Beschlussvorschlag:
Die Verwaltung empfiehlt, dem Antrag der
FDP-Fraktion nicht zuzustimmen.
Sachverhalt:
Die FDP-Kreistagsfraktion führt in ihrem Antrag (Anlage 1) auf, die
Kreisverwaltung werde gebeten, Maßnahmen zur Regulierung von Kreuzkräutern
umzusetzen und nachzuverfolgen. Hierzu würden die örtlichen Interessenverbände
aus Naturschutz, Reitsport und Landwirtschaft sowie Imkerei gebeten, in eigener
Verantwortung Maßnahmen des nachhaltigen Zurückdrängens der Pflanzenart
vorzunehmen. Dabei fachgerecht entnommene Pflanzen sollten kostenlos über das
Entsorgungszentrum Nienburg des BAWN entsorgt werden können. Etwaige
Entsorgungskosten seien durch den Landkreis zu tragen.
Für das kommende Haushaltsjahr sollten hierfür
insgesamt 3.000,- € bereitgestellt werden.
Im ALNU sei in geeigneter Form über die Maßnahmen
zu berichten.
In der Begründung zum
Antrag führt die FDP-Fraktion aus, Kreuzkräuter, insbesondere das Jakobskreuzkraut (Senecio
jacobaea, JKK), stellten bei weiter unregulierter Ausbreitung eine Gefahr
für Tier und Mensch dar. Die im JKK enthaltenen Pyrrolizidin – Alkaloide (PA)
seien hochgiftig. Tiere nähmen sie bei der Nahrungsaufnahme auf; Menschen
unbedacht bei ungeschütztem Berühren (Pflücken) mit der Hand oder über Biotees
oder Honig. Der Stoff reichere sich unumkehrbar in der Leber an, und könne bei
entsprechenden Mengen der Aufnahme zu Organversagen führen.
Die Ausbreitung sei für jeden Bürger an den Straßenrändern, auf
Kompensations-flächen und auf Naturschutzflächen wahrnehmbar. Gerade diese
Flächen stellten aufgrund fehlender Bewirtschaftung eine potenzielle Gefahr für
die Ausbreitung und damit das zunehmende Eindringen auf Flächen dar, die für
die Futterwerbung und damit letztendlich für die menschliche Ernährung genutzt
würden. Da die ungenutzten Flächen stetige Saatquelle für das JKK seien, wären
diese Flächen in die Regulierungsmaßnahmen einzubeziehen.
Empfehlung der Verwaltung
Der Landkreis ist sich
der starken Ausbreitung des Jakobskreuzkrauts sowie seiner unerwünschten
Wirkungen auf Weidetiere und auf den Menschen durchaus bewusst.
Der gelbblühende Korbblüter ist seit Langem Bestandteil der
„normalen“ heimischen Pflanzenwelt und Nahrungspflanze der Schmetterlingsart
„Blutbär“. Seit etwa 10 Jahren hat sich die Art in großen Teilen
Niedersachsens, weiteren Bundesländern und auch im gesamten LK Nienburg stark
ausgebreitet. Neben der Windverbreitung der flugfähigen Samen spielt der Straßenverkehr als Ausbreitungsweg eine große Rolle: wie bei einigen weiteren
Pflanzenarten werden die Samen auch z.B. im Reifenprofil entlang von Verkehrswegen verbreitet. Von hier aus
gelingt die Einwanderung in Wegeseitenräume und Grünländer schnell.
Das Jakobskreuzkraut
etabliert sich in kleinen und großen offenen
Bodenstellen; schüttere Grasnarben im Grünland, lückige Stellen in
Wegeseitenräumen werden besiedelt, und auf offenen Erdmieten oder in Brachen
können sich binnen Kurzem sogar ganze Bestände dieser Pflanzenart entwickeln.
Eine kreisweite Eindämmung ist nicht möglich,
da die Ausbreitungswege nicht unterbrochen werden können. In die Zuständigkeit
der unteren Naturschutzbehörden fällt dies ohnehin nicht, da es sich nicht um
eine gebietsfremde Art im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG)
handelt.
Die Besiedlung von Wegeseitenräumen durch das
Jakobskreuzkraut ist aus landwirtschaftlicher Sicht zweifellos unerwünscht. Da
Wegeseitenräume aber von vielen heimischen Tier- und Pflanzenarten besiedelt
werden, die in der heutigen Kulturlandschaft kaum noch geeignete Lebensräume
finden, haben sie unverzichtbare Funktionen im Biotopverbund und dem Artenschutz, wie sie auch im BNatSchG verankert
sind.
Auf die Bedeutung von
Wegeseitenräumen als Lebensraum für Insekten hat das niedersächsische
Umweltministerium besonders hingewiesen. Im Sommer 2018 wandte sich Minister
Lies mit einem Anschreiben an alle nds. Landkreise, Städte und Gemeinden und
kündigte Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Insekten in den Städten und
Dörfern und auch in der Feldflur an, um den dramatischen Rückgang der
Insektenfauna zu stoppen.
Mit der Kampagne „Kein Sommer ohne Summen! Flower
Power für Wildbiene, Hummel und Co.“ will das Umweltministerium
Initiativen der niedersächsischen Kommunen zur Entwicklung vielfältiger
Wegraine anstoßen und unterstützen.
Die Pflege von
landwirtschaftlichen Wiesen und Weiden ist Aufgabe eines jeden Bewirtschafters. Die sofortige händische
Beseitigung von einzeln auftretenden Jakobskreuzkraut-Pflanzen ist die einzige
Möglichkeit, die Art an der Ausbreitung in einer konkreten Grünlandfläche zu
hindern. Ebenso wie bei Disteln, Ampfer, Hahnenfuß oder Schachtelhalm hat jeder
Bewirtschafter durch angepasste Bewirtschaftung Sorge zu tragen, dass
unerwünschte Wildkräuter in den landwirtschaftlichen Flächen nicht Überhand
nehmen und von ihnen keine Gefahren für die Weidetiere ausgehen. Empfehlungen
zur Bekämpfung unerwünschter Pflanzenarten im Grünland im Rahmen der
ordnungsgemäßen Landwirtschaft stellt die Landwirtschaftskammer bereit.
Eine Eindämmung in
größeren Flächenzusammenhängen, z.B. dem Landkreis, ist dagegen nicht möglich.
Die Pflanzenart hat sich bereits ausgebreitet und wird sich angesichts ihrer
hohen Reproduktionsfähigkeit (Windverbreitung, zahlreiche langlebige Samen im
Boden) nicht mehr zurückdrängen lassen.
Der Landkreis als Verpächter von Grünlandflächen
erwartet die Weidepflege und damit die Beseitigung von unerwünschten Arten wie
Disteln, Ampfer, Schachtelhalm oder Jakobskreuzkraut von jedem Pächter und
weist in den neueren Verträgen auch ausdrücklich darauf hin.
Aus naturschutzfachlicher Sicht spricht nichts
gegen die ehrenamtliche Unterstützung von Grünlandbewirtschaftern bei der
gezielten händischen Beseitigung von Jakobskreuzkräutern aus betroffenen Wiesen
und Weiden sowie auch aus Wegeseitenräumen. Eine Verantwortung oder
Zuständigkeit der Verwaltung hierfür besteht jedoch nicht; eine Übernahme von
Entsorgungskosten durch die Kreisverwaltung wird – ebenso wie für andere Acker-
und Grünlandwildkräuter – nicht für zielführend gehalten.
In Bezug auf die Straßenbankett-Pflege durch den Landkreis hat der Fachdienst Kreisstraßen und Umweltrecht
ermittelt, dass sich das Jakobskreuzkraut grundsätzlich an allen
Streckenabschnitten ausgebreitet hat. Damit sind 310 Straßenkilometer mit 620
km beidseitiger Fahrbahnlänge betroffen. Eine gezielte punktuelle Beseitigung
scheidet damit aus technischer Sicht aus.
Die selektive Beseitigung einer einzelnen
Pflanzenart im Wegeseitenraum ist technisch nicht möglich und kostenmäßig nicht
darstellbar.
Allein eine zusätzliche einmalige Mahd der
Kreisstraßen-Seitenräume würde nach Berechnungen der Nds. Landesbehörde für
Straßenbau und Verkehr Kosten von ca. 153.000 € verursachen.
Die vollflächige, im Jahresverlauf dann auch mehrmals
zu wiederholende Mahd zur Verhinderung des Aussamens des Jakobskreuzkrauts
würde andere Kräuter gleichermaßen beseitigen. Dies würde die Funktion der
Wegeseitenräume im Biotopverbund zerstören und die nicht nur zu erhaltende,
sondern dringend zu steigernde Bedeutung für die Insektenpopulationen erheblich
beeinträchtigen. Dies wäre auch mit dem Artenschutzrecht nicht vereinbar.
Die Verwaltung empfiehlt aus den genannten Gründen,
dem Antrag nicht zuzustimmen.
Finanzielle Auswirkungen:
Der
Beschluss hat keine finanziellen Auswirkungen.
Anlagen:
·
Antrag der FDP-Kreistagsfraktion