Betreff
Integriertes Mobilitätskonzept für den Landkreis Nienburg/Weser
Vorlage
2020/147
Aktenzeichen
54.16.57
Art
Beschlussvorlage

Der Landkreis stellt mit Hilfe von externen Verkehrsplaner*innen ein integriertes Mobilitätskonzept auf. Hierfür sollen Finanzmittel mit einem Kostenrahmen von 70.000 € in den Haushalt für das Jahr 2021 eingestellt werden.


Sachverhalt

Ausgangslage

Der Landkreis Nienburg/Weser mit einer Fläche von 1.399 km² wird von dreizehn größeren zentralen Orten und dünn besiedelten ländlichen Räumen mit zahlreichen Klein- und Kleinstsiedlungen gebildet. Die Distanzen zwischen den einzelnen Grundzentren sowie die Entfernung zur Kreisstadt Nienburg als einzigem Mittelzentrum im Kreisgebiet sind verhältnismäßig groß. Überregional bedeutsame Pendlerverflechtungen des Kreisgebietes bestehen vor allem mit

-           der Region Hannover (6.101 Aus- und 1.520 Einpendler)

-           angrenzenden Teilen Ost-Westfalens (3.679 Aus- und 1.734 Einpendler)

-           dem Landkreis Diepholz (2.110 Aus- und 2.092 Einpendler)

-           dem Landkreis Verden (1.652 Aus- und 838 Einpendler) und

-           der Hansestadt Bremen (820 Aus- und 112 Einpendler).

Auch innerhalb des Kreisgebietes ergibt sich ein reger Pendlerverkehr. Die mittlere Entfernung von Wegen, die direkt von zu Hause zum Arbeitsplatz führen, beträgt 16 Kilometer im Bundesdurchschnitt, im Landkreis Nienburg/Weser ist sie fast doppelt so hoch. Diese Fahrten werden ganz überwiegend mit dem eigenen PKW und nur zu einem kleinen Teil im ÖPNV bewältigt.

Daneben werden täglich ca. 7.500 Schülerinnen und Schüler mit Bussen zu verschiedenen Schulen im Kreisgebiet befördert.

Eine unbekannte Zahl von Radfahrer*innen fährt mit dem Fahrrad zur Schule oder zur Arbeit. Im Bereich der Nahmobilität kommen unzählige zu Fuß erbrachte Wege hinzu. Neben den Mobilitätsgründen „Arbeit“ und „Schule“ gibt es zahlreiche andere Gründe für Mobilität, z.B. „Einkaufen“, „Arztbesuch“, etc.. Gerade in den dünnbesiedelten ländlichen Räumen des Kreisgebiets müssen auch für diese Zwecke z.T. lange Wege zurückgelegt werden.

Die aus dieser Mobilität resultierenden Verkehrsströme sind insgesamt sehr diffus. Im Rahmen eines integrierten Mobilitätskonzeptes sollen Vorschläge unterbreitet werden, wie sie optimiert und vernetzt werden können.

Verkehrsangebote im Kreisgebiet

Im Schienenverkehr werden die Verkehre auf der Nord-Süd-Achse (Bremen - Verden – Nienburg - Hannover) mit einem attraktiven Angebot bedient. Im Kfz-Verkehr sind es vor allem die Bundesstraßen, die für eine relativ gute Anbindung sorgen.

Auf den Hauptachsen des straßengebundenen öffentlichen Personenverkehrs (ÖPNV) werden die Grundzentren im Kreisgebiet mit sieben sog. Regio-Linien, die überwiegend im 1 oder 2-Stunden-Takt verkehren, an die Kreisstadt angebunden. Darüber hinaus ist das straßengebundene ÖPNV-Angebot im Kreisgebiet weitgehend auf die Belange der Schülerbeförderung zugeschnitten. In der Stadt Nienburg wird mit sechs Stadtbuslinien ein attraktives ÖPNV-Angebot unterbreitet.

Der weiteren Nachfrage nach Mobilitätsangeboten wird z.T. schon seit Jahren mit verschiedenen flexiblen Angeboten begegnet, die in der Regel von den Gemeinden initiiert und organisiert und vom Landkreis zum Teil mitfinanziert werden. In diesem Zuge sind viele erfolgreiche Projekte entstanden, wie z.B. der Bürgerbus Rehburg-Loccum, Car-Sharing Angebote oder ein Anrufsammeltaxiangebot in der Samtgemeinde Uchte. Es gibt zahlreiche Initiativen, den Radverkehr sowohl in seiner touristischen Ausprägung als auch als Alltagsverkehrsmittel auszubauen.

Somit gibt es bereits Elemente eines innovativen Mobilitätssystems im Landkreis. Allerdings sind diese Angebote nicht aufeinander abgestimmt. Es fehlt eine Gesamtstrategie für ein integriertes Mobilitätssystem zur Steuerung des Verkehrs und zur Entwicklung klimafreundlicher Mobilitätsangebote.

Ziele

Gut aufeinander abgestimmte Mobilitätsangebote, ein auf die Mobilitätsbedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger zugeschnittenes Verkehrsangebot, sowie ein kundenfreundlicher Zugang zu den verschiedenen Mobilitätsangeboten in der Region sind die Grundlage für ein modernes, regionales und kommunales Mobilitätssystem.

Durch eine optimierte Abstimmung der verschiedenen Verkehrsformen und
-angebote aufeinander soll ein integriertes Mobilitätsystem geschaffen werden, das es ermöglicht

-       die Abhängigkeit der Menschen in den Klein- und Kleinstsiedlungen vom eigenen Pkw zu durchbrechen,

-       auch in den dünnbesiedelten ländlichen Räumen Mobilitätschancen für alle Menschen zu schaffen,

-       die Erreichbarkeit der zentralen Orte und Einrichtungen für die Menschen aus allen Teilen des Kreisgebiets zu sichern und zu entwickeln,

-       attraktive Alternativen zum motorisierten Individualverkehr (MIV) zu schaffen, um dessen Anteil am modal split zu verringern,

-       zukunftssichere Mobilitätsstrukturen für den ländlichen Raum zu schaffen,

-       ein effizientes und ressourcenschonendes Ineinandergreifen der zur Verfügung stehenden möglichen Mobilitätsformen zu organisieren,

-       Mobilität klimafreundlich zu gestalten, damit auch in diesem Sektor die Klimaziele erreicht werden können.

Die Integration der zahlreichen Angebote soll so erfolgen, dass eine kombinierte Nutzung verschiedener Verkehrsmittel möglich ist. Durch die Digitalisierung stehen neue Möglichkeiten bereit, um kombinierte Verkehrswegeketten anzubieten und zu nutzen.

Bausteine eines Integrierten Mobilitätskonzeptes

Mögliche Bausteine für die Erstellung eines Integrierten Mobilitätskonzeptes:

  1. Analyse der aktuellen Mobilitätsnachfrage
  2. Analyse des aktuellen Mobilitätsangebotes
  3. Abschätzung des modal split (Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsmittel) für das Kreisgebiet und die Kreisstadt
  4. Abstimmung mit den Städten und Gemeinden
  5. Workshops mit den für Mobilität relevanten Akteuren
  6. Bedeutung von Mobilitätsangeboten für den Klimaschutz
  7. Entwurf eines Leitbildes für ein integriertes Mobilitätssystem
  8. Definition von Handlungsfeldern und Zielen
  9. Entwicklung von Maßnahmen zur Verbesserung von Mobilitätsangeboten

Zu Nr. 1: Hier soll u.a. auf Mobilitätsdaten (Handy-Daten) zurückgegriffen werden, die vom Amt für regionale Landesentwicklung Leine-Weser zur Verfügung gestellt werden. Vom ArL LW werden diese Daten für das gesamte Bezirksgebiet erworben. Anhand anonymisierter Handydaten können die Bewegungsdaten von Personen sichtbar gemacht werden und damit die erforderlichen Wegebeziehungen, für die dann Mobilitätsangebote geschaffen werden könnten. Der Landkreis hat in einem letter of intent sein Interesse an diesen Daten mitgeteilt. In einem weiteren Schritt könnte eine Online – Befragung über das Internet durchgeführt werden, um auch Bürger*innen zu erreichen, die eigentlich nicht mit dem Bus oder dem Fahrrad fahren. Auch sollen die Befragungen in Bussen im Zuge der letzten Verkehrserhebung ausgewertet werden. Ferner soll auch untersucht werden, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf das Mobilitätsverhalten hat (Leute fahren mehr Auto und Fahrrad, weniger Bus und Bahn?).

Zu Nr. 2: Hier soll eine Bestandsaufnahme aller Angebote des öffentlichen Verkehrs (Interviews mit allen Gemeinden) und eine Bewertung der Angebote erfolgen (wo läuft was gut? Wo ist die Versorgung gesichert und wo gibt es Defizite? (Stärken-Schwächen-Analyse).

Zu Nr. 4: ist anzumerken, dass flexible und ergänzende öffentliche Mobilitätsangebote häufig von Gemeinden unterbreitet werden, weswegen hier eine intensive Abstimmung erfolgen muss.

Zu Nr. 5: Dies kann auch die Diskussion in einem Lenkungskreis (Bürgermeister*innen) sein.

Zu Nr. 6: ist festzustellen, dass parallel oder im Vorfeld zu der Erstellung eines Mobilitätskonzeptes eine aktuelle CO2-Bilanz für den Landkreis berechnet werden muss. Auf dieser Basis sollen Aussagen zu den Klimaauswirkungen der Mobilität getroffen werden.

 

Verfahrensablauf der Erstellung eines Mobilitätskonzeptes

Um bereits in der Anfangsphase ein hohes Maß an Beteiligung zu erzielen, könnte die Erstellung eines Mobilitätskonzeptes prozesshaft aufgebaut werden, indem zunächst eine Vorstudie beauftragt wird. Ziel dieser Vorstudie könnte

  • eine erste Analyse (Blick über den Landkreis)
  • eine Befragung der Bürgermeister*innen sein sowie weitere Bausteine, wie
  • der Entwurf eines Programmes/Leistungsbeschreibung für das Mobilitätskonzept
  • die Festlegung der Handlungsfelder
  • der Entwurf einer integrierten Zeitschiene mit Meilensteinen (z.B. Nahverkehrsplan, Vergabe von Leistungen für Linienbündel etc.)
  • der Entwurf erster kurzfristig umsetzbarer Maßnahmen

sein.

Die Ergebnisse der Vorstudie könnten in einer Broschüre mit wenigen Seiten dargestellt werden. Sie wäre dann eine zwischen Gemeinden und Landkreis abgestimmte Grundlage für das weitere Vorgehen bei der Erstellung eines Mobilitätskonzeptes. Auf der anderen Seite könnte der direkte Einstieg in das Mobilitätskonzept den Prozess beschleunigen.

Eine Vorstudie könnte je nach Umfang für einen Preis von 8.000 bis 15.000 € (brutto) erstellt werden. Für ein darauf aufbauendes Mobilitätskonzept muss je nach Leistungsumfang mit ca. 55.000 bis 62.000 € gerechnet werden.

Die Entscheidung, ob eine prozesshafte Differenzierung in Vorstudie und Mobilitätskonzept erfolgen soll, wird die Kreisverwaltung intern abstimmen. Sie wird dem Ausschuss für Regionalentwicklung über Abstimmungsergebnisse bzw. über eine entsprechende Beauftragung informieren.

Das Mobilitätskonzept ist eine wichtige Grundlage für die Fortschreibung des Nahverkehrsplanes, der für das Jahr 2024 wieder neu aufgestellt werden muss (die Fortschreibung beginnt dann voraussichtlich schon im Jahr 2022).

 

Haushaltsmittel

Der Landkreis hatte für das Haushaltsjahr einen Aufwand in Höhe von 70.000 € für die Kofinanzierung der Erstellung eines Klimaschutzkonzepts Mobilität eingestellt. Diese Mittel wurden im Jahr 2020 nicht verwendet, weil sich entsprechende Förderprojekte nicht realisieren ließen. Damit das Thema „Klimafreundliche Mobilität“ nun dennoch besetzt werden kann, wird für das Haushaltsjahr 2021 eine Summe in gleicher Höhe für die Erstellung eines Mobilitätskonzeptes als Aufwand in den Haushalt eingestellt. Um das Gesamtbudget von 70.000 € einzuhalten, muss ggf. eine Auswahl der o.g. Leistungsbausteine erfolgen.

 


Finanzielle Auswirkungen:

 

Es entstehen Kosten i. H. v. 70.000 €. Die Haushaltsmittel stehen im Produkt 54120 für das Haushaltsjahr 2021 zur Verfügung./ nicht zur Verfügung.