Betreff
Stromsparcheck im Landkreis Nienburg/Weser
Vorlage
2020/132
Art
Beschlussvorlage

Die Teilnahme an dem bundesweiten Projekts „Stromsparcheck“ wird derzeit nicht angestrebt.


Sachverhalt

Hintergrund zum Thema „Energiekosten in der sozialen Sicherung“:

 

Erstmals Mitte 2014 ist der Arbeitskreis "Stoppt Energiesperren" an den Landkreis Nienburg/Weser herangetreten, um über das Ausmaß von verhinderten und durchgeführten Stromsperren ins Gespräch zu kommen.

 

Die Abfrage der operativen Bereiche im Jobcenter Nienburg und im Fachdienst 312 hat damals ergeben, dass sich die Zusammenarbeit mit dem (Grund-)Versorger EON Avacon problematischer darstellt, als zu Zeiten, als in Nienburg noch eine Mahnstelle vorgehalten wurde. Die Erreichbarkeit, aber auch die "Kompromissbereitschaft" der zentralen Telefon-Hotline der EON/Avacon wurde seitens der Kunden, aber auch der Sachbearbeiter/innen, bemängelt. Wegen der regelmäßigen Eilbedürftigkeit erweisen sich die von der EON-Hotline einzuhaltenden Datenschutzbestimmungen als hinderlich. Zwar kann der Kunde selbst telefonisch eine Berechtigung für Auskünfte an das Jobcenter im System hinterlegen lassen, aber auch dies überfordert mache Hilfesuchenden in ihrer Situation.

 

Im Rahmen einer effektiven Beratung und Hilfe hat es sich deswegen beim Jobcenter Nienburg bewährt, bei Vorsprache des Kunden wegen Stromdarlehen in dessen Gegenwart bei der EON Avacon und den Stadtwerken Nienburg (eher selten bei anderen Anbietern) anzurufen und die Berechtigung hinterlegen zu lassen. Die Erreichbarkeit von sonstigen, auswärtigen Stromanbietern ist dagegen nicht immer schnell möglich.

 

Ein auffälliger Problembereich waren und sind Wohnungen, die energetisch nicht modernisiert wurden und/oder über veraltete Elektro-(Nachtspeicher)-Heizsysteme verfügen (Schwerpunkt: „Ernsting Wohnungen"  im Am Ahornbusch in Nienburg, werden aber Zug um Zug saniert!). Im Rechtskreis des SGB II sind auch vermehrt junge Familien und Alleinerziehende mit Kleinkindern betroffen, bei denen häufig die bisherigen mtl. Stromabschläge nicht dem tatsächlichen Verbrauchsverhalten angepasst wurden.

 

Das Jobcenter und der Fachbereich 312 gewähren auf Antrag Darlehen zur Nachzahlung von Stromrückständen und hohen Nachforderungen aufgrund der Endabrechnung nach den jeweiligen Vorschriften des SGB II bzw. SGB XII. Unter Beachtung dieser gesetzlichen Regelungen und der untergesetzlichen Dienstanweisungen  steht das Ziel im Vordergrund, eine drohende Versorgungseinstellung durch priorisierte Bearbeitung oder Kontaktaufnahme zum Netzbetreiber/Versorger zu verhindern.

 

Im Wege des Ermessens erfolgt fast ausnahmslos die Übernahme der Rückstände, im Regelfall mit der Folge, dass weitere Abschlagzahlungen während eines andauernden Hilfebezuges direkt an den Versorger entrichtet werden. Zur Unterstützung dieser Strukturen hat eine fachliche Arbeitsgruppe (Dez. #, FBL 31, FDL 312, Klimaschutz-agentur, Jobcenter und Vertreter des AK "Stoppt Energiesperren) im Mai 2016 einen entsprechenden Flyer entwickelt und auf geeignete Weise verbreitet.

 

Aus Sicht der Verwaltung haben die vereinbarten Abläufe dazu beigetragen, dass das Problem von (drohenden) Stromsperren tatsächlich auf Einzelfälle begrenzt ist, die dann in den Systemen der sozialen Sicherung angemessen (d.h. prioritär) bearbeitet werden. Eine genaue Ermittlung der Stromsperren im Landkreis Nienburg, die beim Grundversorger E.ON angefordert wurde, liegt noch nicht wieder vor.

 

 

Der Stromsparcheck:

 

Seit dem Jahr 2014 hat der Arbeitskreis „Stoppt Stromsperren“ wiederholt, zuletzt am 14.03.2019, die Teilnahme des Landkreises Nienburg/Weser an dem bundesweiten Projekt "Stromspar-Check" befürwortet.

 

Hierzu hat es im Juli 2016 eine Vorstellung des (bundesweiten) Projekts durch die federführende Caritas gegeben. Seinerzeit kam eine Realisierung des Projekts unter Beteiligung des zuerst eingebundenen Fachbereiches 31 wegen einer nicht auskömmlichen Finanzierung nicht zustande.

 

In dem bundesweiten Projekt Stromspar-Check werden Haushalte mit geringem Einkommen in der eigenen Wohnung kostenlos zum Energie- und Wassersparen beraten. So können sie nicht nur den eigenen Geldbeutel, sondern zugleich die Umwelt schonen.

Der Stromspar-Check verbindet Klimaschutz und Sozialpolitik, Beschäftigungsförderung und Umweltbildung. Durch Beratung und Soforthilfen sparen Haushalte mit geringem Einkommen Energiekosten. Der geringere Energieverbrauch hilft wiederum beim Klimaschutz, ehemals langzeitarbeitslose Menschen finden eine sinnvolle Arbeit und die Kommunen profitieren durch geringere Sozialausgaben bei den Kosten der Unterkunft.

 

Auf Bundesebene sind der Deutsche Caritasverband e. V. (DCV) und der Bundesverband der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands (eaD) e. V. für die Projektsteuerung verantwortlich. Den Stromspar-Check gibt es bereits in weit mehr als 150 Städten und Gemeinden. Umgesetzt wird er vor Ort von Bildungs- oder Beschäftigungsträgern u. a. der Freien Wohlfahrtspflege.

Haushalte mit geringem Einkommen können sich bei ihrem lokalen Standort dazu anmelden. Berechtigt sind Personen, die Sozialleistungen wie zum Beispiel Arbeitslosengeld II, Grundsicherung, Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen.

 

Die Stromspar-Teams besuchen die Haushalte, die sich zum Check gemeldet haben, messen vor Ort den Strom- und Wasserverbrauch von Geräten und analysieren das Verbrauchsverhalten der Bewohner. Sie geben praktische Tipps, wie die Haushalte alleine durch Verhaltensänderungen Energie einsparen können. Ganz ohne bauliche Maßnahmen.

Außerdem bringen sie Energie- und Wassersparartikel im Wert von durchschnittlich 70 Euro mit, die direkt eingebaut werden. Zu diesen „Soforthilfen“ gehören unter anderem LEDs, Zeitschaltuhren, schaltbare Steckdosenleisten, Durchflussbegrenzer, wassersparende Duschköpfe, Hygrometer sowie Raumthermometer.

 

 

 

Der klimaschutzpolitische Nutzen des Projektes steht außer Frage. Die Förderung von (einzelnen)  SGB II-Beziehern durch den Einsatz als Energieberatung ist zu begrüßen. Die Vorstellung, geeignete Personen mit den Förderungsvoraussetzungen des § 16 i SGB II zu finden ist sehr optimistisch, das Jobcenter Nienburg hat in Vorgesprächen aber eine Besetzung in Aussicht gestellt.

 

Dass realisierte Hilfen in den Haushalten der Empfänger von Sozialleistungen zu Einsparungen führen werden, ist unstrittig und sozialpolitisch zu begrüßen.

Allerdings ist die Ersparnis für den kommunalen Haushalt marginal. Die bundesweit durchschnittlichen knapp 150,00 € berechnen sich aus der Summe der Ersparnisse der einzelnen Hilfen im Verlauf ihrer „Lebensdauer“ (7–10 Jahre), das heißt, dass pro Jahr und Haushalt etwa 15,00 € Einsparungen entstehen können, von denen der kommunale Haushalt profitiert.

Bei der optimistischen Annahme, dass 100 Haushalte beraten werden können, kann somit eine Einsparung pro Jahr i.H.v. 1.500,00 € generiert werden.

Auf die „Lebensdauer“ der Maßnahmen von bis zu 10 Jahren bezogen würde sich eine Einsparung von 15.000,00 € errechnen. Dieser Wert enthält aber diverse Annahmen, die in der Praxis ein deutlich geringeres Ergebnis erwarten lassen. Insbesondere besteht bei den angestrebten Empfängern aus dem Rechtkreis SGB II, aber auch bei Asylbewerbern, die Erwartung, dass diese nicht über die Zeit der nächsten 10 Jahre im Leistungsbezug verbleiben. Nach dem Ausscheiden aus dem Leistungsbezug bliebe die Ersparnis für den privaten Haushalt, als kommunale Einsparung von Sozialleistungen würde es dann aber nicht mehr gelten können.

 

Die Klimaschutzagentur hat deutlich gemacht, dass sie die Ziele des Projekts ausdrücklich befürwortet und daran interessiert ist, den Stromspar-Check im Landkreis Nienburg zu implementieren. Bei der Frage der Finanzierung muss aber davon auszugehen werden, dass ein möglicher Träger des lokalen Projekts eine Finanzierung durch den örtlichen Träger der Sozialhilfe, also dem Landkreis Nienburg, benötigen und beantragen würde.

 

Eine Betrachtung durch den FB 31 unter Berücksichtigung der Steigerung der Personal- und Sachkosten sowie der Fördermöglichkeiten durch das Jobcenter Nienburg (§§ 16 e, 16 i SGB II) geht dabei von einem zu übernehmenden Defizit von bis zu 60.000 € aus.

 

Somit würde der langfristigen Ersparnis einer Jahreskapazität des Projekts i.H.v. bis zu 15.000,00 € einem Förderbedarf von ca. 60.000,00 € gegenüber.

Die Verwaltung hält gerade angesichts der unsicheren finanziellen Entwicklung der kommunalen Haushalte aufgrund der Corona-Pandemie die Übernahme des Defizits als freiwillige Leistung derzeit nicht für geboten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kalkulation Stromspar-Check im Landkreis Nienburg

 

 Kalkulation 2019/20

Personalkosten - Gesamt

 

Personalkosten inkl. Overhead

        45.000,00 €

Personalkosten Stromsparteams (durch Jobcenter nach § 16i SGB II)

      100.000,00 €

Energiefachliche Begleitung der Standorte
(Kostenübernahme von Seiten des BMUBs über eaD)

        12.000,00 €

Wert der Soforthilfen

  

Energie- und Wassersparartikel und Kühlgerätegutscheine

        10.000,00 €

Sachkosten

          6.200,00 €

Fahrtkosten (Teilnehmer und Anleiter)

          8.000,00 €

Summe Ausgaben

   181.200,00 €

Drittmittel Jobcenter (§ 16i SGB II)

      100.000,00 €

Drittmittel Landkreis)

 ?

Drittmittel Energieversorger und Wohnungsbaugesellschaft

 ?

BMUB - Finanzierung: der Soforthilfen
(Energie- und Wassersparartikel und Kühlgerätegutscheine

        10.000,00 €

BMUB - Finanzierung: Energiefachliche Begleitung
(Kostenübernahme von Seiten des BMUs über eaD)

        12.000,00 €

Summe Einnahmen

   122.000,00 €

Differenz

-59.200,00 €

 

 


Finanzielle Auswirkungen:

 

Der Beschluss hat keine finanziellen Auswirkungen.

 


Anlagen:

 

·         keine