Betreff
Antrag der FDP-Kreistagsfraktion an den Landkreis Nienburg vom 27.08.2018 zur Bekämpfung von Jakobskreuzkraut im Landkreis Nienburg und Bereitstellung von 3.000,- € im Haushalt 2019 für entstehende Entsorgungskosten
Vorlage
2018/268
Aktenzeichen
554
Art
Beschlussvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Beschlussvorschlag:

 

Die Verwaltung empfiehlt, dem Antrag der FDP-Fraktion nicht zuzustimmen.

 


Sachverhalt:

 

Die FDP-Kreistagsfraktion führt in ihrem Antrag (Anlage 1) auf, die Kreisverwaltung werde gebeten, Maßnahmen zur Regulierung von Kreuzkräutern umzusetzen und nachzuverfolgen. Hierzu würden die örtlichen Interessenverbände aus Naturschutz, Reitsport und Landwirtschaft sowie Imkerei gebeten, in eigener Verantwortung Maßnahmen des nachhaltigen Zurückdrängens der Pflanzenart vorzunehmen. Dabei fachgerecht entnommene Pflanzen sollten kostenlos über das Entsorgungszentrum Nienburg des BAWN entsorgt werden können. Etwaige Entsorgungskosten seien durch den Landkreis zu tragen.

Für das kommende Haushaltsjahr sollten hierfür insgesamt 3.000,- € bereitgestellt werden.

 

Im ALNU sei in geeigneter Form über die Maßnahmen zu berichten.

 

In der Begründung zum Antrag führt die FDP-Fraktion aus, Kreuzkräuter,  insbesondere das Jakobskreuzkraut (Senecio jacobaea, JKK), stellten bei weiter unregulierter Ausbreitung eine Gefahr für Tier und Mensch dar. Die im JKK enthaltenen Pyrrolizidin – Alkaloide (PA) seien hochgiftig. Tiere nähmen sie bei der Nahrungsaufnahme auf; Menschen unbedacht bei ungeschütztem Berühren (Pflücken) mit der Hand oder über Biotees oder Honig. Der Stoff reichere sich unumkehrbar in der Leber an, und könne bei entsprechenden Mengen der Aufnahme zu Organversagen führen.

Die Ausbreitung sei für jeden Bürger an den Straßenrändern, auf Kompensations-flächen und auf Naturschutzflächen wahrnehmbar. Gerade diese Flächen stellten aufgrund fehlender Bewirtschaftung eine potenzielle Gefahr für die Ausbreitung und damit das zunehmende Eindringen auf Flächen dar, die für die Futterwerbung und damit letztendlich für die menschliche Ernährung genutzt würden. Da die ungenutzten Flächen stetige Saatquelle für das JKK seien, wären diese Flächen in die Regulierungsmaßnahmen einzubeziehen.

 

 

Empfehlung der Verwaltung

 

Der Landkreis ist sich der starken Ausbreitung des Jakobskreuzkrauts sowie seiner unerwünschten Wirkungen auf Weidetiere und auf den Menschen durchaus bewusst.

 

Der gelbblühende Korbblüter ist seit Langem Bestandteil der „normalen“ heimischen Pflanzenwelt und Nahrungspflanze der Schmetterlingsart „Blutbär“. Seit etwa 10 Jahren hat sich die Art in großen Teilen Niedersachsens, weiteren Bundesländern und auch im gesamten LK Nienburg stark ausgebreitet. Neben der Windverbreitung der flugfähigen Samen spielt der Straßenverkehr als Ausbreitungsweg eine große Rolle: wie bei einigen weiteren Pflanzenarten werden die Samen auch z.B. im Reifenprofil entlang von Verkehrswegen verbreitet. Von hier aus gelingt die Einwanderung in Wegeseitenräume und Grünländer schnell.

Das Jakobskreuzkraut etabliert sich in kleinen und großen offenen Bodenstellen; schüttere Grasnarben im Grünland, lückige Stellen in Wegeseitenräumen werden besiedelt, und auf offenen Erdmieten oder in Brachen können sich binnen Kurzem sogar ganze Bestände dieser Pflanzenart entwickeln.

 

 

 

 

 

 

Eine kreisweite Eindämmung ist nicht möglich, da die Ausbreitungswege nicht unterbrochen werden können. In die Zuständigkeit der unteren Naturschutzbehörden fällt dies ohnehin nicht, da es sich nicht um eine gebietsfremde Art im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) handelt.

 

Die Besiedlung von Wegeseitenräumen durch das Jakobskreuzkraut ist aus landwirtschaftlicher Sicht zweifellos unerwünscht. Da Wegeseitenräume aber von vielen heimischen Tier- und Pflanzenarten besiedelt werden, die in der heutigen Kulturlandschaft kaum noch geeignete Lebensräume finden, haben sie unverzichtbare Funktionen im Biotopverbund und dem Artenschutz, wie sie auch im BNatSchG verankert sind.

 

Auf die Bedeutung von Wegeseitenräumen als Lebensraum für Insekten hat das niedersächsische Umweltministerium besonders hingewiesen. Im Sommer 2018 wandte sich Minister Lies mit einem Anschreiben an alle nds. Landkreise, Städte und Gemeinden und kündigte Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Insekten in den Städten und Dörfern und auch in der Feldflur an, um den dramatischen Rückgang der Insektenfauna zu stoppen.

Mit der Kampagne „Kein Sommer ohne Summen! Flower Power für Wildbiene, Hummel und Co.“ will das Umweltministerium Initiativen der niedersächsischen Kommunen zur Entwicklung vielfältiger Wegraine anstoßen und unterstützen.

 

Die Pflege von landwirtschaftlichen Wiesen und Weiden ist Aufgabe eines jeden Bewirtschafters. Die sofortige händische Beseitigung von einzeln auftretenden Jakobskreuzkraut-Pflanzen ist die einzige Möglichkeit, die Art an der Ausbreitung in einer konkreten Grünlandfläche zu hindern. Ebenso wie bei Disteln, Ampfer, Hahnenfuß oder Schachtelhalm hat jeder Bewirtschafter durch angepasste Bewirtschaftung Sorge zu tragen, dass unerwünschte Wildkräuter in den landwirtschaftlichen Flächen nicht Überhand nehmen und von ihnen keine Gefahren für die Weidetiere ausgehen. Empfehlungen zur Bekämpfung unerwünschter Pflanzenarten im Grünland im Rahmen der ordnungsgemäßen Landwirtschaft stellt die Landwirtschaftskammer bereit.

 

Eine Eindämmung in größeren Flächenzusammenhängen, z.B. dem Landkreis, ist dagegen nicht möglich. Die Pflanzenart hat sich bereits ausgebreitet und wird sich angesichts ihrer hohen Reproduktionsfähigkeit (Windverbreitung, zahlreiche langlebige Samen im Boden) nicht mehr zurückdrängen lassen.

 

Der Landkreis als Verpächter von Grünlandflächen erwartet die Weidepflege und damit die Beseitigung von unerwünschten Arten wie Disteln, Ampfer, Schachtelhalm oder Jakobskreuzkraut von jedem Pächter und weist in den neueren Verträgen auch ausdrücklich darauf hin.


 

Aus naturschutzfachlicher Sicht spricht nichts gegen die ehrenamtliche Unterstützung von Grünlandbewirtschaftern bei der gezielten händischen Beseitigung von Jakobskreuzkräutern aus betroffenen Wiesen und Weiden sowie auch aus Wegeseitenräumen. Eine Verantwortung oder Zuständigkeit der Verwaltung hierfür besteht jedoch nicht; eine Übernahme von Entsorgungskosten durch die Kreisverwaltung wird – ebenso wie für andere Acker- und Grünlandwildkräuter – nicht für zielführend gehalten.

 

In Bezug auf die Straßenbankett-Pflege durch den Landkreis  hat der Fachdienst Kreisstraßen und Umweltrecht ermittelt, dass sich das Jakobskreuzkraut grundsätzlich an allen Streckenabschnitten ausgebreitet hat. Damit sind 310 Straßenkilometer mit 620 km beidseitiger Fahrbahnlänge betroffen. Eine gezielte punktuelle Beseitigung scheidet damit aus technischer Sicht aus.

Die selektive Beseitigung einer einzelnen Pflanzenart im Wegeseitenraum ist technisch nicht möglich und kostenmäßig nicht darstellbar.

Allein eine zusätzliche einmalige Mahd der Kreisstraßen-Seitenräume würde nach Berechnungen der Nds. Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr Kosten von ca. 153.000 € verursachen.

Die vollflächige, im Jahresverlauf dann auch mehrmals zu wiederholende Mahd zur Verhinderung des Aussamens des Jakobskreuzkrauts würde andere Kräuter gleichermaßen beseitigen. Dies würde die Funktion der Wegeseitenräume im Biotopverbund zerstören und die nicht nur zu erhaltende, sondern dringend zu steigernde Bedeutung für die Insektenpopulationen erheblich beeinträchtigen. Dies wäre auch mit dem Artenschutzrecht nicht vereinbar.

 

Die Verwaltung empfiehlt aus den genannten Gründen, dem Antrag nicht zuzustimmen.

 

 


Finanzielle Auswirkungen:

 

Der Beschluss hat keine finanziellen Auswirkungen.

 


Anlagen:

 

·          Antrag der FDP-Kreistagsfraktion