Der Landkreis Nienburg/Weser strebt eine Mitgliedschaft in
der Entwicklungskooperation Weserbergland an. Bestehende Kooperationen, z.B.
mit den Nachbarkreisen Diepholz und Verden, bleiben hiervon unberührt. Die
Verwaltung wird beauftragt ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten, das den
Einstieg ermöglicht.
Kooperationen des Landkreises Nienburg mit Nachbarlandkreisen
I. Vorbemerkungen
und Rahmenbedingungen
Die EU, der Bund und das Land Niedersachsen unterstützen seit längerer Zeit kommunale Initiativen der Landkreise und Gemeinden untereinander Kooperationen einzugehen, zu vertiefen und sich als “Regionen" aufzustellen. Dies wird z.T. als zwingende Vorraussetzung gesehen, um bestimmte Fördermittel zu erhalten, damit diese effizienter eingesetzt werden können. Deshalb haben sich eine Reihe von “Regionen" in Niedersachsen gefunden bzw. sind aktuell dabei sich neu zu organisieren. Die meisten Landkreise haben sich inzwischen positioniert und gehören einer solchen Region an. Zum Teil haben sich enge und weitgehende Entwicklungskooperationen herausgebildet, die sich teilweise nach außen als “Gebietseinheit” darstellen.
Eine solche enge Kooperation ist der Landkreis Nienburg noch nicht eingegangen. Ein Hinderungsgrund scheint die besondere Lage zwischen den Ballungskernen Hannover und Bremen und die daraus resultierende Mehrfachorientierung zu sein. Es bereitete Schwierigkeiten, alle Gemeinden einzubeziehen. Eine Mehrfachorientierung, sogar “gegenläufige Verflechtungen” weisen jedoch noch weitere Kreise, z.B. Diepholz, Rotenburg, Soltau-Fallingbostel, Cuxhaven und auch Schaumburg auf. Hier hat man aber frühzeitige Schwerpunkte gesetzt und Kooperationsentscheidungen mit anderen Landkreisen getroffen. Übliche Praxis ist, dass “gegenläufige Verflechtungen” akzeptiert werden und nicht als dringendes Problem, sondern vielmehr als zusätzliche Chance angesehen werden.
Um in der Sache weiter zu kommen, wurde seitens der Verwaltung eine Bestandsaufnahme der bestehenden Kooperationen zu anderen Landkreisen erarbeitet mit dem Ergebnis, dass verschiedene funktionale Kooperationen eingegangen worden, z.B. im Abfallwesen, Rettungswesen, in der Wasserwirtschaft und Regionalplanung. Es gibt auch gemeinsame Projekte z.B. mit LK Diepholz und Verden um Fördermittel für Technologietransfer einzuwerben sowie im Rahmen des EU-Programms Leader + . Die Analyse dieser und weiterer Daten (z.B. Wirtschaftsdaten, Arbeitsmarkt, Pendler) ergab jedoch kein eindeutiges Bild, aus dem ein klarer Schluss gezogen werden konnten.
Deshalb hatte der Landkreis Nienburg/Weser im Dezember 2004 “seine" Nachbarn, sprich Landkreise, Kommunen, Fachverwaltungen, Dienststellen und Organisationen, die in die kommunale Aufgabenwahrnehmung eingebunden sind, in die Evangelische Akademie Loccum eingeladen um gemeinsam die bisherigen Kooperationsfelder zu beleuchten, zu analysieren und Perspektiven zum Ausbau und zur Vertiefung zu gewinnen.
Landräte und Experten verschiedener Arbeitsbereiche gaben Einblicke und Anregungen aus der Praxis. In Werkstattgesprächen wurden diese Themenfelder vertieft und am Ende der Veranstaltung vorgetragen.
Als von allen anwesenden Landräten getragenes Ergebnis ließ sich festhalten, dass
· die sog. funktionale Kooperation in der kommunalen Aufgabenwahrnehmung angesichts der schwindenden finanziellen Ressourcen und des demografischen Wandels zwingend notwendig ist und ausgebaut werden muss.
· unterschiedliche Vorstellungen zur räumlichen Abgrenzungen vorherrschten, bzw. die Abgrenzung und ein Zusammenhang von Regionen von vielschichtigen Faktoren abhängig ist. Dessen ungeachtet herrschte Einigkeit, dass schon aus überregionaler Sicht ein einzelner Landkreis nicht mehr wahrgenommen wird.
· eine Verschiebung der kommunalen Gebietsgrenzen (z.B. Zusammenlegung von Landkreisen) das Problem der kommunalen Haushaltsdefizite nicht einmal im Ansatz löst.
· die teilnehmenden Landkreise an funktionalen und z.T. darüber hinaus gehenden Entwicklungskooperationen interessiert waren.
Der Landrat des Landkreises Diepholz votierte klar für die Einbeziehung von Diepholz in die Nordwestregion Niedersachsens und stellte den besonderen Einfluss des Oberzentrums Bremen auf den Landkreis heraus. Er zog eine positive Bilanz der Arbeitsergebnisse der “Regionalen Arbeitsgemeinschaft Bremen-Niedersachsen” (RAG), in der auch der Landkreis Nienburg einen Gaststatus besitzt und die SG Grafschaft Hoya in die Projektarbeit in der Regel einbezogen ist.
Der Landrat des Landkreises Schaumburg bereicherte die Diskussion durch die positiven Erfahrungen der Entwicklungskooperationen Weserbergland-Region mit Holzminden, Hameln und Schaumburg. Der Landkreis Nienburg war ursprünglich aufgefordert, sich in diese Kooperation einzubringen. Dieses Angebot wurde seinerzeit jedoch verwaltungsseitig abgelehnt, weil die damalige Sichtweise von der gerade vollzogenen Trennung vom Touristikverband Weserbergland und Gründung der Mittelwesertouristik beherrscht war. Das heutige Verwaltungshandeln legt vielmehr Wert auf verbindende Elemente und gemeinsames Handeln, so dass sich diese Entscheidung inzwischen aus Sicht der Verwaltung als Fehler erwiesen hat, da mitterweile fast alle Landkreise in Niedersachsen in engeren Kooperationen eingebunden sind.
Inzwischen hat die Weserberglandregion viele erfolgreiche Projekte gemeinsam realisieren können, die als beispielhaft in Niedersachsen gelten, z.B. im Bereich Technologietransfer, Regionalmarketing, Qualifizierung, Tourismus. Ohne den Verbund hätte keiner der Landkreise die Projekte realisieren können.
Die Projekte
werden erfolgreich durch eine partnerschaftlich strukturierte
Projektorganisation gesteuert.
Dem Landkreis Nienburg wurde nach der Veranstaltung in
Loccum seitens der Weserbergland-Region Gelegenheit gegeben, an einer von der
Region ausgerichteten Veranstaltung in Brüssel teilzunehmen. Außerdem konnte
das Fachamt an Sitzungen der geschäftsführenden Arbeitsgruppe teilnehmen, die
als ein sehr gut eingespieltes Team zu bezeichnen ist.
Nicht nur die Landkreise versuchen
Entwicklungskooperationen einzugehen. So haben sich die Metropolregionen
“Hannover, Braunschweig, Göttingen" und “Bremen-Oldenburg” zusammengetan,
insbesondere weil die zukünftige Bundes- und EU- Wirtschaftsförderung sich nach
der EU-Osterweiterung in “der alten EU" auf so genannte Wachstumskerne
konzentrieren soll. Diese Wachstumskerne sollen auf den ländlichen Raum
ausstrahlen. Die Metropolregionen werden solche Wachstumskerne darstellen. Die
Metropolregion Hamburg gehört zu den ersten ihrer Art und arbeitet seit
längerer Zeit erfolgreich mit ihren Mitgliedern im niedersächsischen Umland
zusammen. Es wird in Niedersachsen bei der zu erwartenden Anerkennung der
Metropolregionen “Hannover” und “Bremen” vermutlich keine Landkreise geben, die
nicht in Metropolregionen eingebunden sind.
Der Kreisausschuss des Landkreises Nienburg hat am
12.04.2005 beschlossen, der Metropolregion Hannover beizutreten. Der Landkreis
Diepholz hat am selben Tag den gemeinsamen Antrag der Metropolregion
Bremen-Oldenburg auf Anerkennung unterzeichnet. Diese Schritte basieren auf der
Tatsache, dass die Schwerpunkte der Verflechtungen der Landkreise Diepholz und
Nienburg auseinanderdriften und dürfen nicht nur als Formalität im Sinne eines
Fördermittelmitnahmeeffekts begriffen werden.
Alle Beteiligten sind sich darüber im Klaren, dass das
Instrument “Metropolregion” nicht die Probleme im ländlichen Raum aus der Welt
schafft. Deshalb gibt es hier weitere Förderinstrumente, Bundes-, Landesmittel
und EU-Fonds, die auf die besondere Problematik zugeschnitten sind. Aber auch
hier werden sich die Vorgaben dahin gehend ändern, dass zum Beispiel Projekte
besser gefördert werden, wenn sie in einem gemeinsamen Entwicklungskonzept
Gemeindegrenzen übergreifend abgestimmt worden sind. Auch Landkreis- und
Landesgrenzen sind hier kein Tabu und sollen, sofern dadurch positive Effekte
entstehen, “überwunden werden”.
II. Schlussfolgerungen
für den Landkreis Nienburg/Weser
Aus der Sicht der Verwaltung können aus dem Vorgenannten
folgende Schlüsse gezogen werde:
· Angesichts der Entwicklung im Land Niedersachsen ist ein
weiterer Alleingang des Landkreises Nienburg/Weser keine echte Option.
·
Die Konzentration auf
eine Vertiefung der funktionalen Kooperation im Verwaltungshandeln reicht nicht
aus, um in der Konkurrenz mit weitergehenden Entwicklungskooperationsmodellen
bestehen zu können.
· Den "ländliche Raum" als eigenständige zukünftige
Gebietskategorie, in Konkurrenz zum städtischen Raum, wird es in Zukunft nicht
mehr geben, bzw. wird er ohne Metrolpolanschluss auch ohne
Entwicklungspotential bleiben
·
Der Landkreis Nienburg
muss sich daher in ein weitergehendes Kooperationsmodell einbringen.
· Das Herausstellen von Unterschiedlichkeiten (z.B. “Nordkreis-Südkreis”) ist nicht mehr
zeitgemäß, äußerst kontraproduktiv, lenkt von der eigentlichen Problematik ab
und schwächt den Landkreis nachhaltig.
III. Strategieempfehlungen
· Eine wesentliche Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit
im Landkreis ist ein weitestgehender Konsens über die unter II genannten
Gesichtspunkte. Außerdem ist die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger, der
Kommunen und Akteure mit dem Landkreis Nienburg von Bedeutung um mit dem
notwendigen Selbstbewusstsein die eigenen und überregionalen Interessen gut
vertreten zu können.
Die Verwaltung schlägt folgende
Strategieansätze vor:
·
Der Landkreis
Nienburg/Weser sollte eine engere Kooperation mit Nachbarkreisen eingehen, die
in der Metropolregion Hannover eingebunden sind, da auch der Schwerpunkt des
Landkreises Nienburg auf diese Metropolregion gerichtet ist.
· Bestehende funktionale Kooperationen z.B. mit den
Landkreisen Diepholz, Verden, Soltau-Fallingbostel oder dem Kreis Minden
Lübbecke sollen dadurch nicht beeinträchtigt, sondern weiter ausgebaut werden.
·
Weitergehende lokale
Initiativen sind denkbar und sollen Unterstützung finden.
Die Verwaltung schlägt ferner vor, eine engere Kooperation
mit der Weserbergland-Region anzustreben. Da sich Verden und Diepholz der
Metropolregion Bremen zuordnen, scheiden diese als enge
Entwicklungskooperationspartner aus. Der Landkreis Soltau-Falling-bostel weist
Verflechtungen nach Hamburg auf, die er vertiefen will. Er ist der
Regierungsvertretung Lüneburg zugeordnet. Diese zusätzliche Orientierung
verkompliziert die Ziele und die gemeinsame Arbeit
Mit der Weserberglandregion ist eine größere Affinität
gegeben, weil z.B. seitens der Landesregierung geplant ist, den Sitz der
Regierungsvertretung Hannover nach Nienburg zu verlegen. Die Weserbergland –
Region ist dieser Regierungsvertretung zugeordnet und in die Metropolregion
Hannover einbezogen. Hiermit ist eine weit-gehende Übereinstimmung in den
Arbeitsfeldern und vermutlich auch den Zielen der zukünftigen Regionalentwicklung
vorgegeben.
Als weitere Affinitäten sind beispielsweise zu nennen :
Wasser- und Radtourismus an der Weser und Steinhuder Meer, gemeinsame
kulturelle Wurzeln wie z.B. Weserrenaissance.
Darüber hinaus können für alle Beteiligten beispielsweise
folgende Vorteile entstehen :
Eine Einbindung des Landkreises Nienburg/Weser und seiner
Potentiale würde die Position, das politische Gewicht und das
Wirtschaftspotential der gesamten Region stärken. Durch die Einbeziehung
Nienburgs wäre auch ein Teil des Norden Hannovers und somit der
Entwicklungsachse Hannover-Bremen abgedeckt. Zusätzlich könnte der Sitz und das
Wirken der Regierungsvertretung in Nienburg als Katalysator für Kooperationen
und der Erschließung weiterer Entwicklungspotentiale mit den Landkreisen Verden
und Diepholz
(“Weserschiene”) sowie der Metropolregion Bremen-Oldenburg dienen, da dies eine
Aufgabe der Regierungsvertretungen sein wird.
Die Auslastung der gemeinsamen
“Entwicklungs-Infrastruktur”, z.B. Weserberland-Aktiengesellschaft als
Wirtschaftsförderungsgesellschaft würde verbessert. Die Arbeit könnte deshalb
noch effizienter gestaltet werden. Durch die zusätzliche Einbringung
personeller und finanzieller Ressourcen aus dem Landkreis Nienburg könnten auch
hier positive Effekte (Einsparungen, bzw. die Schaffung zusätzlicher
Potentiale) erzielt werden.
IV. Die nächsten Schritte
Die Entwicklungskooperation Weserbergland ist das Ergebnis
eines längeren Prozesses. Die Arbeit in den einzelnen Gremien ist durch die in
diesem Prozess abgestimmten Leitlinien und durch das starke persönliche
Engagement der jeweiligen Regionalmanager, Wirtschaftsförderer und Akteure der
beteiligten Landkreise geprägt. Es handelt sich um eingespielte, gut
kooperierende Teams. Es ist ein finanzielles Engagement der Landkreise
erforderlich.
Ein Einstieg ist deshalb nicht allein Formsache, sondern
kann nur im Rahmen eines Prozess gefunden werden, in dem sich der Landkreis
Nienburg/Weser als kooperationsfähiger und verlässlicher Partner einbringen
müsste. Am Ende müssen daraus für alle Beteiligten Vorteile erwachsen.
Die konkreten Einstiegsmöglichkeiten sind vielfältig.
Beispielsweise könnte im Rahmen von abgegrenzten Projekten Kooperationen
abgestimmt werden. Oder dem Landkreis würde zeitlich begrenzt eine
“privilegierte Partnerschaft” eingeräumt, die dann Zug um Zug ausgebaut werden
könnte. Dies muss jedoch im Einzelnen noch diskutiert werden.
Der jetzige Gast-Status des Landkreises Nienburg/Weser in
den Arbeitsgremien reicht definitiv nicht aus, um diesen Prozess einzuleiten.
Deshalb ist zu entscheiden, ob der Landkreis Nienburg/Weser eine solche
Mitgliedschaft in der Entwicklungskooperation Weserbergland begrüßen würde und
die Verwaltung den Auftrag erhält, ein Konzept zu erarbeiten, um den Einstieg
zu ermöglichen.