Beschlussvorschlag:
Der
Landkreis Nienburg schließt sich im Erlaubnisverfahren zur Einleitung von
Salzabwasser in die Werra der Stellungnahme des Bündnis Hamelner Erklärung e.V.
vom 08. Juli 2020 an. Nach dem Verzicht des Baus der Oberweser-Pipeline, ist
von der K+S die Beendung der Einleitung von Prozessabwässern bis Ende 2027 und
der Beginn der Haldenabdeckung bis Ende 2024 verbindlich zuzusagen. Diese
Zusagen und die Zielwerte ab 2028 aus dem Bewirtschaftungsplan der FGG Weser
sind in die Erlaubnis mit aufzunehmen.
Sachverhalt:
Die
K+S Minerals and Agriculture GmbH betreibt in Hessen und Thüringen das Werk
Neuhof-Ellers und das Werk Werra (Verbundbergwerk in Hattorf, Unterbreizbach,
Wintershall). In den Werken werden Kalirohsalze abgebaut und anschließend zur
Verwertung als Düngemittel sowie als Vorprodukte für vielfältige technische,
industrielle und pharmazeutische Anwendungen aufbereitet. Hierbei fallen
salzhaltige Produktionswässer an.
Die
festen Rückstände aus der Aufbereitung werden nach Maßgabe zugelassener bzw.
planfestgestellter bergrechtlicher Betriebspläne aufgehaldet. Bei der
Aufhaldung entstehen aufgrund von Niederschlägen salzhaltige Abwässer. Des
Weiteren fallen im Rahmen des Bergbaubetriebes noch weitere Salzabwasserströme
wie beispielsweise Gruben- und Drainwässer an. Sämtliche Wässer sind durch die
K+S Minerals and Agriculture GmbH ordnungsgemäß zu entsorgen.
Zwei
hierfür erteilte wasserrechtliche Erlaubnisse sind bis Ende 2020 befristet und
sollen nunmehr durch ein Verfahren mit integrierter UVP beim Regierungspräsidium
Kassel für den Zeitraum bis 31.12.2027 erneuert werden.
Der
Antrag umfasst im Wesentlichen die maximalen Einleitmengen für Salzabwasser
(2021: 6,7 Mio. m³/a, 2022 - 2027: 6,1 Mio. m³/a), die zeitlich abgestufte
Festlegung von Grenz- und Zielwerten am Pegel Gerstungen, die maximale
Jahreseinleitfracht von Haldenabwässern (aus Sicherungs- und
Kompensationsmaßnahmen), spezielle Grenzwerte für weitere Stoffe (z. B.
Schwermetalle) sowie die jährlichen Schmutzwassermengen der Werke Hattorf,
Wintershall und Neuhof (2021: 4,95 Mio. m³/a, 2022- 2027: 4,38 Mio. m³/a).
Die
Salzabwässer sollen über drei vorhandene Stellen in die Werra eingeleitet werden
(Philippsthal und Heringen).
Die
an der Werra und Weser liegenden Gemeinden und Landkreise sowie weitere Träger
öffentlicher Belange haben vom RP Kassel mit Verlängerung bis zum 15.09.2020
die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme erhalten.
Der
Landkreis Nienburg/Weser war in den beiden vergangenen Jahrzehnten regelmäßig
in Verfahren des RP Kassel zur Erteilungen von bergrechtlichen Betriebsplänen
und wasserrechtlichen Erlaubnissen beteiligt gewesen. Bereits im März 2007
hatte sich der Kreistag in einer Resolution gegen den Bau einer Pipeline zur
Ableitung von Haldenabwässern aus Neuhof-Ellers ausgesprochen. 2010 schloss
sich der Landkreis einer Resolution des Weserbundes an, die u. a. den Bau einer
Fernleitung für unvermeidbares Salzabwasser zur Nordsee sowie die Halbierung
der Einleitmengen in die Werra bis 2015 zum Inhalt hatte.
In
Folge hatte sich K+S über ein 360 Mio. € Bauprogramm vertraglich verpflichtet
die Salzabwassermengen von 14,0 Mio. auf 7,0 Mio. m³/a zu verringern und dieses
Ziel bis heute auch erreicht. Die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens zum
Bau einer Fernleitung für unvermeidbare Abwässer in die Nordsee war jedoch aus
Sicht des Umweltschutzes, vorgetragen u. a. durch das Land Niedersachsen,
gescheitert.
Ziel
ist weiterhin, an den Standorten der K+S technisch alle verfügbaren Verfahren
zur Behandlung und damit Verringerung der Produktionsabwässer sowie zur Vermeidung,
z. B. durch die Abdeckung der Rückstandshalden, umzusetzen.
Parallel
zum Bau der Nordseefernleitung überlegte Pläne zum Bau einer Oberweserpipeline,
um nicht vermeidbare Salzabwässer nach dem Zusammenfluss von Werra und Fulda in
die Weser zu verdünnen, waren aus vergleichbaren Gründen nicht umsetzbar. Der
Landkreis Nienburg hatte sich im Mai 2013 auch hier der ablehnenden Haltung des
Weserbund e. V. angeschlossen.
Ein
durch die EU 2012 gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren,
in dem der Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie
geahndet werden sollte, kann nur abgewendet werden, wenn spätestens bis 2027
das gute ökologische Potential an Werra und Weser erreicht wird. Hierfür hat
die Flussgebietsgemeinschaft Weser (FGG Weser) in einem Bewirtschaftungsplan
Salz 2016 Zielwerte vorgegeben, die die K+S bis zum Ende der 3.
Bewirtschaftungsperiode erreichen muss. In der Vorgabe über die Zielwerte war
auch der Bau einer Pipeline zur Oberweser vorgesehen.
Seit
März 2018 vertritt das Bündnis Hamelner Erklärung e. V. über den Ausschuss
Weserversalzung auch die Interessen des Landkreises Nienburg mit weiteren Kommunen
im Weser-Werra-Gebiet. Das Bündnis wird durch Rechtanwalt de Witt, Potsdam
beraten und hat am 08. Juli 2020 zum Antrag der K+S Stellung genommen (Anlage 1).
Darin
stellt das Bündnis heraus, dass das Ziel der Verringerung von Salzabwasser aus
den Produktionsstandorten nicht durch den Bau einer Oberweserpipeline zu lösen
ist und daher den Verzicht darauf durch die K+S begrüßt. in Folge hatte die FGG
Weser auf ihrer Konferenz am 15.08.2019 den Bau dieser Leitung gestrichen. Im
Gegenzug soll sich die K+S verpflichten, bis Ende 2027 vollständig auf die Einleitung
von Prozessabwässern zu verzichten sowie durch verschiedene Maßnahmen der
Haldenabdeckung den Anfall von Salzabwässern zu reduzieren.
Die
K+S wird sich in einer Gesamtstrategie zur Reduzierung der Salzabwässer über
einen Vertrag verpflichten, der einschließlich eines Maßnahmenkatalogs dazu
führen wird, dass die Zielwerte für Salzkonzentrationen der FGG Weser ab 2028
erreicht und unterschritten werden. Die Vertragsverhandlungen hierüber stehen
kurz vor dem Abschluss. Die Paraphierung des Vertrages ist für den 10.08.2020
geplant. Über das Ergebnis wird in dieser Sitzung berichtet.
Das
Landkreisbündnis und die Gemeinden fordern gegenüber dem RP Kassel, dass die
Inhalte der Vereinbarung nicht hinter den Bestimmungen der Erlaubnis zurückbleiben
dürfen. Die Zusagen der K+S sind mit der Genehmigung somit öffentlich-rechtlich
zu sichern und im Bedarfsfall auch durchsetzbar.
Die
Stellungnahme enthält folgende zentrale Forderungen:
1. Das Hamelner Bündnis akzeptiert für
2021 die Beibehaltung der Grenz- und Zielwerte aus 2020, die deutlich unter dem
Zielwertkonzept der FGG Weser von 2016 liegen (für Chlorid: 2.310 statt 1.580
mg/l). Hierfür müssen die geplanten Maßnahmen zur Einstapelung von konditioniertem
Salzabwasser Untertage in 2021 vorbereitet und ab 2022 begonnen werden. Eine
Nebenbestimmung muss den Widerruf/Vorbehalt enthalten, dass im Falle des nicht
ab 2022 beginnenden Einstapelns der Prozessabwässer im Grubenfeld Springen die
strengeren Zielwerte der FGG Weser wieder gelten.
2. Für die Einleitung von Salzabwasser im
Zeitraum von 2022 bis 2027 benennt das Bündnis für Chlorid eine erhebliche
Differenz zwischen dem Zielwert der FGG Weser ab 01.01.2028 mit 1.170 mg/l und
dem beantragten Wert bis Ende 2027 mit 1.800 mg/l. Da die K+S in der
Vereinbarung verbindlich zusagen wird, dass ab 2028 keine Prozessabwässer mehr
in die Werra eingeleitet werden, muss daher auch eine verbindliche Entscheidung
über die Ziel-/Grenzwerte ab 2028 getroffen werden. Hierzu sind als Maßnahmen
weitere Reduzierungen der Prozessabwässer und Einstapelungen in den
Grubenfeldern bis 2024 zu planen und spätestens ab 2025 umzusetzen. Auch
hierfür muss der RP Kassel in der Erlaubnis einen Vorbehalt übernehmen, dass
bei nicht fristgerechter Vorlage eines Maßnahmenkonzeptes vor Baubeginn, die
Werte der FGG Weser von 2016 wieder festgesetzt werden.
3. Für die Haldenabdeckung fordert das
Bündnis, dass damit die in erheblicher Menge anfallenden Salzabwässer deutlich
verringert werden (2019: 3,49 Mio. m³/a). Da sich Maßnahmen zur Haldenabdeckung
derzeit noch im Entwicklungsstadium befinden, beantragt das Bündnis den
Vorbehalt zur Änderung der Erlaubnis, wenn nachweislich nicht bis Ende 2024 mit
der Abdeckung der Haldenflanken begonnen wurde.
Mit
diesen Maßgaben stimmt das Bündnis Hamelner Erklärung dem Antrag der K+S zu.
In
einer Entscheidung über die Stellungnahme zum Antrag der K+S ist zu berücksichtigen,
dass bei Einhaltung der Zielwerte der FGG Weser aus 2016 in dem Zeitraum von 2022
bis 2027 (1.580 mg/l für Chlorid am Pegel Gerstungen) die K+S eine Verringerung
der Salzabwassermengen um zusätzlich 890.000 m³/a mit entsprechend hohen
Produktionseinbußen hinnehmen müsste.
Im
Landkreis Nienburg befindet sich die maßgebliche Messstelle zur Beurteilung der
Salzbelastung der Mittelweser in Drakenburg. Nach dem Fachgutachten Wasser
(Sydro, 2020) wird nach vollständiger Einstellung der Einleitung von
Prozessabwässern in die Werra, der Zielwert für Chlorid der FGG Weser ab 2028
mit 250 mg/l (ZW = 295 mg/l) unterschritten. Im Bestand 2019 liegt der Wert in
Drakenburg noch bei 381 mg/l (als 90-Perzentil). In 2013 war dieser Wert mit
469 mg/l noch deutlich höher (s. Abb. Anlage
2). Die in der Vergangenheit durch die K+S durchgeführten Maßnahmen zur
Verringerung der Einleitungsmenge von Prozessabwässern zeigen daher bereits
erste positive Entwicklungen für den Zustand der Mittelweser.
Die
Verwaltung empfiehlt daher, sich der Stellungnahme des Bündnis Hamelner Erklärung
e.V. vom 8. Juli 2020 anzuschließen.
Finanzielle Auswirkungen:
Der
Beschluss hat keine finanziellen Auswirkungen.
Anlagen:
1
– Stellungnahme des Bündnis Hamelner Erklärung e. V. vom 08.07.2020
2
– Abbildung Konzentrationsentwicklung für Salz am Pegel Drakenburg