Betreff
Antrag der K+S Minerals and Agriculture GmbH auf Erlaubnis über die Einleitung von Salzabwasser in die Werra
Vorlage
2020/044
Aktenzeichen
55-"Bündnis Hamelner Erklärung e.V."
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Landkreis Nienburg schließt sich im Erlaubnisverfahren zur Einleitung von Salzabwasser in die Werra der Stellungnahme des Bündnis Hamelner Erklärung e.V. vom 08. Juli 2020 an. Nach dem Verzicht des Baus der Oberweser-Pipeline, ist von der K+S die Beendung der Einleitung von Prozessabwässern bis Ende 2027 und der Beginn der Haldenabdeckung bis Ende 2024 verbindlich zuzusagen. Diese Zusagen und die Zielwerte ab 2028 aus dem Bewirtschaftungsplan der FGG Weser sind in die Erlaubnis mit aufzunehmen.

 


Sachverhalt:

 

Die K+S Minerals and Agriculture GmbH betreibt in Hessen und Thüringen das Werk Neuhof-Ellers und das Werk Werra (Verbundbergwerk in Hattorf, Unterbreizbach, Wintershall). In den Werken werden Kalirohsalze abgebaut und anschließend zur Verwertung als Düngemittel sowie als Vorprodukte für vielfältige technische, industrielle und pharmazeutische Anwendungen aufbereitet. Hierbei fallen salzhaltige Produktionswässer an.

 

Die festen Rückstände aus der Aufbereitung werden nach Maßgabe zugelassener bzw. planfestgestellter bergrechtlicher Betriebspläne aufgehaldet. Bei der Aufhaldung entstehen aufgrund von Niederschlägen salzhaltige Abwässer. Des Weiteren fallen im Rahmen des Bergbaubetriebes noch weitere Salzabwasserströme wie beispielsweise Gruben- und Drainwässer an. Sämtliche Wässer sind durch die K+S Minerals and Agriculture GmbH ordnungsgemäß zu entsorgen.

 

Zwei hierfür erteilte wasserrechtliche Erlaubnisse sind bis Ende 2020 befristet und sollen nunmehr durch ein Verfahren mit integrierter UVP beim Regierungspräsidium Kassel für den Zeitraum bis 31.12.2027 erneuert werden.

 

Der Antrag umfasst im Wesentlichen die maximalen Einleitmengen für Salzabwasser (2021: 6,7 Mio. m³/a, 2022 - 2027: 6,1 Mio. m³/a), die zeitlich abgestufte Festlegung von Grenz- und Zielwerten am Pegel Gerstungen, die maximale Jahreseinleitfracht von Haldenabwässern (aus Sicherungs- und Kompensationsmaßnahmen), spezielle Grenzwerte für weitere Stoffe (z. B. Schwermetalle) sowie die jährlichen Schmutzwassermengen der Werke Hattorf, Wintershall und Neuhof (2021: 4,95 Mio. m³/a, 2022- 2027: 4,38 Mio. m³/a).

 

Die Salzabwässer sollen über drei vorhandene Stellen in die Werra eingeleitet werden (Philippsthal und Heringen).

 

Die an der Werra und Weser liegenden Gemeinden und Landkreise sowie weitere Träger öffentlicher Belange haben vom RP Kassel mit Verlängerung bis zum 15.09.2020 die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme erhalten.

 

Der Landkreis Nienburg/Weser war in den beiden vergangenen Jahrzehnten regelmäßig in Verfahren des RP Kassel zur Erteilungen von bergrechtlichen Betriebsplänen und wasserrechtlichen Erlaubnissen beteiligt gewesen. Bereits im März 2007 hatte sich der Kreistag in einer Resolution gegen den Bau einer Pipeline zur Ableitung von Haldenabwässern aus Neuhof-Ellers ausgesprochen. 2010 schloss sich der Landkreis einer Resolution des Weserbundes an, die u. a. den Bau einer Fernleitung für unvermeidbares Salzabwasser zur Nordsee sowie die Halbierung der Einleitmengen in die Werra bis 2015 zum Inhalt hatte.

 

In Folge hatte sich K+S über ein 360 Mio. € Bauprogramm vertraglich verpflichtet die Salzabwassermengen von 14,0 Mio. auf 7,0 Mio. m³/a zu verringern und dieses Ziel bis heute auch erreicht. Die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens zum Bau einer Fernleitung für unvermeidbare Abwässer in die Nordsee war jedoch aus Sicht des Umweltschutzes, vorgetragen u. a. durch das Land Niedersachsen, gescheitert.

 

 

 

Ziel ist weiterhin, an den Standorten der K+S technisch alle verfügbaren Verfahren zur Behandlung und damit Verringerung der Produktionsabwässer sowie zur Vermeidung, z. B. durch die Abdeckung der Rückstandshalden, umzusetzen.

 

Parallel zum Bau der Nordseefernleitung überlegte Pläne zum Bau einer Oberweserpipeline, um nicht vermeidbare Salzabwässer nach dem Zusammenfluss von Werra und Fulda in die Weser zu verdünnen, waren aus vergleichbaren Gründen nicht umsetzbar. Der Landkreis Nienburg hatte sich im Mai 2013 auch hier der ablehnenden Haltung des Weserbund e. V. angeschlossen.

 

Ein durch die EU 2012 gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren, in dem der Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie geahndet werden sollte, kann nur abgewendet werden, wenn spätestens bis 2027 das gute ökologische Potential an Werra und Weser erreicht wird. Hierfür hat die Flussgebietsgemeinschaft Weser (FGG Weser) in einem Bewirtschaftungsplan Salz 2016 Zielwerte vorgegeben, die die K+S bis zum Ende der 3. Bewirtschaftungsperiode erreichen muss. In der Vorgabe über die Zielwerte war auch der Bau einer Pipeline zur Oberweser vorgesehen.

 

Seit März 2018 vertritt das Bündnis Hamelner Erklärung e. V. über den Ausschuss Weserversalzung auch die Interessen des Landkreises Nienburg mit weiteren Kommunen im Weser-Werra-Gebiet. Das Bündnis wird durch Rechtanwalt de Witt, Potsdam beraten und hat am 08. Juli 2020 zum Antrag der K+S Stellung genommen (Anlage 1).

 

Darin stellt das Bündnis heraus, dass das Ziel der Verringerung von Salzabwasser aus den Produktionsstandorten nicht durch den Bau einer Oberweserpipeline zu lösen ist und daher den Verzicht darauf durch die K+S begrüßt. in Folge hatte die FGG Weser auf ihrer Konferenz am 15.08.2019 den Bau dieser Leitung gestrichen. Im Gegenzug soll sich die K+S verpflichten, bis Ende 2027 vollständig auf die Einleitung von Prozessabwässern zu verzichten sowie durch verschiedene Maßnahmen der Haldenabdeckung den Anfall von Salzabwässern zu reduzieren.

 

Die K+S wird sich in einer Gesamtstrategie zur Reduzierung der Salzabwässer über einen Vertrag verpflichten, der einschließlich eines Maßnahmenkatalogs dazu führen wird, dass die Zielwerte für Salzkonzentrationen der FGG Weser ab 2028 erreicht und unterschritten werden. Die Vertragsverhandlungen hierüber stehen kurz vor dem Abschluss. Die Paraphierung des Vertrages ist für den 10.08.2020 geplant. Über das Ergebnis wird in dieser Sitzung berichtet.

 

Das Landkreisbündnis und die Gemeinden fordern gegenüber dem RP Kassel, dass die Inhalte der Vereinbarung nicht hinter den Bestimmungen der Erlaubnis zurückbleiben dürfen. Die Zusagen der K+S sind mit der Genehmigung somit öffentlich-rechtlich zu sichern und im Bedarfsfall auch durchsetzbar.

 

 

 

 

 

 

Die Stellungnahme enthält folgende zentrale Forderungen:

 

1.         Das Hamelner Bündnis akzeptiert für 2021 die Beibehaltung der Grenz- und Zielwerte aus 2020, die deutlich unter dem Zielwertkonzept der FGG Weser von 2016 liegen (für Chlorid: 2.310 statt 1.580 mg/l). Hierfür müssen die geplanten Maßnahmen zur Einstapelung von konditioniertem Salzabwasser Untertage in 2021 vorbereitet und ab 2022 begonnen werden. Eine Nebenbestimmung muss den Widerruf/Vorbehalt enthalten, dass im Falle des nicht ab 2022 beginnenden Einstapelns der Prozessabwässer im Grubenfeld Springen die strengeren Zielwerte der FGG Weser wieder gelten.

 

2.         Für die Einleitung von Salzabwasser im Zeitraum von 2022 bis 2027 benennt das Bündnis für Chlorid eine erhebliche Differenz zwischen dem Zielwert der FGG Weser ab 01.01.2028 mit 1.170 mg/l und dem beantragten Wert bis Ende 2027 mit 1.800 mg/l. Da die K+S in der Vereinbarung verbindlich zusagen wird, dass ab 2028 keine Prozessabwässer mehr in die Werra eingeleitet werden, muss daher auch eine verbindliche Entscheidung über die Ziel-/Grenzwerte ab 2028 getroffen werden. Hierzu sind als Maßnahmen weitere Reduzierungen der Prozessabwässer und Einstapelungen in den Grubenfeldern bis 2024 zu planen und spätestens ab 2025 umzusetzen. Auch hierfür muss der RP Kassel in der Erlaubnis einen Vorbehalt übernehmen, dass bei nicht fristgerechter Vorlage eines Maßnahmenkonzeptes vor Baubeginn, die Werte der FGG Weser von 2016 wieder festgesetzt werden.

 

3.         Für die Haldenabdeckung fordert das Bündnis, dass damit die in erheblicher Menge anfallenden Salzabwässer deutlich verringert werden (2019: 3,49 Mio. m³/a). Da sich Maßnahmen zur Haldenabdeckung derzeit noch im Entwicklungsstadium befinden, beantragt das Bündnis den Vorbehalt zur Änderung der Erlaubnis, wenn nachweislich nicht bis Ende 2024 mit der Abdeckung der Haldenflanken begonnen wurde.

 

Mit diesen Maßgaben stimmt das Bündnis Hamelner Erklärung dem Antrag der K+S zu.

 

In einer Entscheidung über die Stellungnahme zum Antrag der K+S ist zu berücksichtigen, dass bei Einhaltung der Zielwerte der FGG Weser aus 2016 in dem Zeitraum von 2022 bis 2027 (1.580 mg/l für Chlorid am Pegel Gerstungen) die K+S eine Verringerung der Salzabwassermengen um zusätzlich 890.000 m³/a mit entsprechend hohen Produktionseinbußen hinnehmen müsste.

 

Im Landkreis Nienburg befindet sich die maßgebliche Messstelle zur Beurteilung der Salzbelastung der Mittelweser in Drakenburg. Nach dem Fachgutachten Wasser (Sydro, 2020) wird nach vollständiger Einstellung der Einleitung von Prozessabwässern in die Werra, der Zielwert für Chlorid der FGG Weser ab 2028 mit 250 mg/l (ZW = 295 mg/l) unterschritten. Im Bestand 2019 liegt der Wert in Drakenburg noch bei 381 mg/l (als 90-Perzentil). In 2013 war dieser Wert mit 469 mg/l noch deutlich höher (s. Abb. Anlage 2). Die in der Vergangenheit durch die K+S durchgeführten Maßnahmen zur Verringerung der Einleitungsmenge von Prozessabwässern zeigen daher bereits erste positive Entwicklungen für den Zustand der Mittelweser.

 

Die Verwaltung empfiehlt daher, sich der Stellungnahme des Bündnis Hamelner Erklärung e.V. vom 8. Juli 2020 anzuschließen.


Finanzielle Auswirkungen:

 

Der Beschluss hat keine finanziellen Auswirkungen.

 


Anlagen:

 

1 – Stellungnahme des Bündnis Hamelner Erklärung e. V. vom 08.07.2020

 

2 – Abbildung Konzentrationsentwicklung für Salz am Pegel Drakenburg