, Umsetzungs- oder Erhaltungsdefizite auch bereits älterer Kompensationsmaßnahmen festzustellen und die Herstellung eines naturschutzrechtskonformen Zustandes einzuleiten.

Die Kosten belaufen sich hierbei z.B. für das Jahr 2017 abzüglich der Einnahmen auf 0,26 Cent/ kontrolliertem m² (Gesamt) bzw. 0,38 Cent/ bemängeltem m².

 

Damit ist das Projekt „Kontrolle und Durchsetzung von Kompensationsmaßnahmen“ auch von den Kosten her sehr effizient, wenn man den Aufwand von unter 0,4 Cent/m² für nicht oder nur mangelhaft umgesetzte Kompensationsmaßnahmen dem eigentlichen durchschnittlichen Wert einer Kompensationsmaßnahme, der sich aus dem Grundstückspreis, der Maßnahmenherstellung und der dauerhaften Pflege und Unterhaltung zusammensetzt, gegenüberstellt. Denn der Durchschnittswert eines Quadratmeters Kompensationsfläche im Landkreis Nienburg/Weser liegt derzeit bei 6,20 €.

Das bedeutet, dass der durchschnittliche Kontrollaufwand samt folgendem Verwaltungsakt z.B. für eine 1 ha große, nicht umgesetzte Kompensationsmaßnahme von ca. 40 € sich durch die dann in der Folge durchgeführte Umsetzung der Maßnahme durch den Kompensationspflichtigen in einen auch geldmäßig darstellbaren Mehrwert von 62.000 € verwandelt.

Und hierauf hat die Allgemeinheit, wie auch jede Bürgerin und jeder Bürger des Landkreises einen Rechtsanspruch (z.B. gem. § 1 BNatSchG „Wiederherstellung von Natur und Landschaft (allgemeiner Grundsatz)“.

 

 

 

Zwischenzeitlich wurde das Projekt nicht nur im Rahmen der regionalen Dienstbesprechung des MU sondern auch bei den Niedersächsischen Naturschutztagen (Große Dienstbesprechung MU) und in dem Seminar „Führung von Kompensationsverzeichnissen in Niedersachsen“ bei der NNA vorgestellt (Präsentation liegt an).

Außerdem ist hierzu ein Artikel in der Zeitschrift „Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen“ des NLWKN veröffentlicht worden, der diesem Bericht als Anlage beifügt ist.

 

Die Resonanz der Fachkolleginnen und –kollegen bei den Veranstaltungen ist durchweg positiv. Einige Landkreise folgen bereits dem Beispiel und richten ähnliche Projekte zur systematischen Kontrolle von Kompensationsmaßnahmen ein. Hierfür wurden auch schon unsere Erfahrungen und Tipps abgefragt.

 

 

 


Finanzielle Auswirkungen:

 

Der Beschluss hat finanzielle Auswirkungen.

 

Es entstehen Kosten i. H. v. ca. 15.000 €/a für die Projektjahre 2016-2019.

Die Mittel sind im Produktkonto 55411.429101 „Kontrolle und Durchsetzung von Kompensationsmaßnahmen“ eingeplant. Dem Aufwand können zusätzliche  Einträge in Höhe von 7.500 €/a im Produktkonto 55411.331100 „Verwaltungsgebühren“ zugeordnet werden.

 

 


Anlagen:

 

1     Beitrag zum Seminar „Führung von Kompensationsverzeichnissen in Niedersachsen“ bei der NNA

 

2     Artikel aus dem Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen, Heft 2/2015