Betreff
Neuaufstellung des Regionalen Raumordnungsprogramms –Teilabschnitt Windenergienutzung –
hier: Prüfung der Stellungnahmen zum Entwurf der 4. Änderung des RROP
Vorlage
2022/049
Art
Beschlussvorlage

Auf Grundlage des Planungskonzepts des Entwurfs der 4. Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramms werden „Vorranggebiete Windenergienutzung ohne Ausschlusswirkung“ festgelegt, die außerhalb von Hubschraubertiefflugstrecken der Bundeswehr liegen.

Die 5-km-Abstandsregel wird als Grundsatz der Raumordnung in die beschreibende Darstellung des Regionalen Raumordnungsprogramms aufgenommen.


Sachverhalt

Einleitung

Mit öffentlicher Bekanntmachung vom 19.05.2021 wurde das Auslegungs- bzw. Beteiligungsverfahren für den Entwurf der 4. Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) eingeleitet. Bis zum 26.07.2021 bestand die Möglichkeit, zu den Entwurfsunterlagen Stellung zu nehmen. Auch danach sind noch Stellungnahmen eingegangen, die, sofern erheblich, im Einzelfall geprüft werden.

Es sind insgesamt 238 schriftliche Stellungnahmen eingegangen. Davon haben 27 Energie- und Projektierungsunternehmen Stellungnahmen mit Hinweisen zum Planungskonzept und Planungswünsche vorgetragen. Von 73 Privatpersonen sind Stellungnahmen eingegangen, die sich hauptsächlich mit dem Grundeigentum und betroffener Wohnnutzung befassen.

Die inhaltliche Prüfung der Stellungnahmen und die Umweltverträglichkeitsprüfung sind noch nicht vollumfänglich abgeschlossen. Die gesamten Abwägungsvorschläge sollen dem Ausschuss für Regionalentwicklung in der Sitzung am 08.06.2022 zur Beschlussfassung vorgelegt werden.

Militärische Belange - Grundsätzliches

Die Auswertungen der Stellungnahmen des Bundesamts für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw) vom 22.07.2021 und vom 07.03.2022 ergeben bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt, dass eine Änderung des Planungskonzepts erforderlich ist.

Das BAIUDBw weist in seiner Stellungnahme vom 22.07.2021 grundsätzlich darauf hin, dass im Landkreis Nienburg/Weser diverse militärische Belange betroffen sein können, wie z.B. das Interessengebiet der LV-Radaranlage Visselhövede, Jettiefflugstrecken, Hubschraubertiefflugstrecken, Außenlandeplätze, Flugbeschränkungsgebiete, der Bauschutzbereich des Flughafens Wunstorf etc. Die aufgeführte Aufzählung sei nicht abschließend. In den genannten Bereichen sei eine Kollisionsgefahr gegeben. Hier könne es zu Ablehnungen bzw. Bauhöhenbeschränkungen von Windenergieanlagen (WEA) kommen. Ob und inwiefern eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen tatsächlich vorliegt, könne in dieser frühen Planungsphase ohne das Vorliegen konkreter Angaben wie Anzahl der Anlagen, Standortkoordinaten, Nabenhöhe und Bauhöhe jedoch nicht beurteilt werden. Genauer würde sich erst in den an das RROP anschließenden Verfahren geäußert.

Hubschraubertiefflugstrecken

Das BAIUDBw weist darüber hinaus darauf hin, dass WEA sowie andere Hochbauten in Hubschraubertiefflugstrecken ausgeschlossen seien. Zu 13 geplanten Vorranggebieten teilt es mit, dass diese vollständig oder mit Teilflächen in Hubschraubertiefflugstrecken liegen. Dabei handelt es sich u.a. auch um Flächen, die bereits mit WEA bebaut sind (Altstandorte, die bereits in der 1. Änderung des RROP als „Vorranggebiet Windenergienutzung“ festgelegt waren).

Tiefflugstrecken für Hubschrauber unterliegen der militärischen Geheimhaltung und werden nicht bekannt gegeben. Das Land Niedersachsen (oberste Landesplanungsbehörde) hatte dem Landkreis Nienburg/Weser angeboten, die Potenzialflächen mit den Hubschraubertiefflugstrecken kartographisch abzugleichen. Auf GIS-Basis wurde ermittelt, dass rd. 950 ha der geplanten Vorrangflächen in Hubschraubertiefflugstrecken liegen. Alle übrigen Potenzialflächen wurden gleichfalls abgeprüft. Auch diese liegen teilweise oder vollständig in Hubschraubertiefflugstrecken. Konsequenz ist, dass die landesseitigen Orientierungswerte des Windenergieerlasses 2021 zu den Ausbauzielen mit der vorliegenden Konzentrationsplanung „Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung“ nicht erreicht werden können. Auch unter Heranziehung noch verbleibender Potenzialflächen kann dieser Wert nicht erfüllt werden.

In einer weiteren Stellungnahme vom 07.03.2022 betrachtet das BAIUDBw die gesamte Potenzialflächenauswahl und bestätigte, dass in den Hubschraubertiefflugstrecken und ihren Sicherheitskorridoren (3 km) Genehmigungsanträge für WEA abgelehnt werden.

Eine Prüfung der Zulassungssituation in Rücksprache mit dem BAIUDBw hat ergeben, dass im Bereich von Hubschraubertiefflugstrecken, die Gebiete mit Bestandswindparks berühren, WEA im Rahmen von Repowering unter den Voraussetzungen des § 16b Bundes-Immissionsschutzgesetz zugelassen werden müssen. Neuplanungen von Windparks in Hubschraubertiefflugstrecken lehnt die Bundeswehr ab.

Rechtsprechung

In jüngsten Gerichtsurteilen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zu den Windenergieplanungen des Landkreises Uelzen (12 KN 51/20) und der Stadt Diepholz (12 KN 101/21) wird beanstandet, dass dort auch Flächen zu Vorranggebieten für die Windenergie ausgewählt wurden, die dazu nicht im vollen Umfang geeignet sind. Insbesondere bestünden Konflikte mit Tiefflugstrecken der Bundeswehr. Diese Frage hätte nicht auf ein späteres Genehmigungsverfahren verschoben werden dürfen. Ferner seien Höhenbeschränkungen nicht geprüft worden.

Diese Tatbestände führten zur Rechtsunwirksamkeit der Pläne.

Fazit

Aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen (Luftverkehrsgesetz; Windenergieerlass 2021) sind Hubschraubertiefflugstrecken der Bundeswehr wie ein hartes Tabukriterium anzusehen. Die vorliegende Raumanalyse führt zu erheblichen Flächenreduzierungen der gesamten Potenzialflächenauswahl des RROP-Entwurfs. Auf dieser Basis ist das bestehende Planungskonzept für den Landkreis Nienburg/Weser nicht mehr geeignet, der Windenergienutzung im Sinne der landesweiten Ausbauziele ausreichend Raum zu verschaffen. Auf die mit der Festlegung der „Vorranggebiete Windenergienutzung“ verbundene Ausschlusswirkung für den übrigen Planungsraum wird daher verzichtet und die für die Windenergienutzung geeigneten Flächen außerhalb der Hubschraubertiefflugstrecken werden als „Vorranggebiete Windenergienutzung ohne Ausschlusswirkung“ gesichert. WEA-Planungen außerhalb dieser Vorranggebiete sind zukünftig nicht mehr ausgeschlossen, sondern werden im Einzelfall raumordnerisch geprüft (Erforderlichkeit Raumordnungsverfahren).

Das bestehende Planungskonzept zur Ermittlung von Potenzialflächen für die Windenergie bleibt in seinen Grundzügen erhalten. Die 5-km-Abstandsregel soll als abzuwägender Grundsatz der Raumordnung in die beschreibende Darstellung des RROP aufgenommen werden.

Der Verzicht auf die Ausschlusswirkung im RROP eröffnet den Mitgliedskommunen planerische Gestaltungsspielräume. Klageverfahren werden nicht mehr zur Aufhebung des gesamten RROP-Windkonzepts führen. Die Mitgliedskommunen haben die Möglichkeit, in ihren Bauleitplänen die Windenergienutzung nach eigenen städtebaulichen Vorstellungen zu steuern. Dies hat den Vorteil, dass die örtlichen Gegebenheiten detailliert berücksichtigt werden können (Beispiel: Aktuelle Flächennutzungsplanänderung der SG Grafschaft Hoya).


Finanzielle Auswirkungen:

 

Der Beschluss hat keine finanziellen Auswirkungen.


Anlagen:

 

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