Betreff
Kooperationen des Landkreises Nienburg/Weser mit Nachbarlandkreisen
Vorlage
2005/ARKBV/005
Art
Ausschuss für Regionalentwicklung

 

Der Landkreis Nienburg/Weser strebt eine Mitgliedschaft in der Entwicklungskooperation Weserbergland an. Bestehende Kooperationen, z.B. mit den Nachbarkreisen Diepholz und Verden, bleiben hiervon unberührt. Die Verwaltung wird beauftragt ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten, das den Einstieg ermöglicht.

 


 

Kooperationen des Landkreises Nienburg mit Nachbarlandkreisen

 

I.   Vorbemerkungen und Rahmenbedingungen

 

Die EU, der Bund und das Land Niedersachsen unterstützen seit längerer Zeit kommunale Initiativen der Landkreise und Gemeinden untereinander Kooperationen einzugehen, zu vertiefen und sich als “Regionen" aufzustellen. Dies wird z.T. als zwingende Vorraussetzung gesehen, um bestimmte Fördermittel zu erhalten, damit diese effizienter eingesetzt werden können. Deshalb haben sich eine Reihe von “Regionen" in Niedersachsen gefunden bzw. sind aktuell dabei sich neu zu organisieren. Die meisten Landkreise haben sich inzwischen positioniert und gehören einer solchen Region an. Zum Teil haben sich enge und weitgehende Entwicklungskooperationen herausgebildet, die sich teilweise nach außen als “Gebietseinheit” darstellen.

 

Eine solche enge Kooperation ist der Landkreis Nienburg noch nicht eingegangen. Ein Hinderungsgrund scheint die besondere Lage zwischen den Ballungskernen Hannover und Bremen und die daraus resultierende Mehrfachorientierung zu sein. Es bereitete Schwierigkeiten, alle Gemeinden einzubeziehen. Eine Mehrfachorientierung, sogar “gegenläufige Verflechtungen” weisen jedoch noch weitere Kreise, z.B. Diepholz, Rotenburg, Soltau-Fallingbostel, Cuxhaven und auch Schaumburg auf. Hier hat man aber frühzeitige Schwerpunkte gesetzt und Kooperationsentscheidungen mit anderen Landkreisen getroffen. Übliche Praxis ist, dass “gegenläufige Verflechtungen” akzeptiert werden und nicht als dringendes Problem, sondern vielmehr als zusätzliche Chance angesehen werden.

 

Um in der Sache weiter zu kommen, wurde seitens der Verwaltung eine Bestandsaufnahme der bestehenden Kooperationen zu anderen Landkreisen erarbeitet mit dem Ergebnis, dass verschiedene funktionale Kooperationen eingegangen worden, z.B. im Abfallwesen, Rettungswesen, in der Wasserwirtschaft und Regionalplanung. Es gibt auch gemeinsame Projekte z.B. mit LK Diepholz und Verden um Fördermittel für Technologietransfer einzuwerben sowie im Rahmen des EU-Programms Leader + . Die Analyse dieser und weiterer Daten (z.B. Wirtschaftsdaten, Arbeitsmarkt, Pendler) ergab jedoch kein eindeutiges Bild, aus dem ein klarer Schluss gezogen werden konnten.

 

Deshalb hatte der Landkreis Nienburg/Weser im Dezember 2004 “seine" Nachbarn, sprich Landkreise, Kommunen, Fachverwaltungen, Dienststellen und Organisationen, die in die kommunale Aufgabenwahrnehmung eingebunden sind, in die Evangelische Akademie Loccum eingeladen um gemeinsam die bisherigen Kooperationsfelder zu beleuchten, zu analysieren und Perspektiven zum Ausbau und zur Vertiefung zu gewinnen.

 

Landräte und Experten verschiedener Arbeitsbereiche gaben Einblicke und Anregungen aus der Praxis. In Werkstattgesprächen wurden diese Themenfelder vertieft und am Ende der Veranstaltung vorgetragen.

 

Als von allen anwesenden Landräten getragenes Ergebnis ließ sich festhalten, dass

 

· die sog. funktionale Kooperation in der kommunalen Aufgabenwahrnehmung angesichts der schwindenden finanziellen Ressourcen und des demografischen Wandels zwingend notwendig ist und ausgebaut werden muss.

· unterschiedliche Vorstellungen zur räumlichen Abgrenzungen vorherrschten, bzw. die Abgrenzung und ein Zusammenhang von Regionen von vielschichtigen Faktoren abhängig ist. Dessen ungeachtet herrschte Einigkeit, dass schon aus überregionaler Sicht ein einzelner Landkreis nicht mehr wahrgenommen wird.

· eine Verschiebung der kommunalen Gebietsgrenzen (z.B. Zusammenlegung von Landkreisen) das Problem der kommunalen Haushaltsdefizite nicht einmal im Ansatz löst.

· die teilnehmenden Landkreise an funktionalen und z.T. darüber hinaus gehenden Entwicklungskooperationen interessiert waren.

 

Der Landrat des Landkreises Diepholz votierte klar für die Einbeziehung von Diepholz in die Nordwestregion Niedersachsens und stellte den besonderen Einfluss des Oberzentrums Bremen auf den Landkreis heraus. Er zog eine positive Bilanz der Arbeitsergebnisse der “Regionalen Arbeitsgemeinschaft Bremen-Niedersachsen” (RAG), in der auch der Landkreis Nienburg einen Gaststatus besitzt und die SG Grafschaft Hoya in die Projektarbeit in der Regel einbezogen ist.

 

Der Landrat des Landkreises Schaumburg bereicherte die Diskussion durch die positiven Erfahrungen der Entwicklungskooperationen Weserbergland-Region mit Holzminden, Hameln und Schaumburg. Der Landkreis Nienburg war ursprünglich aufgefordert, sich in diese Kooperation einzubringen. Dieses Angebot wurde seinerzeit jedoch verwaltungsseitig abgelehnt, weil die damalige Sichtweise von der gerade vollzogenen Trennung vom Touristikverband Weserbergland und Gründung der Mittelwesertouristik beherrscht war. Das heutige Verwaltungshandeln legt vielmehr Wert auf verbindende Elemente und gemeinsames Handeln, so dass sich diese Entscheidung inzwischen aus Sicht der Verwaltung als Fehler erwiesen hat, da mitterweile fast alle Landkreise in Niedersachsen in engeren Kooperationen eingebunden sind.

 

Inzwischen hat die Weserberglandregion viele erfolgreiche Projekte gemeinsam realisieren können, die als beispielhaft in Niedersachsen gelten, z.B. im Bereich Technologietransfer, Regionalmarketing, Qualifizierung, Tourismus. Ohne den Verbund hätte keiner der Landkreise die Projekte realisieren können.

Die Projekte werden erfolgreich durch eine partnerschaftlich strukturierte Projektorganisation gesteuert.

 

Dem Landkreis Nienburg wurde nach der Veranstaltung in Loccum seitens der Weserbergland-Region Gelegenheit gegeben, an einer von der Region ausgerichteten Veranstaltung in Brüssel teilzunehmen. Außerdem konnte das Fachamt an Sitzungen der geschäftsführenden Arbeitsgruppe teilnehmen, die als ein sehr gut eingespieltes Team zu bezeichnen ist.

 

Nicht nur die Landkreise versuchen Entwicklungskooperationen einzugehen. So haben sich die Metropolregionen “Hannover, Braunschweig, Göttingen" und “Bremen-Oldenburg” zusammengetan, insbesondere weil die zukünftige Bundes- und EU- Wirtschaftsförderung sich nach der EU-Osterweiterung in “der alten EU" auf so genannte Wachstumskerne konzentrieren soll. Diese Wachstumskerne sollen auf den ländlichen Raum ausstrahlen. Die Metropolregionen werden solche Wachstumskerne darstellen. Die Metropolregion Hamburg gehört zu den ersten ihrer Art und arbeitet seit längerer Zeit erfolgreich mit ihren Mitgliedern im niedersächsischen Umland zusammen. Es wird in Niedersachsen bei der zu erwartenden Anerkennung der Metropolregionen “Hannover” und “Bremen” vermutlich keine Landkreise geben, die nicht in Metropolregionen eingebunden sind.

 

Der Kreisausschuss des Landkreises Nienburg hat am 12.04.2005 beschlossen, der Metropolregion Hannover beizutreten. Der Landkreis Diepholz hat am selben Tag den gemeinsamen Antrag der Metropolregion Bremen-Oldenburg auf Anerkennung unterzeichnet. Diese Schritte basieren auf der Tatsache, dass die Schwerpunkte der Verflechtungen der Landkreise Diepholz und Nienburg auseinanderdriften und dürfen nicht nur als Formalität im Sinne eines Fördermittelmitnahmeeffekts begriffen werden.

 

Alle Beteiligten sind sich darüber im Klaren, dass das Instrument “Metropolregion” nicht die Probleme im ländlichen Raum aus der Welt schafft. Deshalb gibt es hier weitere Förderinstrumente, Bundes-, Landesmittel und EU-Fonds, die auf die besondere Problematik zugeschnitten sind. Aber auch hier werden sich die Vorgaben dahin gehend ändern, dass zum Beispiel Projekte besser gefördert werden, wenn sie in einem gemeinsamen Entwicklungskonzept Gemeindegrenzen übergreifend abgestimmt worden sind. Auch Landkreis- und Landesgrenzen sind hier kein Tabu und sollen, sofern dadurch positive Effekte entstehen, “überwunden werden”.

 

II. Schlussfolgerungen  für den Landkreis Nienburg/Weser

 

Aus der Sicht der Verwaltung können aus dem Vorgenannten folgende Schlüsse gezogen werde:

 

· Angesichts der Entwicklung im Land Niedersachsen ist ein weiterer Alleingang des Landkreises Nienburg/Weser keine echte Option.

· Die Konzentration auf eine Vertiefung der funktionalen Kooperation im Verwaltungshandeln reicht nicht aus, um in der Konkurrenz mit weitergehenden Entwicklungskooperationsmodellen bestehen zu können.

· Den "ländliche Raum" als eigenständige zukünftige Gebietskategorie, in Konkurrenz zum städtischen Raum, wird es in Zukunft nicht mehr geben, bzw. wird er ohne Metrolpolanschluss auch ohne Entwicklungspotential bleiben

· Der Landkreis Nienburg muss sich daher in ein weitergehendes Kooperationsmodell einbringen.

· Das Herausstellen von Unterschiedlichkeiten  (z.B. “Nordkreis-Südkreis”) ist nicht mehr zeitgemäß, äußerst kontraproduktiv, lenkt von der eigentlichen Problematik ab und schwächt den Landkreis nachhaltig.

 

 

III. Strategieempfehlungen

 

· Eine wesentliche Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit im Landkreis ist ein weitestgehender Konsens über die unter II genannten Gesichtspunkte. Außerdem ist die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger, der Kommunen und Akteure mit dem Landkreis Nienburg von Bedeutung um mit dem notwendigen Selbstbewusstsein die eigenen und überregionalen Interessen gut vertreten zu können.

 

Die Verwaltung schlägt folgende Strategieansätze vor:

 

· Der Landkreis Nienburg/Weser sollte eine engere Kooperation mit Nachbarkreisen eingehen, die in der Metropolregion Hannover eingebunden sind, da auch der Schwerpunkt des Landkreises Nienburg auf diese Metropolregion gerichtet ist.

· Bestehende funktionale Kooperationen z.B. mit den Landkreisen Diepholz, Verden, Soltau-Fallingbostel oder dem Kreis Minden Lübbecke sollen dadurch nicht beeinträchtigt, sondern weiter ausgebaut werden.

· Weitergehende lokale Initiativen sind denkbar und sollen Unterstützung finden.

 

 

Die Verwaltung schlägt ferner vor, eine engere Kooperation mit der Weserbergland-Region anzustreben. Da sich Verden und Diepholz der Metropolregion Bremen zuordnen, scheiden diese als enge Entwicklungskooperationspartner aus. Der Landkreis Soltau-Falling-bostel weist Verflechtungen nach Hamburg auf, die er vertiefen will. Er ist der Regierungsvertretung Lüneburg zugeordnet. Diese zusätzliche Orientierung verkompliziert die Ziele und die gemeinsame Arbeit

 

Mit der Weserberglandregion ist eine größere Affinität gegeben, weil z.B. seitens der Landesregierung geplant ist, den Sitz der Regierungsvertretung Hannover nach Nienburg zu verlegen. Die Weserbergland – Region ist dieser Regierungsvertretung zugeordnet und in die Metropolregion Hannover einbezogen. Hiermit ist eine weit-gehende Übereinstimmung in den Arbeitsfeldern und vermutlich auch den Zielen der zukünftigen Regionalentwicklung vorgegeben.

Als weitere Affinitäten sind beispielsweise zu nennen : Wasser- und Radtourismus an der Weser und Steinhuder Meer, gemeinsame kulturelle Wurzeln wie z.B. Weserrenaissance.

 

Darüber hinaus können für alle Beteiligten beispielsweise folgende Vorteile entstehen :

 

Eine Einbindung des Landkreises Nienburg/Weser und seiner Potentiale würde die Position, das politische Gewicht und das Wirtschaftspotential der gesamten Region stärken. Durch die Einbeziehung
Nienburgs wäre auch ein Teil des Norden Hannovers und somit der Entwicklungsachse Hannover-Bremen abgedeckt. Zusätzlich könnte der Sitz und das Wirken der Regierungsvertretung in Nienburg als Katalysator für Kooperationen und der Erschließung weiterer Entwicklungspotentiale mit den Landkreisen Verden und Diepholz
(“Weserschiene”) sowie der Metropolregion Bremen-Oldenburg dienen, da dies eine Aufgabe der Regierungsvertretungen sein wird.

 

Die Auslastung der gemeinsamen “Entwicklungs-Infrastruktur”, z.B. Weserberland-Aktiengesellschaft als Wirtschaftsförderungsgesellschaft würde verbessert. Die Arbeit könnte deshalb noch effizienter gestaltet werden. Durch die zusätzliche Einbringung personeller und finanzieller Ressourcen aus dem Landkreis Nienburg könnten auch hier positive Effekte (Einsparungen, bzw. die Schaffung zusätzlicher Potentiale) erzielt werden.

 

 

IV. Die nächsten Schritte

 

Die Entwicklungskooperation Weserbergland ist das Ergebnis eines längeren Prozesses. Die Arbeit in den einzelnen Gremien ist durch die in diesem Prozess abgestimmten Leitlinien und durch das starke persönliche Engagement der jeweiligen Regionalmanager, Wirtschaftsförderer und Akteure der beteiligten Landkreise geprägt. Es handelt sich um eingespielte, gut kooperierende Teams. Es ist ein finanzielles Engagement der Landkreise erforderlich.

 

Ein Einstieg ist deshalb nicht allein Formsache, sondern kann nur im Rahmen eines Prozess gefunden werden, in dem sich der Landkreis Nienburg/Weser als kooperationsfähiger und verlässlicher Partner einbringen müsste. Am Ende müssen daraus für alle Beteiligten Vorteile erwachsen.

 

 

 

Die konkreten Einstiegsmöglichkeiten sind vielfältig. Beispielsweise könnte im Rahmen von abgegrenzten Projekten Kooperationen abgestimmt werden. Oder dem Landkreis würde zeitlich begrenzt eine “privilegierte Partnerschaft” eingeräumt, die dann Zug um Zug ausgebaut werden könnte. Dies muss jedoch im Einzelnen noch diskutiert werden.

 

Der jetzige Gast-Status des Landkreises Nienburg/Weser in den Arbeitsgremien reicht definitiv nicht aus, um diesen Prozess einzuleiten. Deshalb ist zu entscheiden, ob der Landkreis Nienburg/Weser eine solche Mitgliedschaft in der Entwicklungskooperation Weserbergland begrüßen würde und die Verwaltung den Auftrag erhält, ein Konzept zu erarbeiten, um den Einstieg zu ermöglichen.

 

 

 


Finanzielle Auswirkung                                      Haushaltsmittel verfügbar

 

   Ja, mit                                                   Ja

   Nein                                                            Nein