Der Landkreis stellt mit Hilfe von externen Verkehrsplaner*innen ein integriertes Mobilitätskonzept auf. Hierfür sollen Finanzmittel mit einem Kostenrahmen von 70.000 € in den Haushalt für das Jahr 2021 eingestellt werden.
Sachverhalt
Ausgangslage
Der Landkreis Nienburg/Weser mit einer Fläche von
1.399 km² wird von dreizehn größeren zentralen Orten und dünn besiedelten
ländlichen Räumen mit zahlreichen Klein- und Kleinstsiedlungen gebildet. Die
Distanzen zwischen den einzelnen Grundzentren sowie die Entfernung zur
Kreisstadt Nienburg als einzigem Mittelzentrum im Kreisgebiet sind
verhältnismäßig groß. Überregional bedeutsame Pendlerverflechtungen des Kreisgebietes
bestehen vor allem mit
- der Region Hannover (6.101 Aus- und
1.520 Einpendler)
- angrenzenden Teilen Ost-Westfalens
(3.679 Aus- und 1.734 Einpendler)
- dem Landkreis Diepholz (2.110 Aus-
und 2.092 Einpendler)
- dem Landkreis Verden (1.652 Aus- und
838 Einpendler) und
- der Hansestadt Bremen (820 Aus- und 112 Einpendler).
Auch innerhalb des Kreisgebietes ergibt sich ein reger
Pendlerverkehr. Die mittlere Entfernung von Wegen, die direkt von zu Hause zum
Arbeitsplatz führen, beträgt 16 Kilometer im Bundesdurchschnitt, im Landkreis
Nienburg/Weser ist sie fast doppelt so hoch. Diese Fahrten werden ganz
überwiegend mit dem eigenen PKW und nur zu einem kleinen Teil im ÖPNV
bewältigt.
Daneben werden täglich ca. 7.500 Schülerinnen und
Schüler mit Bussen zu verschiedenen Schulen im Kreisgebiet befördert.
Eine unbekannte Zahl von Radfahrer*innen fährt mit dem
Fahrrad zur Schule oder zur Arbeit. Im Bereich der Nahmobilität kommen
unzählige zu Fuß erbrachte Wege hinzu. Neben den Mobilitätsgründen „Arbeit“ und
„Schule“ gibt es zahlreiche andere Gründe für Mobilität, z.B. „Einkaufen“,
„Arztbesuch“, etc.. Gerade in den dünnbesiedelten ländlichen Räumen des
Kreisgebiets müssen auch für diese Zwecke z.T. lange Wege zurückgelegt werden.
Die aus dieser Mobilität resultierenden Verkehrsströme
sind insgesamt sehr diffus. Im Rahmen eines integrierten Mobilitätskonzeptes
sollen Vorschläge unterbreitet werden, wie sie optimiert und vernetzt werden
können.
Verkehrsangebote im Kreisgebiet
Im Schienenverkehr werden die Verkehre auf der
Nord-Süd-Achse (Bremen - Verden – Nienburg - Hannover) mit einem attraktiven
Angebot bedient. Im Kfz-Verkehr sind es vor allem die Bundesstraßen, die für
eine relativ gute Anbindung sorgen.
Auf den Hauptachsen des straßengebundenen öffentlichen
Personenverkehrs (ÖPNV) werden die Grundzentren im Kreisgebiet mit sieben sog.
Regio-Linien, die überwiegend im 1 oder 2-Stunden-Takt verkehren, an die
Kreisstadt angebunden. Darüber hinaus ist das straßengebundene ÖPNV-Angebot im
Kreisgebiet weitgehend auf die Belange der Schülerbeförderung zugeschnitten. In
der Stadt Nienburg wird mit sechs Stadtbuslinien ein attraktives ÖPNV-Angebot
unterbreitet.
Der weiteren Nachfrage nach Mobilitätsangeboten wird
z.T. schon seit Jahren mit verschiedenen flexiblen Angeboten begegnet, die in
der Regel von den Gemeinden initiiert und organisiert und vom Landkreis zum
Teil mitfinanziert werden. In diesem Zuge sind viele erfolgreiche Projekte
entstanden, wie z.B. der Bürgerbus Rehburg-Loccum, Car-Sharing Angebote oder
ein Anrufsammeltaxiangebot in der Samtgemeinde Uchte. Es gibt zahlreiche
Initiativen, den Radverkehr sowohl in seiner touristischen Ausprägung als auch
als Alltagsverkehrsmittel auszubauen.
Somit gibt es bereits Elemente eines innovativen
Mobilitätssystems im Landkreis. Allerdings sind diese Angebote nicht
aufeinander abgestimmt. Es fehlt eine Gesamtstrategie für ein integriertes
Mobilitätssystem zur Steuerung des Verkehrs und zur Entwicklung
klimafreundlicher Mobilitätsangebote.
Ziele
Gut aufeinander abgestimmte Mobilitätsangebote, ein
auf die Mobilitätsbedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger zugeschnittenes
Verkehrsangebot, sowie ein kundenfreundlicher Zugang zu den verschiedenen
Mobilitätsangeboten in der Region sind die Grundlage für ein modernes,
regionales und kommunales Mobilitätssystem.
Durch eine optimierte Abstimmung der verschiedenen
Verkehrsformen und
-angebote aufeinander soll ein integriertes Mobilitätsystem geschaffen werden,
das es ermöglicht
-
die Abhängigkeit
der Menschen in den Klein- und Kleinstsiedlungen vom eigenen Pkw zu
durchbrechen,
-
auch in den
dünnbesiedelten ländlichen Räumen Mobilitätschancen für alle Menschen zu schaffen,
-
die
Erreichbarkeit der zentralen Orte und Einrichtungen für die Menschen aus allen
Teilen des Kreisgebiets zu sichern und zu entwickeln,
-
attraktive Alternativen
zum motorisierten Individualverkehr (MIV) zu schaffen, um dessen Anteil am
modal split zu verringern,
-
zukunftssichere
Mobilitätsstrukturen für den ländlichen Raum zu schaffen,
-
ein effizientes
und ressourcenschonendes Ineinandergreifen der zur Verfügung stehenden
möglichen Mobilitätsformen zu organisieren,
-
Mobilität
klimafreundlich zu gestalten, damit auch in diesem Sektor die Klimaziele
erreicht werden können.
Die Integration der zahlreichen Angebote soll so
erfolgen, dass eine kombinierte Nutzung verschiedener Verkehrsmittel möglich
ist. Durch die Digitalisierung stehen neue Möglichkeiten bereit, um kombinierte
Verkehrswegeketten anzubieten und zu nutzen.
Bausteine eines Integrierten Mobilitätskonzeptes
Mögliche Bausteine für die Erstellung eines
Integrierten Mobilitätskonzeptes:
- Analyse der aktuellen
Mobilitätsnachfrage
- Analyse des aktuellen
Mobilitätsangebotes
- Abschätzung des modal
split (Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsmittel)
für das Kreisgebiet und die Kreisstadt
- Abstimmung mit den
Städten und Gemeinden
- Workshops mit den für
Mobilität relevanten Akteuren
- Bedeutung von
Mobilitätsangeboten für den Klimaschutz
- Entwurf eines
Leitbildes für ein integriertes Mobilitätssystem
- Definition von
Handlungsfeldern und Zielen
- Entwicklung von Maßnahmen zur Verbesserung von Mobilitätsangeboten
Zu Nr. 1: Hier soll u.a. auf
Mobilitätsdaten (Handy-Daten) zurückgegriffen werden, die vom Amt für regionale
Landesentwicklung Leine-Weser zur Verfügung gestellt werden. Vom ArL LW werden
diese Daten für das gesamte Bezirksgebiet erworben. Anhand anonymisierter
Handydaten können die Bewegungsdaten von Personen sichtbar gemacht werden und
damit die erforderlichen Wegebeziehungen, für die dann Mobilitätsangebote
geschaffen werden könnten. Der Landkreis hat in einem letter of intent sein
Interesse an diesen Daten mitgeteilt. In einem weiteren Schritt könnte eine
Online – Befragung über das Internet durchgeführt werden, um auch Bürger*innen
zu erreichen, die eigentlich nicht mit dem Bus oder dem Fahrrad fahren. Auch
sollen die Befragungen in Bussen im Zuge der letzten Verkehrserhebung
ausgewertet werden. Ferner soll auch untersucht werden, welche Auswirkungen die
Corona-Pandemie auf das Mobilitätsverhalten hat (Leute fahren mehr Auto und
Fahrrad, weniger Bus und Bahn?).
Zu Nr. 2: Hier soll eine
Bestandsaufnahme aller Angebote des öffentlichen Verkehrs (Interviews mit allen
Gemeinden) und eine Bewertung der Angebote erfolgen (wo läuft was gut? Wo ist
die Versorgung gesichert und wo gibt es Defizite? (Stärken-Schwächen-Analyse).
Zu Nr. 4: ist anzumerken,
dass flexible und ergänzende öffentliche Mobilitätsangebote häufig von
Gemeinden unterbreitet werden, weswegen hier eine intensive Abstimmung erfolgen
muss.
Zu Nr. 5: Dies kann auch die
Diskussion in einem Lenkungskreis (Bürgermeister*innen) sein.
Zu Nr. 6: ist festzustellen,
dass parallel oder im Vorfeld zu der Erstellung eines Mobilitätskonzeptes eine
aktuelle CO2-Bilanz für den Landkreis berechnet werden muss. Auf dieser Basis
sollen Aussagen zu den Klimaauswirkungen der Mobilität getroffen werden.
Verfahrensablauf der Erstellung eines
Mobilitätskonzeptes
Um bereits in der
Anfangsphase ein hohes Maß an Beteiligung zu erzielen, könnte die Erstellung eines
Mobilitätskonzeptes prozesshaft aufgebaut werden, indem zunächst eine Vorstudie
beauftragt wird. Ziel dieser Vorstudie könnte
- eine
erste Analyse (Blick über den Landkreis)
- eine
Befragung der Bürgermeister*innen sein sowie weitere Bausteine, wie
- der
Entwurf eines Programmes/Leistungsbeschreibung für das Mobilitätskonzept
- die
Festlegung der Handlungsfelder
- der
Entwurf einer integrierten Zeitschiene mit Meilensteinen (z.B. Nahverkehrsplan,
Vergabe von Leistungen für Linienbündel etc.)
- der
Entwurf erster kurzfristig umsetzbarer Maßnahmen
sein.
Die Ergebnisse der Vorstudie
könnten in einer Broschüre mit wenigen Seiten dargestellt werden. Sie wäre dann
eine zwischen Gemeinden und Landkreis abgestimmte Grundlage für das weitere
Vorgehen bei der Erstellung eines Mobilitätskonzeptes. Auf der anderen Seite
könnte der direkte Einstieg in das Mobilitätskonzept den Prozess beschleunigen.
Eine Vorstudie könnte je
nach Umfang für einen Preis von 8.000 bis 15.000 € (brutto) erstellt werden.
Für ein darauf aufbauendes Mobilitätskonzept muss je nach Leistungsumfang mit
ca. 55.000 bis 62.000 € gerechnet werden.
Die Entscheidung, ob eine
prozesshafte Differenzierung in Vorstudie und Mobilitätskonzept erfolgen soll,
wird die Kreisverwaltung intern abstimmen. Sie wird dem Ausschuss für
Regionalentwicklung über Abstimmungsergebnisse bzw. über eine entsprechende
Beauftragung informieren.
Das Mobilitätskonzept ist eine wichtige Grundlage für
die Fortschreibung des Nahverkehrsplanes, der für das Jahr 2024 wieder neu
aufgestellt werden muss (die Fortschreibung beginnt dann voraussichtlich schon
im Jahr 2022).
Haushaltsmittel
Der
Landkreis hatte für das Haushaltsjahr einen Aufwand in Höhe von 70.000 € für
die Kofinanzierung der Erstellung eines Klimaschutzkonzepts Mobilität
eingestellt. Diese Mittel wurden im Jahr 2020 nicht verwendet, weil sich
entsprechende Förderprojekte nicht realisieren ließen. Damit das Thema
„Klimafreundliche Mobilität“ nun dennoch besetzt werden kann, wird für das Haushaltsjahr 2021
eine Summe in gleicher Höhe für die Erstellung eines Mobilitätskonzeptes als
Aufwand in den Haushalt eingestellt. Um das Gesamtbudget von 70.000 €
einzuhalten, muss ggf. eine Auswahl der o.g. Leistungsbausteine erfolgen.
Finanzielle Auswirkungen:
Es entstehen Kosten i. H. v. 70.000
€. Die Haushaltsmittel stehen im Produkt 54120 für das Haushaltsjahr 2021 zur
Verfügung./ nicht zur Verfügung.